Need for Speed: Shift 2 - Unleashed

Need for Speed: Shift 2 - Unleashed (PS3)

(Electronic Arts)

geschrieben von Oliver Salten

 

     
 

Electronic Arts hat in den letzten Wochen viele Versprechungen gemacht. "Shift 2 - Unleashed" soll an Realismus und Authentizität alle bisherigen Rennspiele übertreffen. Wer solche Vorgaben macht, muss sich auch gefallen lassen, dass man ihn daran misst. Ob der neueste Ableger der erfolgreichen "Need for Speed"-Reihe die hochgesteckten Erwartungen erfüllt?

Traumautos ...

Insgesamt 38 Hersteller präsentieren Ihre Wagen in "Shift 2 - Unleashed". Herausgekommen ist eine Auswahl, die das Herz eines jeden Rennspielfans höher schlagen lassen dürfte, wiewohl vermerkt werden muss, dass Ferrari nicht vertreten ist. Enthalten sind eine große Anzahl an Fahrzeugen: Straßenwagen, Sportwagen, Wagen der GT-Serie, klassische und moderne Muscle-Cars, Autos der 1980er- und 1990er-Jahre. Als Marken sind die üblichen Verdächtigen vertreten, von VW, Ford und Mercedes, die den klassischen Straßenwagen repräsentieren, über Hersteller PS-starker Boliden, wie Lamborghini und Porsche, bis hin zu Kleinherstellern, wie Gumpert oder Koenigsegg. Die Auswahl ist also groß und, was absolut positiv zu werten ist, von Anfang an verfügbar. Lästiges Freispielen der einzelnen Wagen, die in vier Leistungsklassen von A bis D eingeteilt sind, fällt also weg. Allein das nötige Kleingeld muss man sich zusammenfahren, um sich diese Schätze leisten zu können.

Die Wagen selbst sind ihren realen Vorbildern sehr gut nachgebildet. Zur optischen Verschönerung stehen eine große Bandbreite an Vinyls und Lackierungen zur Verfügung. Gerade die Farbauswahl der Lackierung ist individuell einstellbar und lässt in ihrer Variabilität keine Wünsche offen. Allein die Anzahl der zur Verfügung stehenden Felgen ist etwas gering. Die Upgrade-Möglichkeiten sind hingegen grandios. Wer genügend Geld eingefahren hat, kann selbst einen Golf 1 mit neuen Teilen für den Motor, die Bremsanlage, das Fahrwerk und die Rennreifen und mit einer Lachgaseinspritzung zur Rennmaschine mutieren lassen. Wem das noch nicht genügt, der kann sich per Werksumbau ein für Rennen ideales technisches Setup erstellen lassen.

Auch Fans des Tunings dürfen sich bei "Shift 2 - Unleashed" gut aufgehoben fühlen, da die Möglichkeiten sehr breit gestaltet sind. Reifendruck, Brems- und Spureinstellungen, Karosserielage, Differential, Aerodynamik, Federung, Stoßdämpfer und Antriebsstrang lassen sich zum Teil sehr fein einstellen und individuell ausbalancieren. Wer darauf keine Lust hat, kann seinen Wagen auch einem Schnell-Tuning unterziehen, bei dem nur wenige essentielle Optionen verfügbar sind. Die Auswirkungen der Neueinstellungen sind spürbar und beeinflussen das Fahrverhalten. Umso bedauerlicher ist es, dass ein direktes Probefahren mit veränderten Einstellungen nicht möglich ist. Wer etwa im Karrieremodus etwas am Wagen ändern will, muss zuerst ins Hauptmenü, dann in die Garage, dort das Tuning-Menü aufrufen, die Änderung einstellen, wieder raus ins Hauptmenü und dann wieder eine Rennstrecke aufrufen. Einfach geht anders, zumal die Ladezeiten recht lang sind.

... aber auch traumhaftes Fahren?

