Starpoint Gemini

Starpoint Gemini

(Iceberg Interactive)

geschrieben von Witali Blum

 

 
Entwickler: Little Green Men Games
Publisher: Iceberg Interactive
Genre: Rollenspiel, Echtzeit-Strategie
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Starpoint Gemini
Preis: 29 €
Altersfreigabe: Freigegeben ab 12 Jahren gemäß §14 JuSchG

Während in den letzten Monaten viele Titel aus dem Science-Fiction-Genre eher schießwütiger Natur waren, wie etwa "Section 8: Prejudice" oder "Crysis 2", verspricht "Starpoint Gemini" eine unterhaltsame Mischung aus Action-Strategie und Rollenspiel zu werden. Lesen Sie im folgenden Test, ob dieser Genre-Mix den Entwicklern gut gelungen ist und wirklich Spaß beim Durchfliegen der unendlichen Weiten des Weltalls aufkommt.

„Das Imperium schlägt zurück“ (George Lucas)

Die Geschichte von "Starpoint Gemini" spielt, wie der Name bereits andeutet, in den Sternsystemen des Sternbilds Zwillinge (lat., Gemini für Zwillinge), die in ferner Zukunft Kolonien eines riesigen Raumfahrtimperiums sein sollen. Das Schicksal der weit entfernten Siedlungen wird von einem autoritären Direktorium gelenkt, das ähnlich wie das ehemalige Britische Empire den Großteil der Profite im Weltraumhandel durch illegitime Steuern einstreicht und den hart arbeitenden Siedlern nicht einmal Mitspracherecht in der Verwaltung gewährt. Da braucht man sich nicht wundern, dass sich ziemlich schnell Widerstand formiert und schließlich ein Unabhängigkeitskrieg ausbricht.

Nach langen und verlustreichen Gefechten treibt die neugegründete Gemini-Liga die Flotte des Kolonialdirektoriums zurück in den Sector Zero, in dem die Besiedlung des Weltraums ihren Anfang genommen hat. Doch gerade als die Freiheitskämpfer den Krieg zum Feind tragen wollen, setzen die ehemaligen Unterdrücker eine furchtbare Waffe ein, die das Hyperraum-Tor zum Heimatsystem kollabieren lässt, so dass keine Angreifer hinübergelangen können. Darüber hinaus pulverisiert die bei diesem Prozess freiwerdende Energie sämtliche Planeten und Schiffe im Zugangssystem. Die Kolonisten haben zwar ihre Freiheit errungen, doch gleichzeitig den Zugang zu ihrer Heimat verloren.

Zwanzig Jahre später stellt ein Forscherteam aus den Kolonien fest, dass die Katastrophe am Zugangstor zu Sector Zero nicht nur Vernichtung, sondern auch ungewöhnliche physikalische Phänomene mit sich gebracht hat. Zahlreiche Anomalien breiten sich über das Gemini-Sternsystem aus, von denen einige konservierte Geheimnisse bergen. In so genannten Hyperraumspalten, die vergleichbar mit einer anderen Dimension sind, befinden sich nämlich Raumschiffe in Starre, die an der großen Schlacht vor zwanzig Jahren teilgenommen hatten und vermeintlich durch die Explosion des Tores zerstört worden sind. Die größte Überraschung erwartet jedoch die Forscher, als sie eines der Vehikel aus seinem interdimensionalen Gefängnis befreien – die Besatzung hat die Zeit ebenfalls unberührt überstanden.

Zunächst ist der Kapitän des geborgenen Raumschiffs über die vielen unbekannten Schiffe in seiner Nähe alarmiert, denn schließlich hat er sich bis zuletzt in einem Gefecht mit einem verhassten Feind gewähnt. Glücklicherweise können die Wissenschaftler den Mann überzeugen, ihnen zu vertrauen. Natürlich möchte der Freiheitskämpfer zunächst wissen, was in den vergangenen zwanzig Jahren passiert ist. Die Antwort darauf gefällt ihm jedoch keineswegs: Nachdem die Gemini-Liga das Kolonialdirektorium besiegt hatte, ist sie in viele Fraktionen und Faktionen zerfallen, die ihre eigenen Ziele verfolgen, anstatt sich gemeinsam auf ein erneutes Zusammentreffen mit dem Unterdrücker vorzubereiten. Es obliegt nun dem Kapitän, weitere Verbündete – womöglich sogar unter seinen alten Kameraden in Stasis-Starre – zu suchen, um sich dem drohenden Unheil entgegenzustellen.

