Pro Evolution Soccer 2009 (Konami) geschrieben von Sebastian E.R. Hör
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Ein Aufsteiger aus dem Badischen mischt die Liga auf, bezaubert Fußball-Ästheten mit berückendem Tempofußball und führt so nebenbei auch manch selbst ernannten Favoriten an der Nase herum durch den Sechzehner. Bei der Europameisterschaft 2008 besiegte die in Play-off-Spielen traditionell versagende spanische Nationalmannschaft mit einer überzeugenden Leistung nicht nur die beste Turniermannschaft der Welt, Deutschland, und wurde verdient Europameister, sondern verzückte das Publikum während des gesamten Turniers auch durch hervorragend vorgetragene Spielzüge und Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor. Kurz gesagt: Steinzeitfußball der Marke Griechenland scheint ausgestorben. Auf dem virtuellen Platz hingegen beharken sich schon seit Jahren Konamis Platzhirsch "Pro Evolution Soccer" und EAs ehemaliger Serienmeister "FIFA". In den letzten Jahren schien der Abstand zwischen den beiden Spielen wieder kleiner zu werden; "PES 08" verärgerte die Fans durch Schwächen, die in vorangegangenen Teilen unbekannt waren: Zu hektisches Spielgefühl, unrealistische Ballphysik und schablonenhaft vorgetragene Angriffe, die fast immer zum Torerfolg führten. Chefentwickler "Seabass" nahm sich die Kritik der Fans zu Herzen und gelobte für den neuen Teil "Pro Evolution Soccer 2009" Besserung. Ob dieses Gelöbnis nur ein Lippenbekenntnis war, erfahren Sie in unserem Test. Neue Modi braucht das Spiel Natürlich kommt selbst ein Spiel, das sich dem relativ zeitlosen Fußballsport zuwendet, nicht gänzlich ohne Neuerungen aus. Solcherlei Innovationen betreffen nicht nur die Spielmechanik, die dafür Sorge tragen soll, das Spielgefühl noch realistischer zu gestalten, sondern auch neue Modi, um zur Optionsfülle des großen Konkurrenten aufschließen zu können. Dementsprechend kommt "PES 09" mit zwei brandneuen Modi daher: "UEFA Champions League" und "Werde zur Legende". Worum es sich bei ersterem handelt, ist jedem Fußballfan selbstverständlich ein Begriff: Es geht um den bekanntesten, prestigeträchtigsten und profitabelsten Vereinspokal Europas. Um ihn zu gewinnen, wählen Sie eine der vom Spiel vorgegebenen Mannschaften, oder suchen sich eines der übrigen lizenzierten Teams aus Europas Topligen aus. Dann starten Sie in die Gruppenphase, in der es gilt, sich im Duell mit drei anderen Mannschaften einen der ersten beiden Plätze zu sichern, um ins Achtelfinale einzuziehen. Sie können die Gruppen selbst zusammenstellen oder mit der vom Programm vorgegebenen Konfiguration vorlieb nehmen. Ärgerlich hierbei ist übrigens, dass nicht alle in der Champions League vertretenen Mannschaften Eingang ins Spiel gefunden haben: Nicht ein deutscher Verein ist in "PES 09" vertreten. Das ist umso verwunderlicher, als dass zumindest der FC Bayern München in den beiden Vorgängerteilen vertreten war. Schlachtenbummlern, die ihren Herzensverein nicht missen möchten, sei daher ein Bundesliga-Patch von einer der zahlreichen Fanseiten ans Herz gelegt. Wie auch immer: Nach erfolgreichem Abschluss der Gruppenphase (sollten Sie übrigens darauf spekulieren, wie in der Realität durch das Erreichen des dritten Tabellenplatzes im UEFA-Cup zu landen, sollten Sie sich auf eine Enttäuschung gefasst machen) geht es in die K.O.-Runde. Hier bekommen Sie einen der anderen Erst- oder Zweitplatzierten zugelost und ermitteln in Hin- und Rückspiel, wer in die nächste Runde einziehen darf. So geht es weiter bis zum Finale, das in nur einem Spiel ausgetragen wird und an dessen Ende man den ersehnten Pokal in den Nachthimmel recken darf. Kurzum: Der Wettbewerb als solcher ist absolut realitätsgetreu nachgebildet, inklusive der entsprechenden offiziellen Champions-League-Logos, aber dadurch, dass nicht alle Mannschaften der diesjährigen Saison vertreten sind, verliert er etwas an Charme. Außerdem: Mit dem "Liga&Pokal"-Modus kann man sich genauso gut seine eigene Champions League basteln und muss dabei nur auf die ohnehin nicht sonderlich ansehnliche Henkeltrophäe verzichten. Werde zur Legende - oder drücke die Ersatzbank Massiv beworben wurde im Vorfeld der neue Modus "Werde zur Legende". In Japan gab es ihn bereits in "PES 08", nun kommt er also endlich auch für die europäische Spielergemeinde. "FIFA"-Spieler kennen ihn bereits, und auch jene, die sich eher im Manager-Genre heimisch fühlen, dürften eine ähnliche Variante im "Fussball Manager" bereits kennengelernt haben: Sie lenken die Geschicke eines einzelnen Spielers, dessen Position und Aussehen Sie vorher festlegen dürfen, und versuchen ihn zu europäischen Topvereinen zu lotsen und natürlich auch jede Menge Pokale einzuheimsen. Zu Beginn Ihrer kometenhaften Karriere als bester Spieler der Welt legen Sie zunächst Ihren Namen und die Beschriftung Ihres Trikots fest. Sollten Sie das Glück haben, einen Allerweltsnamen zu tragen oder zufällig so zu heißen wie einer der in "PES 09" lizenzierten Spieler, dürfen Sie sich sogar über eine Namensansage freuen. Danach legen Sie Ihre Nationalität, den bevorzugten Spielfuß und die Verletzungsanfälligkeit fest, anschließend Ihre Hauptposition. Sodann dürfen Sie Ihr Alter Ego noch Ihrem eigenen Aussehen entsprechend anpassen (seltsamerweise unterstützt "PES 09" keine Darstellung für ausgeprägte Bierbäuche) und entscheiden, in welcher Liga Sie spielen möchten. Es besteht außerdem die Möglichkeit, wie aus dem "Meister-Liga"-Modus bekannt, die Ligenzusammensetzung entsprechend abzuändern. Haben Sie alles zu Ihrer Zufriedenheit erledigt, beginnt das Schaulaufen für die großen Klubs Europas: In Ihrem ersten Spiel treffen Sie, derzeit noch für einen Dorfverein tätig, auf eine andere Provinztruppe und versuchen sich durch Ihre Leistungen für andere Teams zu empfehlen. Zu Beginn ist das allerdings noch etwas gewöhnungsbedürftig; so müssen Sie, je nach Position, nicht nur darauf achten, diese auch zu halten, um nach dem Spiel eine entsprechende Benotung zu erzielen, sondern auch mit der veränderten Kameraperspektive klarkommen. Selbstverständlich ist es möglich, eine andere zu wählen, doch aus Übersichtsgründen empfiehlt sich tatsächlich die vertikale Perspektive, die Ihnen das Spielgeschehen aus Sicht des eigenen Tores zeigt. Generell spielt sich der "Werde zur Legende"-Modus, sobald man sich einmal an die Eigenheiten der Kameraperspektive gewöhnt hat, nicht anders als jeder andere, mit dem Unterschied, dass Sie nur die Kontrolle über Ihr Alter Ego ausüben. Das bedeutet natürlich auch, dass Sie als Mittelstürmer nicht nach Lust und Laune die Bälle über das Tribünendach jagen sollten, denn das schadet nicht nur Ihrer Bewertung, sondern verringert auch die Bereitschaft Ihrer Mannschaftskameraden, Sie anzuspielen - und das ist, je nach Position, problematisch. Sind Sie beispielsweise gelernter Verteidiger und Sie spielen gegen einen schwachen Gegner, hängen Sie nahezu beschäftigungslos in der eigenen Hälfte herum; umgekehrt gilt das natürlich auch als Stürmer bei besonders starken Gegnern. Haben Sie Ihr Schaulaufen absolviert, erhalten Sie drei Angebote von mittelmäßigen Klubs aus der gewählten Liga. Im Falle der Serie A handelt es sich beispielsweise um Mannschaften wie Atalanta Bergamo, AC Siena und US Lecce. Egal, für welches Angebot Sie sich entscheiden, läuft es zunächst auf dasselbe hinaus: Sie absolvieren ein paar Trainingsspiele für die B-Mannschaft, um sich dabei für Kurzeinsätze in der ersten Mannschaft zu empfehlen. Das kann, abhängig von Ihrer Leistung, durchaus ein paar Matches dauern. Haben Sie dann den Sprung in den A-Kader geschafft, dürfen Sie für die ersten Partien erst einmal auf der Ersatzbank Platz nehmen. Haben Sie Glück, werden sie etwa zwanzig Minuten vor Spielende eingewechselt, wenn nicht, dürfen Sie sich das Tun und Lassen ihrer Mannschaftskameraden von der komfortablen Bank aus ansehen. Toll! Zum Glück gibt es die Vorspul-Option, die es Ihnen erlaubt, den Spielverlauf auf maximal doppelte Geschwindigkeit zu beschleunigen, während Sie draußen sitzen. Sobald Sie eingewechselt werden, schaltet "PES 09" automatisch auf normale Geschwindigkeit zurück. Um Ihre Fähigkeiten zu spezialisieren, können Sie überdies Fokuspunkte auf bestimmte Eigenschaften, wie etwa Schnelligkeit setzen - diese Werte erhöhen sich nach Einsätzen stärker als die anderen. So werden Sie nach und nach zum Stammspieler avancieren, Angebote größerer Klubs erhalten und Titel mit Ihnen erringen. "In einem Jahr habe ich mal 15 Monate durchgespielt." - Franz Beckenbauer Ja, schon Deutschlands einzige offiziell anerkannte Lichtgestalt wusste: Zu viele Spiele nacheinander gehen an die Substanz. Und damit kommen wir nun zu dem, was die "PES"-Welt im Innersten zusammenhält - jedenfalls für die hart gesottenen "PES"-Fans, die dem ganzen Firlefanz mit den neuen Modi nichts abgewinnen können und lieber wissen möchten, ob sich denn im Gameplay wenigstens teilweise etwas verbessert hat. Also, kurz und knackig: es hat! Kommen wir nun also zu den wichtigsten Verbesserungen für Liebhaber des traditionellen Kicks gegen menschliche Spieler und für "Meister-Liga"-Enthusiasten. Dem ungeübten Auge offenbaren sich die Detailverbesserungen, die "PES 09" im Gegensatz zum Vorgängertitel zu einem würdigen Erbe des in Ehren ergrauten "PES 6" machen, nicht auf den ersten Blick; Kenner hingegen werden zuerst fluchen, und sie dann zu schätzen wissen. Beispielsweise wurde das Passsystem verändert, so dass nun atemberaubender One-Touch-Football der Marke Spanien oder Hoffenheim zelebriert werden kann. Statt sich inflationär der Pässe in den leeren Raum zu bedienen, um schnell das Mittelfeld zu überbrücken und Stürmer in Position zu bringen, genügt nun ein einfacher Pass zum nächsten Mitspieler. Das Problem dabei: Man muss wirklich präzise in die richtige Richtung drücken, optimal zum Ball stehen und auch darauf achten, dass man dem beabsichtigten Passempfänger den Ball nicht in den Rücken spielt - sonst mündet der geplante Traum- in einem haarsträubenden Fehlpass. Das ist realistisch und geht nach einer gewissen Eingewöhnungszeit auch