Das Fahrverhalten der Boliden selbst war im ersten Teil von "Shift" noch einer der Hauptkritikpunkte. Vor allem das ständige Kurvenrutschen, das eher an einen Arcade-Racer erinnerte, wurde bemängelt. Diese Übersteuerung wurde größtenteils korrigiert, ist aber manchmal noch immer fühlbar. Ohnehin ist die Steuerung nichts für Gelegenheitsfahrer. Sie reagiert auf Eingaben sehr sensibel und es bedarf einiger Übung, um manche Wagen vernünftig um enge Kurven zu führen und nicht sofort im Kiesbett oder Gras zu landen. Dabei ist sehr auffällig, dass zum Teil schwächere Wagen schlechter zu steuern sind als massige PS-Boliden. Hinzu kommt eine recht problematische KI-Leistung. Zu sehr ist sie auf die perfekte Ideallinie fixiert und reagiert dementsprechend, wenn man zu Überholmanövern ansetzt. Zu oft rempeln die Gegner in aggressiver Manier den Spieler an. Es ist sehr bedauerlich, dass keine bessere Lösung gefunden wurde, um den hohen Realitätsanspruch auch hier zu verwirklichen.

Als sehr gelungen in dieser Hinsicht muss die neuartige Helmperspektive gelten. Durch sie muss der Spieler nicht mehr nur direkt hinter der Windschutzscheibe Platz nehmen, jetzt kann er direkt in die Haut des Fahrers schlüpfen und aus seiner Perspektive, also mit dem eingeschränkten Sichtfeld eines Helms und den damit einhergehenden Kopfbewegungen und Wacklern, ein noch intensiveres Rennerlebnis erfahren. Besonders das schwere Atmen bei Remplern lässt erahnen, wie sich der Fahrer eines PS-starken Rennwagens fühlen muss. Das ist neu und ungewohnt, dürfte aber den Freunden des realistischen Renngeschehens absolut zugute kommen.

Einen Pluspunkt erhält "Shift 2 - Unleashed" für die große Streckenanzahl. Insgesamt 72 Möglichkeiten hat der Freizeitrennfahrer, wobei jedoch zu bemerken ist, dass einige Kurse in verschiedene Varianten unterteilt wurden. Glücklicherweise hat man sich im Gegensatz zum ersten Teil dazu entschieden, mehrere Strecken, wenn auch nicht alle, zusätzlich in einem Nachtmodus zu konzipieren. Die geringe Ausleuchtung mag nicht jedem gefallen, aber gerade so werden die Scheinwerferlichter des eigenen Wagens gut in Szene gesetzt und tragen viel zur realistischen Rennatmosphäre bei. Die Rennstrecken selbst sind ihren realen Vorbildern im Großen und Ganzen gut nachempfunden. Sauer aufstoßen dürfte es Fans der Reihe jedoch, dass die fiktiven Stadtkurse im Wesentlichen komplett mit denen aus "Need for Speed: Shift" identisch sind, ohne große grafische Verbesserungen erfahren zu haben.

Der Karrieremodus

Herzstück des Spiels ist der umfangreiche Karrieremodus. Durch das Sammeln von Erfahrungspunkten kann man neue Level und Wettbewerbe freischalten und so die Karriereleiter immer weiter hinaufklettern, bis man schließlich sein Können bei der FIA-GT-Weltmeisterschaft beweisen kann. Erfahrungspunkte sind jedoch nicht nur durch Siege zu erlangen: Führungsrunden, Fahren auf der Ideallinie, saubere Kurvendurchfahrten und fehlerfreie Abschnitte bringen ebenfalls Punkte. Das gilt aber nicht nur für den Karrieremodus. Auch wer lieber ein schnelles Rennen fahren will, das sehr variabel einstellbar ist, was beispielsweise Wettbewerbsart, Runden- und Teilnehmerzahl oder Strecke angeht, kann hier zusätzliche Erfahrung für die Karriere beisteuern. Diese stellt sich ohnehin als äußerst abwechslungsreich dar. Normale Rundenrennen wechseln sich ab mit Zeitfahren oder auf bestimmte Autotypen zugeschnittene Events. Dabei darf man auch oft in geliehenen Wagen fahren und ist nicht immer auf die Vehikel in seiner Garage angewiesen. Ein einzelner, wenn auch nicht zentraler Teil der Karriere, besteht aus Drift-Events. An diesem Punkt bin ich sehr enttäuscht worden. Ich gebe gerne zu, dass ich nicht der begnadetste Drifter bin, die sensible Steuerung schlägt hier aber gerade über das Gamepad voll durch, so dass Dreher an der Tagesordnung sind. Spaß will dabei nicht aufkommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass selbst Spieler, die einige Erfahrung in diesem Bereich aufweisen, sehr glücklich mit der Art und Weise sind, wie das Driften hier technisch umgesetzt wurde. Trotz dieses Minuspunktes bleibt der Karrieremodus herausfordernd und bietet auch auf längere Sicht Spielspaß.

Interaktives Fahren

Das bereits aus "Need for Speed: Hot Pursuit" bekannte Autolog-System, eine Art soziales Netzwerk, in dem der Spieler nicht nur Bilder oder kurze Videoausschnitte einstellen kann, sondern auch die Rundenzeiten seiner Freunde mit den seinen vergleichen und unterbieten kann, sorgt für Langzeitmotivation. So bleibt "Need for Speed" ein absolutes Musterbeispiel für Interaktivität. Im Online-Multiplayer-Modus können bis zu zwölf Mitspieler an einem Rennen teilnehmen, wobei die Einstellungsmöglichkeiten recht weitgehend sind. Neben den Standardeinstellungen, wie Strecke und Fahrzeugklasse, sind auch Tageszeit und Fahrperspektive vorgebbar. Ein besonderes Schmankerl ist die Fahrer-Duell-Meisterschaft, in der sich Spieler in einem K.O.-Modus für die jeweils nächste Runde qualifizieren müssen. Wie bereits im ersten Teil wurde auch hier jedoch kein Offline-Multiplayer-Modus integriert. Split-Screen-Duelle wird man also vergebens suchen.

Sound und Grafik

Vom Sound her gibt es bei "Shift 2 - Unleashed" wenig zu beanstanden. Die Motoren der Wagen klingen laut und realistisch und sind den jeweiligen Fahrzeugen gut zugeordnet. Allein der ziemlich aufgesetzte Kommentar zu Beginn und am Ende eines jeden Rennens, der im Original vom Rennfahrer Vaughn Gittin Jr. stammt, nervt mit der Zeit etwas. Schade ist auch, dass der tolle und rockige Soundtrack nicht optional in die Rennen eingebaut werden kann.

Wie schon gesagt, sind die Wagen grafisch gut gelungen und die Strecken, sieht man mal vom erfolgten Recycling und fehlenden Einzelheiten an den Häusern der Stadtstrecken ab, ebenfalls. Sehen lassen können sich die Zuschauerränge und Ordner am Streckenrand. Blitzlichtgewitter, jubelnde und sich bewegende Zuschauer und Streckenposten, die sehr individuell zu reagieren scheinen, lassen eine große Lebendigkeit der Umgebung und Wirklichkeitsnähe aufkommen. Auch das Schadensmodell an den Fahrzeugen wurde im Großen und Ganzen gut gestaltet und kann mittels optionaler Einstellungsmöglichkeit auch reale Auswirkungen auf die Fahrweise haben. An Kleinigkeiten mangelt es jedoch, etwa dass man manchmal schon mehrmals brachial mit der Seite in die Leitplanke fahren muss, um seinen Rückspiegel zu verlieren, wobei in der Realität wohl einmal gereicht hätte.

Fazit

"Need for Speed: Shift 2 - Unleashed" ist ein Spiel, das in seiner Vielfalt und in seiner Komplexität durchaus zu gefallen weiß, das aber auch nicht jeden restlos überzeugen dürfte. Der schön ausgearbeitete Karrieremodus, die vielen Online-Spiel- und Einstellungsmöglichkeiten bei den Fahrzeugen sowie die hervorragende Sound- und gute Grafikgestaltung sind echte Pluspunkte. Sie wissen Freunden des virtuellen Rennsports sehr zu gefallen. Die Bewertung wird jedoch durch die durchwachsene Steuerung und die unflexible KI gedrückt, hinzu kommen das erkennbare Strecken-Recycling und der fehlende Offline-Mehrspielermodus. Ebenso zwiespältig fällt auch das Ergebnis in Hinblick auf den angekündigten Realismus des Spiels aus. Zwar bietet gerade die neuartige Helmperspektive einen Schritt in diese Richtung, der Weisheit letzter Schluss ist sie jedoch nicht, zumal gerade Kleinigkeiten im Spiel den Realismusgenuss doch ein wenig trüben.

(09.06.2011)

Kommentare:
Der Kommentar wurde gespeichert!
The Captcha element applies the Captcha validation, which uses reCaptcha's anti-bot service to reduce spam submissions.

Need for Speed: Shift 2 - Unleashed
Need for Speed: Shift 2 - Unleashed
Need for Speed: Shift 2 - Unleashed
Need for Speed: Shift 2 - Unleashed
Need for Speed: Shift 2 - Unleashed
Need for Speed: Shift 2 - Unleashed
Need for Speed: Shift 2 - Unleashed