Spieler, die mit dem "X-Universum" vertraut sind, werden schnell feststellen, dass die Hauptgeschichte sowie Inhalte von "Starpoint Gemini", abgesehen vom Schauplatz sowie einigen anderen unwichtigen Kleinigkeiten, mindestens zu neunzig Prozent vom Titel "X³ – Terran Conflict" abgekupfert sind. Dazu zählen unter anderem der Konflikt zwischen den Weltraumkolonien und dem übermächtigen Heimatsystem, die unterschiedlichen Fraktionen, die sich gegenseitig bekämpfen, aber vor allem der erzählerische Kunstgriff eines zu Beginn unzugänglichen Hyperraum-Tores, hinter dem bereits der Feind lauert.

„Angriff der Klonkrieger“ (George Lucas)

In "Starpoint Gemini" schlüpft der Spieler in die Rolle des Kapitäns aus dem Gemini-Konflikt, der zwanzig Jahre seiner Lebenszeit nachzuholen hat. Die Spielfigur muss zu Beginn der Kampagne mit dem Charaktereditor erstellt werden, wobei man feststellt, dass die Möglichkeiten, sein digitales Alter Ego zu individualisieren, eher beschränkt sind. Das Kopfmodell bleibt immer gleich und nur die Accessoires, zu denen auch die Haare gezählt werden können, sind variabel. Diese Tatsache allein wäre nur halb so schlimm, wenn nicht sämtliche NPCs in "Starpoint Gemini" mit dem gleichen Editor erstellt worden wären. So wird das Gemini-Sternsystem von Klonen beherrscht, die alle zumindest vom Aussehen her Brüder des Protagonisten sein könnten.

Zu Beginn muss man sich für eine erste Spezialisierung als Raumschiffkapitän entscheiden, die später Vorteile, wie etwa ein schnelleres Nachladen der Waffen oder einfachere Navigation im Weltraum, bringen soll. Zusätzlich erhält der Spieler für die meisten Aktionen in "Starpoint Gemini" – Handeln, Kämpfen und Objekte scannen – Erfahrungspunkte, die letztendlich zu einem Stufenaufstieg führen. Jede Beförderung bringt Fertigkeitspunkte mit sich, die über eine Talenttabelle in unterschiedliche Fähigkeiten investiert werden können. Zum Beispiel ist es möglich, einen Skill zu erwerben, der die Sprengkraft der Raketen dank eines nuklearen Sprengsatzes erheblich steigert. Außerdem dürfen dieselben Befähigungen zwei weitere Male verbessert werden, wobei deutlich mehr Fähigkeitspunkte benötigt werden – zwei Punkte für Stufe zwei und drei für Stufe drei, was insgesamt sechs Aufstiegslevels entspricht. Ferner erhält der Spielercharakter alle fünf Stufen einen neuen Rang und darf sich beim nächsten Andocken an eine Raumstation für eine weitere passive Spezialfähigkeit entscheiden.

Leider gehen die gut durchdachten Rollenspiel-Elemente, zu denen auch das Wechseln der Schiffsausrüstung, wie Waffen, Systeme oder Schilde, zählen, in der langweiligen Spielweise des Titels unter. Alle Missionen lassen sich nämlich auf drei Grundaktionen reduzieren. Zuerst soll der Spieler Objekte mit seinem Scanner analysieren, indem er sich einem Ziel bis auf die effektive Reichweite seines Radars nähert und es mit einem Tastendruck durchleuchtet. Danach kann er entweder gefundene Sachen auf sein eigenes Vehikel beamen oder Personal transferieren, um beispielsweise Reparaturen durchführen zu lassen. Als dritte Spielaktion bleiben nur noch aggressive Verhandlungen mit Waffengewalt. Dabei sind die Handgreiflichkeiten ziemlich unspektakulär, denn der Spieler muss nur darauf achten, dass die Schussreichweite sowie der Zielwinkel der Zerstörungswerkzeuge stimmen, indem er sein Gefährt per Mausklicks mit der richtigen Seite hinmanövriert. In der Regel braucht man nicht einmal die Schub-Triebwerke zu bemühen, weil die KI-Gegner meistens selbst vor geladene Knarren fliegen.

