Dishonored

Dishonored

(Bethesda)

geschrieben von Witali Blum

 

     
 

Im Oktober 2012 erschien der Titel "Dishonored", der statt mit einem großen Werberummel lieber mit spielerischen Tatsachen auf sich aufmerksam machen möchte. Das ist ein gewagter Schachzug seitens des Publishers "Bethesda Softworks", denn schließlich kommt die größte Konkurrenz "Skyrim" aus dem eigenen Haus, wenn auch nicht unbedingt vom selben Entwickler. Lesen Sie im folgenden Test bei DLH.Net, warum "Dishonored" trotzdem die besten Chancen hat, eines der bekanntesten und womöglich sogar meistgekauften Spiele im Herbst 2012 zu werden.

Der Verrat

Die Handlung von "Dishonored" spielt in einer fiktiven Stadt namens Dunwall, die optisch stark an das London des 19ten Jahrhunderts erinnert. Die Entdeckung der Dampfkraft mithilfe des Brennstoffs Walöl hat den Bewohnern dieser Welt einen enormen technologischen sowie militärischen Fortschritt verschafft, gleichzeitig aber auch viele Probleme verursacht, die allerdings nicht allein auf ein mangelndes Umwelt- sowie Hygienebewusstsein zurückzuführen sind. So grassiert in der Stadt eine mysteriöse Krankheit, während eine Rattenplage vor allem die Behausungen der Unterschicht heimsucht. Das wundersame Elixier eines obskuren Wissenschaftlers scheint zumindest gegen die Seuche zu helfen, doch nur die reichsten Bürger und deren gut bezahlte Bedienstete können sich das Heilmittel leisten. Um die Not abzuwenden, schickt die Kaiserin des Inselreichs Gristol, Jessamine Kaldwin, ihren treuen Leibwächter Corvo Attano mit einem Hilfegesuch zu den benachbarten Nationen. Statt Beistand zu leisten, senden die "lieben" Nachbarn eine Blockadeflotte, um die Auswirkungen der Plage aus weiter Ferne zu beobachten und gleichzeitig ein Übergreifen auf ihre Länder zu verhindern.

Enttäuscht kehrt Corvo von seiner erfolglosen Mission zurück, um der Kaiserin Bericht zu erstatten. Nach einem kurzen Versteckspiel mit der Tochter der Regentin, Emily, überbringt der Leibwächter die traurige Nachricht, dass keine Hilfe von außen zu erwarten ist. Während Jessamine über die Situation sinniert, wird sie von Unbekannten mit außergewöhnlichen Fähigkeiten angegriffen. Obwohl sich der Leibwächter gegen die mysteriösen Attentäter ziemlich wacker schlägt, wird er letztendlich überwältigt und muss ansehen, wie seine Schutzbefohlene erdolcht wird. Damit nicht genug, die junge Prinzessin wird ebenfalls entführt. Warum die überall postierten Wachen, nicht zum lauten Kampflärm herbeieilen, wird erst klar, als der Spionage-Minister Hiram Burrows Corvo beschuldigt, die Kaiserin ermordet zu haben, und sich selbst zum neuen Herrscher ernennt. Der ehemalige Leibwächter soll als Sündenbock seinen Hals für den erfolgten Staatsstreich hinhalten, um dem geknechteten Pöbel die Rechtmäßigkeit der neuen Regierung vorzugaukeln. Er verliert alle seine Titel und wird ehrlos hingerichtet werden, wenn nicht ein Wunder geschieht.

Die Hoffnung

Das unerwartete Wunder bei einer zweifelhaften Machtergreifung ist oftmals die Opposition in Form eines organisierten Rebellenwiderstandes. Die Getreuen der Kaiserin helfen dem Protagonisten Corvo, den der Spieler fortan steuert, aus seiner Gefangenschaft zu entfliehen, und beauftragen ihn anschließend, einige Zielpersonen zu erledigen, die dem Inselreich durch ihre Taten schaden. Nur allzu gerne hilft der Held seinen neuen Verbündeten, denn er hat der sterbenden Kaiserin versprochen, ihre entführte Tochter wiederzufinden und schließlich Ordnung ins Reich einkehren zu lassen. Zusätzliche Unterstützung erhält der Held von einem mysteriösen Traumwesen, das sich "Außenseiter" nennt, indem es den Entehrten mit seinem Mal kennzeichnet und ihm damit die Gabe verleiht, magische Fähigkeiten nutzen zu können. Dabei betont der unerwartete Helfer, dass der Protagonist seine Gunst nur erhalten hat, weil dessen interessantes Schicksal der persönlichen Belustigung des Geistes dient. Dementsprechend soll es auch Widersacher geben, die ebenfalls besondere Fähigkeiten besitzen. Außerdem erhält Corvo ein magisches Artefakt in der Form eines mechanischen Herzen, das ihn zu mächtigen Knochenfragmenten führt, die wiederum sein Repertoire an aktiven oder passiven Begabungen erweitern beziehungsweise optimieren.