leicht von der Hand. Eine weitere Veränderung gegenüber dem stark arcadelastigen "PES 08": Das Spiel ist wieder bedeutend langsamer geworden, vom Gefühl her ähnelt es stark dem von "PES 6". Sehr erfreulich für jene, die dem hektischen Wirrwarr genauso wenig abgewinnen konnten wie der teilweise flummiartigen Ballphysik, die ebenfalls überarbeitet wurde und wesentlich realistischer wirkt. Die Tackling-Technik in der Defensive hingegen wurde vom Vorgänger übernommen, aber das ist nicht schlecht, denn Abwehraktionen gestalten sich nun deutlich einfacher als noch in "PES 6", in dem man meistens mit der guten, alten Jürgen-Kohler-Gedächtnis-Grätsche zu Werke gehen musste, um den Gegner vom Spielgerät zu trennen. Auch die Ecken sind nicht mehr so leicht einzunetzen wie noch in "PES 08", dafür wurden die Freistöße erleichtert, wenn auch in erträglichem Maße. Ach, und von der bescheuerten Perspektive beim Elfmeter wurde auch wieder Abstand genommen. Wermutstropfen ... ... gibt es natürlich auch. Beispielsweise dann, wenn Sie, wie von den Vorgängern gewohnt, einen Rückpass zu Ihrem Torhüter spielen, um den Ball mittels der "Flanken"-Taste aus dem Strafraum zu bolzen. Denn drücken Sie zu früh, grätscht Ihr Schlussmann in die vermeintlich harmlose Rückgabe - besonders dumm, wenn ein gegnerischer Stürmer in der Nähe steht. Auf das Problem mit der Lizenzierung der Champions-League-Mannschaften wurde bereits eingegangen, wiewohl Konami dazu einen umfangreichen Patch versprochen hat, der einige Mannschaften nachreichen soll. Außerdem hat sich ein ärgerlicher Speicherbug eingeschlichen, der mitunter dazu führen kann, dass automatisch gespeicherte Spielstände nicht mehr funktionieren. Dieses Problem konnte auch mit dem ersten Patch noch nicht behoben werden, so dass es sich empfiehlt, oft manuell abzuspeichern. Stadionatmosphäre Die Grafik, früher Schwachpunkt der "PES"-Reihe, hat erneut einen Sprung nach vorne gemacht: Die Spieler bewegen sich einen Tick realistischer, die Stadien sind noch schöner geworden, und der auf den Rasen prasselnde Regen ist deutlich erkennbar. Auch die Inszenierung im Allgemeinen ist hervorragend gemacht - das unübersichtliche Menü des Vorgängers wurde wieder abgeschafft und durch eine herunter scrollbare Optionsliste ersetzt. Die Präsentation der Wettbewerbe und Ligen kann sich sehen lassen, wenngleich sie nicht ganz an den Pomp und Protz eines "FIFA" heranreicht. Nichtsdestotrotz: In grafischer Hinsicht braucht sich "PES 09" vor dem Konkurrenten aus dem Hause Electronic Arts wirklich nicht mehr zu verstecken. "Niall Quinns Disco Pants are the best Bereits in "PES 08" wurde der Trend erkennbar, es "FIFA" gleichzutun und schöne, eingängige Songs aus mehreren Genres als Menümusik zu verwenden. Natürlich hört sich das wesentlich besser an als das Pornofilmgedudel von "PES 6", aber dem Mitbewerber um den Genrethron kann "PES 09" in dieser Hinsicht nicht das Wasser reichen. Überhaupt, der Sound: Die Kommentatoren haben sich ein paar neue Sprüche zugelegt und klingen vertraut und gleichzeitig einigermaßen erfrischend. Aber was ist mit dem Torjubel passiert? Der ist dermaßen leise geworden, dass man kaum glauben mag, man spiele gerade in einem voll besetzten Stadion ein Derby gegen den Lokalrivalen aus. Das ist sehr schade, weil der Atmosphäre abträglich.
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