Die Besonderheit, einzelne Systeme eines Feindes gezielt aufs Korn zu nehmen, bleibt oft ungenutzt, weil sie die Schadenswirkung senkt und so selbst Kämpfe gegen deutlich unterlegene Gegner unnötig in die Länge zieht. Paradoxerweise beendet man Konflikte viel schneller, wenn man feindliche Schiffe mit Truppen stürmt, die durch die aktiven Schilde hindurch teleportiert werden. Die eroberten Fahrzeuge werden anschließend mit Hilfe des Traktorstrahls zur nächsten Station transportiert und verhökert. Es lohnt sich meistens nicht, auf die unredlich erworbenen Vehikel umzusteigen, weil diese oft schwächer als das aktuelle eigene Schiff sind, denn sonst hätte man sie nicht so leicht erstürmen können. Leider sehen die Verbündeten des Protagonisten nicht ein, dass ein erobertes Schiff nicht mehr feindlich gesinnt ist, und feuern weiter aus allen Rohren darauf, selbst wenn der Spieler es gerade zum Verkauf abschleppt.

Alternativ kann man natürlich selbst die Rolle eines Piraten übernehmen und wehrlose Frachter überfallen. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Piloten der Transporter lieber im Feuerhagel untergehen, als sich nach freundlicher Aufforderung über Funk von ihren Waren zu trennen. Ein weiterer negativer Nebeneffekt ist natürlich der schlechte Ruf, den solche Raubüberfälle nach sich ziehen, und die Tatsache, dass plötzlich deutlich mehr Leute den Protagonisten tot sehen wollen. Pazifistische Naturen können sich darauf beschränken, Ausrüstung aus ausgebrannten Wracks in Asteroidenfeldern zu bergen, Rohstoffe von Planetoiden abzubauen und Anomalien zu scannen. Jedoch führt spätestens die Hauptgeschichte sie zurück aufs Schlachtfeld, wo die meisten Erfahrungspunkte zu erringen sind.

Der Spieler kommt nicht umhin, an die zahlreichen, im Gemini-System verteilten Raumstationen anzudocken: Sei es, um Reparaturen durchzuführen oder gar seine alte Gurke von Raumschiff gegen ein aktuelleres Modell auszutauschen. Jedoch erfordern die meisten Dienstleistungen viele Credits, die vor allem zu Beginn des Abenteuers mühsam verdient werden müssen. Die Investition einiger Fähigkeitspunkte in den Reparatur-Skill sowie der Erwerb eines zugehörigen Nanobot-Kits helfen, unnötige Kosten bei der Sanierung des eigenen Fahrzeugs zu vermeiden. In den Stationen erhält der Spieler Missionen, die nicht relevant für die Hintergrundgeschichte sind, dafür aber mit klingender Münze bezahlt werden. Außerdem kann der Protagonist hier bis zu vier Offiziere rekrutieren, die seine Fertigkeiten sowie die Statuswerte des Raumschiffs verbessern, dafür aber ein großes Loch in die Portokasse reißen. Einige Weltraumhabitate haben zusätzlich die Option, einen Gladiatorenkampf anzusetzen, bei dem der Spieler auf seinen Sieg wetten kann. Nach erfolgter Transaktion des Einsatzes wird das Schiff des Spielers in eine Arena ohne sichtbare Grenzen transportiert, wo er gegen einige Widersacher überleben muss. Dummerweise werden Beschädigungen aus dem Gefecht nicht automatisch repariert, so dass der Gewinn oftmals geringer als die Wiederherstellungskosten der angeschlagenen Raumschiffhülle ausfällt.

Die meiste Zeit verbringt der Spieler in "Starpoint Gemini" damit, zu warten, bis sein Schiff den gewünschten Zielort erreicht hat, weil vor allem die größeren Vehikel äußerst langsame Triebwerke haben. Mit Sehnsucht vermisst man in diesem Spiel das aus "X³" bekannte "Z-Drive", das die Zeit beschleunigt. Dafür aber kann man an einigen Stationen ein Sprungtriebwerk erwerben, dass sich das Weltraumgefährt bei aufgeladener Energie mit einem Mausklick auf der Minikarte mit einem Affenzahn zum Ziel hinbewegt, während es sämtliche Hindernisse auf dem Weg dorthin ignoriert. Leider ist diese nützliche Technologie nur innerhalb eines Sektors einsetzbar. Will man in einen anderen der fünfzig Abschnitte von Gemini reisen, muss man zum jeweiligen Hyperraumtor fliegen, das übrigens große Ähnlichkeit mit dem Massebeschleuniger aus "Mass Effect" besitzt. Allerdings sollte der Spieler darauf achten, dass keine anderen Raumschiffe vor ihm das Portal durchschreiten wollen. So bereitet sich das eigene Fahrzeug auf den Sprung vor, kann aber die Sternenpforte wegen der Blockade nicht durchfliegen. Infolge dessen kann der Kapitän das eigene Gefährt nicht lenken, sondern erlangt erst, nachdem der aktuelle Spielstand gespeichert und neu geladen wurde, die Kontrolle zurück.