Welche übermenschlichen Vorteile bringt nun der unfreiwillige Pakt mit dem "Außenseiter"? Die erste und vermutlich wichtigste Befähigung, die Corvo erhält, heißt "Blinken" und ist mit dem "Shunpo" aus dem japanischen Manga "Bleach" vergleichbar. Dabei teleportiert sich der Held auf kurze Distanz und weicht auf diese Weise Gegnern aus oder überwindet Hindernisse, für die seine Sprungkraft alleine nicht ausreichen würde. Später kann man dann auf weitere spektakuläre Skills zurückgreifen, die beispielsweise die Zeit verlangsamen oder es sogar erlauben, Besitz von lebenden Wesen zu ergreifen und in fremder Gestalt Barrieren zu überwinden, die für den Protagonisten sonst unüberwindbar wären. Der Spieler ist gut beraten, mit seinen Fähigkeiten zu experimentieren, um einerseits viel Spaß an "Dishonored" zu haben und andererseits neue Lösungsansätze für seine Missionen zu finden. Die Vielfalt an Möglichkeiten, einen Auftrag erfolgreich abzuschließen, übersteigt sogar "Deus Ex 3" und das soll schon etwas heißen. Je nachdem, ob der Spieler leise schleichend seine Ziele erfüllt oder sich eher wie ein Massenmörder durch die gegnerischen Reihen schnetzelt, verändert sich zusätzlich die Spielumgebung und wird beispielsweise im letztgenannten Fall chaotisch düster. Man braucht nicht viel Fantasie, um zu erahnen, dass dies kein gutes Ende nehmen wird.

Sowohl die Magie als auch die trickreichen Waffen, die der Protagonist von einem anderen Nichtspielercharakter erwerben darf, sind bitter nötig, um sich erfolgreich gegen die Schergen des ehemaligen Spionageministers durchsetzen zu können. Der Bösewicht hat nämlich das Militär und einen verrückten Wissenschaftler auf seiner Seite, die ihn mit gewaltbereiten, bis an die Zähne, futuristisch bewaffneten Soldaten versorgen. Obwohl Corvos Klappklinge, Mini-Armbrust sowie Pistole auf den ersten Blick als ein geradezu harmloses Arsenal erscheinen, lernt man als Spieler diese Tötungswerkzeuge erst kennen und dann lieben, denn mit entsprechenden Erweiterungen, die mit gefundenem oder gestohlenem Geld gekauft werden können, sowie modifizierter Munition werden diese Waffen äußerst tödlich für die nichts ahnenden Gegner. Besonders harte Brocken, wie zum Beispiel die "Talboys" – Söldner auf mechanischen Stelzen, die mit gefährlichen Kompositbögen bewaffnet sind –, stellen dank Handgranaten auch kein unüberwindliches Problem dar. Wahre Schleichnaturen werden jedoch einen Weg finden, ungesehen an besonders gefährlichen Feinden vorbeizukommen, zumal eine Entdeckung oftmals mit dem vorzeitigen Ableben des Helden gleichzusetzen ist, weil alle Wachen in der Nähe ihn gemeinsam mit tödlicher Effizienz bekämpfen.

Der Rächer

Die Steuerung sowie die Ego-Perspektive von "Dishonored" erinnern stark an die "Bioshock"-Reihe, bei der eine Hand des Protagonisten eine Fernwaffe oder magische Kraft lenkt, während die andere eine Nahkampfwaffe trägt, die er selbstverständlich bei Bedarf einsetzt. Die Angriffe aus der Entfernung sind genretypisch für Ballerspiele, neu ist dagegen der Kampf aus nächster Nähe, der sich durchaus als anspruchsvoll erweist. Aus dem Hinterhalt oder beim "Falken-Sprung" von einer Anhöhe werden Corvos Opfer sofort erdolcht, doch bei einer Entdeckung muss der Held buchstäblich die Schwerter kreuzen, um einerseits Schläge abzuwehren und andererseits den daraufhin strauchelnden Feind mit einer Parade auszuschalten. Sollte die Spielfigur trotz aller Vorsicht eine Verletzung erleiden, so kann diese entweder durch Nahrungsaufnahme oder wiederum mithilfe einer magischen Heilkraft die Lebensenergie regenerieren. Sobald der Hauptcharakter stirbt, endet jedoch das Abenteuer und muss von einem vorher angelegten Speicherpunkt fortgesetzt werden.

Das Zwielicht

Die grafische Präsentation von "Dishonored" hinterlässt zwiespältige Gefühle. Man wundert sich zunächst, dass trotz der vergleichsweise hohen Hardware-Anforderungen an den Computer für die Darstellung des Titels eine Grafik-Engine benutzt worden ist, die auf den ersten Blick dem zwei Jahre alten "Bioshock 2" ähnelt. Sowohl die Nichtspielercharaktere als auch die Umgebung sind zeichnerisch abstrakt überbetont, sodass vermutlich mit Absicht jegliche Realitätsnähe vermieden wird, um nicht wegen der gewalttätigen Inhalte auf dem Index der Jugend- sowie inzwischen auch Erwachsenenschutzbehörde zu landen. Eine längere Beschäftigung mit dem Spiel fördert jedoch zutage, dass der Hardware-Hunger mit der hervorragenden Optik sowie den zugehörigen physikalischen Effekten zu erklären ist. So kann der Spieler beispielsweise durch ein Schlüsselloch in benachbarte Zimmer sehen und erfährt dabei die äußerst realistisch dargestellte verzerrte Sicht durch eine kleine Öffnung. Darüber hinaus kann man mit einer großen Anzahl an Objekten physikalisch korrekt interagieren.

Die Stille

Obwohl die Hintergrundmusik des Titels durchaus für die passende Schleich- bzw. Kampfstimmung sorgt, ohne dabei den Spieler zu nerven, werden die meisten Zocker sie abstellen, um mehr auf die Hintergrundgeräusche in "Dishonored" achten zu können. Die Sound-Effekte sind nämlich ein essenzieller Teil des Schleichabenteuers, sie künden zum Beispiel nahende Gegner an, verraten dem Protagonisten beim Belauschen von Gesprächen wichtige Hinweise und warnen ihn vor drohenden Gefahren. Ähnlich qualitativ hochwertig ist die deutsche Synchronisation ausgefallen, bei der alle Nichtspielerfiguren passend zu ihrem Aussehen von professionellen Schauspielern gesprochen worden sind.

 

- Windows Vista / 7

- 3-GHz-Dual-Core

- 3 GB RAM

- Grafikkarte: DirectX-9-kompatibel mit 512 MB RAM (ab NVIDIA GeForce GTX 460 / ATI Radeon HD 5850)

- DVD-ROM-Laufwerk / Internet-Breitbandverbindung (Installation)

- mind. 9 GB freier Festplattenspeicher

- Windows-kompatible Soundkarte (unterstützt: 64-bit, Multicore)

 


Fazit

Ehre, wem Ehre gebührt! "Dishonored" hat mich positiv überrascht, denn nach "Deus Ex 3" hatte ich in nächster Zeit nicht erwartet, ein gutes Schleichabenteuer spielen zu können, bei dem so viele unterschiedliche Lösungswege zum geforderten Missionsziel führen. Ich wurde zu meinem eigenen Glück eines Besseren belehrt. Dieser Titel hat meiner Meinung nach alles, was ihn zu einem Hit des Jahres 2012 machen könnte: eine packende Story, die stark vom Spieler beeinflusst wird, mit unvorhersehbaren Wendepunkten, eine innovative, situationsbedingte Kampfsteuerung, eine spannende Welt voller Geheimverstecke mit Extras, herausfordernde Gegner mit intelligentem Verhalten und dazu noch eine hervorragende Inszenierung, die leider mit hohen Hardware-Anforderungen erkauft werden musste. Wer sich dieses Spiel nicht selbst kauft, sollte es zumindest auf seine Wunschliste für Weihnachten setzen, um sich diesen großen Spaß nicht entgehen zu lassen. (30.11.12)


Kommentare:
Der Kommentar wurde gespeichert!
The Captcha element applies the Captcha validation, which uses reCaptcha's anti-bot service to reduce spam submissions.

Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored
Dishonored