Child of Eden (Xbox 360) (Ubisoft) geschrieben von Alexander Eschner
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Satte elf Jahre mussten die Spieler auf einen Nachfolger des Spielehits "Rez" warten. Dieses Jahr jedoch hat "Q Entertainment" einen Nachfolger veröffentlicht, der in dessen Fußstapfen treten soll. Mit "Child of Eden" wird das fast vergessene Genre "Rail-Shooter" wiederbelebt. Der signifikanteste Unterschied zum Vorgänger dürfte die Tatsache sein, dass der Spieler im Jahre 2011 selbst zum Controller wird. Was ist Eden? Am elften September 2019 erblickt der erste Mensch, ein Mädchen namens Lumi, das Licht der Welt auf der Internationalen Raumstation. Lumi wächst wohlbehütet im Schutze der Station, die sich weit über der Erde im All befindet, auf. Ihr größter Traum ist es, einmal die Schönheit der Erde mit ihren eigenen Augen zu sehen. Lumi sendet ihre Gefühle, in Form von eigenen Liedern, an die Menschen auf der Erde. Die Erfüllung ihres Traumes bleibt ihr aber verwehrt. Nach ihrem Tod wird Lumis Körper konserviert und alle Erinnerungen und Aufzeichnungen werden in Datenarchiven gespeichert. In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts beginnt eine neue Ära der Weltraumerkundung. Die Menschen sind nunmehr in der Lage, die entlegensten Winkel des Alls zu erreichen und zu erforschen. Das Wissen der gesamten Menschheit wird in Datenarchiven gespeichert, somit kann auf dieses Wissen überall im Weltraum zugegriffen werden. Die Bandbreite der Daten reicht von der Evolution über die Naturgeschichte bis hin zur gesamten Geschichte der Menschheit. Für alle Menschen, die bis jetzt keinen Fuß auf die Erde gesetzt haben, ist dieses Archiv die Quelle ihres gesamten Wissens. Aus diesem Grund gab man dem Datenbestand den Namen "Eden". Im 23. Jahrhundert startet das "Project Lumi". Eifrige Wissenschaftler bilden dabei aus den gespeicherten Archiven Lumis Persönlichkeit in "Eden" nach. Das Vorhaben gelingt: Nachdem Lumi mehrere Hundert Jahre zuvor starb, erwacht sie nun in Eden aus ihrem ewigen Schlaf. Rette Eden! Zu Beginn des Spiels wandelt eine digitale Schönheit über satte Grünflächen. Bei dieser Person handelt es sich um Lumi, die gerade im dem virtuellen Netzwerk "Eden" wiederbelebt wurde. Lumi scheint glücklich darüber zu sein, endlich einmal mehr als nur die Raumstation zu sehen. Gerade als der Höhepunkt der Euphorie einzusetzen scheint, beginnt sich die idyllische Welt zu verändern: Schwarzer Nebel zieht den Himmel zu, Erdbrocken zersetzen sich und verschwinden. Die gesamte digitale Welt zerbricht und Lumi verschwindet im dichten, dunklen Nebel. Was konnte das virtuelle Netzwerk so kollabieren lassen? Es handelt sich um einen äußerst aggressiven Computervirus. Damit ist die Rolle des Spielers klar definiert: Er muss zum Anti-Virus-Programm werden und fünf Großarchive sowie Lumi von dieser Krankheit befreien. Bevor das eigentliche Spiel startet, muss der Spieler ein Archiv aussuchen, das er befreien will. Die Archive sind in Form von Kugeln dargestellt, die in einem schwarzen Nichts um Lumi kreisen. Hat sich der Spieler für ein Archiv entschieden, wird dieses geladen und das Spiel beginnt. Für alle, die mit dem Begriff "Rail-Shooter" nichts anfangen können, hier eine kurze Erklärung: Tatsächlich ist es so, dass "Rail", das englische Wort für Schiene, das Spielprinzip sehr gut beschreibt. Der Spieler durchläuft die Levels wie auf Schienen. Er hat keine Möglichkeit irgendwo abzubiegen oder sich sonst abseits des Hauptpfades frei zu bewegen. