Big Brain Wolf (Astragon) geschrieben von Knud Baier
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Wölfe sind blutrünstig. Wölfe sind brutal. Wölfe sind böse ... Aber genug über die Sekte aus dem 2009 erschienenen Spiel "Wolfenstein", schließlich spielt sich die Handlung von "Big Brain Wolf", dessen Originalfassung ebenfalls 2009 veröffentlicht wurde, in einer bunten Märchenwelt ab. Astragon bringt nun pünktlich zum Weihnachtsgeschäft eine ins Deutsche übersetzte Fassung in die Händlerregale. Die Rotkäppchen-Verschwörung Nein, hier geht es nicht um krumme Geschäfte im Umfeld der größten deutschen Sektkellerei, sondern um einen Mord, der die Märchenwelt von "Big Brain Wolf" erschüttert hat: Königin Rotkäppchens Großmutter wurde gefressen und Mama Wolf ist als Hauptverdächtige verhaftet worden! Der Spieler schlüpft in die Rolle des Sohnemanns, der für einen Wolf nicht untypischer sein könnte. Der Big Brain Wolf ist nämlich Asthmatiker sowie Vegetarier und steht obendrein noch kurz vor seinem Abschluss als Diplom-Dschinn. Die Bezeichnung "Dschinn" steht allerdings eher für "Genie", denn über Zauberkräfte verfügt der Wolf nicht.
Der Wolf zieht also hinaus in die Märchenwelt, um die Unschuld seiner Mutter zu beweisen, und stößt dabei auf andere Märchenfiguren wie Pinocchio, die drei Schweine oder den gestiefelten Kater. Gekrönt wird die kuriose Geschichte noch dadurch, dass der Wolf sich in die Anführerin der Schwarzen Schafe, einer militanten Untergrundorganisation, verliebt und ihrer Organisation mit helfender Pfote beisteht. Rätsel und Gehirntraining "Big Brain Wolf" wird zwar als Adventure bezeichnet, hat aber mit den Genrekollegen nur wenige Gemeinsamkeiten: Der Spieler kann mit der Maus auf Gegenstände und Charaktere klicken, um mit ihnen zu interagieren, und in einigen Dialogen stehen mehrere Gesprächsthemen zur Auswahl - das war's dann auch schon. Frei im Raum bewegen lässt sich der Wolf nicht, dafür erscheinen an den Bildrändern kleine Pfeile, mit denen der Wolf an einen anderen Ort geschickt werden muss. Ein Inventar oder eine Auswahl an Aktionsverben oder anderen Fähigkeiten gibt es ebenfalls nicht.
Das Spiel ist in fünf Kapitel gegliedert, in denen jeweils vier Szenen besucht und bis zu 12 Rätsel gelöst werden können. Alle Rätsel werden dabei aus der eigentlichen Spielsituation herausgelöst und auf sehr abstrakter Ebene betrachtet. Das mag vielleicht die Abstraktionsfähigkeiten der Spieler stärken, lässt die Rätsel im Spiel aber zumeist einfach nur aufgesetzt wirken. Einige der Rätsel lassen sich ohne jede Anstrengung durch Versuch und Irrtum lösen - beispielsweise wenn nach einer Zahl gefragt wird - und an anderer Stelle wird man durch extrem fordernde oder fehlerhafte Rätsel in den Wahnsinn getrieben. In solchen Fällen kann der Spieler glücklicherweise auf eine dreistufige Tippfunktion zurückgreifen, bei der allerdings jeder Hinweis mit einem Schlüssel erkauft werden muss. Zu Beginn des Spiels stehen dem Spieler nur drei solcher Schlüssel zur Verfügung, allerdings können in einigen Übungen zum Gehirntraining jederzeit weitere Schlüssel erspielt werden.
In den Übungen muss man beispielsweise unter Zeitdruck Muster erkennen, Widersprüche zwischen einer geometrischen Form und deren Beschreibung erkennen oder sich eine Reihe von Ereignissen merken. Um besagte Übungen überhaupt starten zu können, muss man entweder Glück haben oder sich schon sehr geschickt anstellen: Bei fast jeder der sechs Übungen kann es passieren, dass nach einem Klick auf "spielen" entweder das Tutorial zur Übung gestartet wird, oder überhaupt nichts passiert. Um das Problem zu umgehen, muss man sich durch die Erklärungen navigieren und an dessen Ende schnell auf "spielen" klicken, bevor das Tutorial wieder ausgeblendet wird. Solche Macken hätten nun wirklich nicht sein müssen. Technik Das Spiel präsentiert sich in technischer Hinsicht einfach nicht mehr zeitgemäß: Fehlende Sprachausgabe und eine Bildauflösung von 1024 mal 768 Bildpunkten wirken in Zeiten von Hörbüchern und hochauflösenden Breitbild-Monitoren irgendwie deplatziert. Von einem weniger als 40 Megabyte kleinen Spiel sollte man aber auch nicht zu viel erwarten. Die zweidimensionale Comicgrafik an sich geht mehr als in Ordnung, denn die Charaktere bewegen sich so flüssig wie in kaum einem anderen Adventure. Hier merkt man im positiven Sinne, dass hinter der Fassade die Technik einer Flash-Animation arbeitet. Die optische Qualität lässt sich in drei Stufen regeln, was eigentlich nur Einfluss auf den Grad der Kantenglättung hat. Auf der höchsten Stufe läuft das Spiel aber auch auf moderner Hardware stellenweise sehr langsam. Allein schon weil "Big Brain Wolf" bei Astragon nicht in die Kategorie der Wimmelbildspiele oder Casual Games gerutscht ist, sondern als Adventure bezeichnet wurde, hatte ich mir mehr von dem Titel erwartet. Wenn man sich aber auf das Spiel einlässt, wird man durch die Geschichte nett unterhalten und von den Puzzles geistig gefordert. Die Übungen zum Gehirntraining wären eine nette Dreingabe, wenn sie denn ordnungsgemäß funktionierten. Wer total auf geometrische Puzzles, Schach-Rätsel und ähnliche Sachen steht, kann gern zugreifen. Spielerinnen und Spieler, die ein "richtiges" (und fehlerfreies) Adventure suchen, können "Big Brain Wolf" getrost ignorieren. (16.12.2011)
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