„Veni, vidi, vici“ (Gaius Iulius Caesar)

Die Grafik von "Starpoint Gemini" ist nicht zeitgemäß, weil die ganze Spielumgebung wirkt, als hätte jemand versucht "X³ – Terran Conflict" (Erscheinungsjahr 2009) mit dem Editor von "Homeworld 2" (Erscheinungsjahr 2003) nachzubauen. Das Ergebnis hätte schon damals für Empörung in der Spielergemeinde gesorgt, falls jemand versucht hätte, diese Modifikation als eigenständigen Titel zu verkaufen. 2011 so etwas einem verwöhnten HD-Grafik-Publikum zu präsentieren, grenzt schon fast an Frechheit. Zusätzlich verschlechtern den allgemeinen Eindruck zahlreiche Clippingfehler, wenn beispielsweise Raumschiffe in der einzigen Bewegungsebene problemlos ineinander fliegen können, während aber ausgerechnet die nervigen Asteroiden, die immer im Flugweg sind, undurchdringbare Hindernisse darstellen und dazu noch Schilde mit einem für den Spieler unsichtbaren Wirkungsradius besitzen. Sowohl die grafischen Effekte, wie mäßige Explosionen ohne Feuer oder grelle glühende Kugeln, die Raketen sein sollen, als auch das fehlende Schadensmodell an den Raumschiffen passen zur optischen Bescheidenheit des Titels.

Immerhin haben sich die Entwickler bei der Vertonung der Hintergrundgeschichte Mühe gegeben, indem sie die meisten Dialoge von Synchronsprechern nachsprechen lassen haben. Leider wurde aber auch hier die Arbeit nicht konsequent umgesetzt, denn gelegentlich hört man einige Gespräche in Englisch. Darüber hinaus ertönen auf den langen Raumflügen Funksprüche mit sinnlosem Inhalt, die vermutlich andere Schiffe betreffen, sich aber dummerweise genauso wie die Mitteilungen des eigenen Ersten Offiziers anhören. Vor allem die fiktiven Schadensmeldungen gehen spätestens nach fünf Minuten gehörig auf die Nerven. Ebenso verhält es sich mit den Durchsagen der Raumstationen, an die der Held öfter andocken muss. Zwar versuchten die Entwickler witzig zu sein, indem sie die KI des Habitats sinnfreie Zitate aus Science-Fiction-Filmen von sich geben lassen – wie etwa "Warum tun Sie das, Dave?" (HAL 9000, 2001: Odyssee im Weltraum). Doch auch hierbei ist das Repertoire viel zu stark eingeschränkt, um auf lange Sicht hin für unterhaltsame Abwechslung zu sorgen.

Für einen stolzen Preis von knapp 30 Euro habe ich ein Spiel erwartet, das sich entweder an der aktuellen Grafik orientiert, einzigartige Spielinhalte bietet oder zumindest eine spannende Story besitzt. Leider haben bereits die ersten Spielminuten gezeigt, dass die Präsentation des Titels für heutige Verhältnisse mangelhaft ist und für sich alleine trotz des gelungenen Genre-Mixes den Verkaufspreis nicht rechtfertigt. Im weiteren Verlauf des Tests hat sich herausgestellt, dass auch die zunächst interessante Hintergrundgeschichte, die durchaus konsistent erzählt wird, vor allem viele wiederkehrende ähnliche Missionen aufweist und damit schnell langweilig wird. Ich würde daher potenziellen Käufern lieber empfehlen, ihr Geld in "X³ - Terran Conflict" zu investieren, das eine vergleichbare Handlung und dazu noch eine derartig imponierende Grafik besitzt, dass es schon fast als Weltraumsimulation durchgehen könnte.

(09.06.2011)


Fazit

– „Ceterum censeo …" (Cato Censorius)


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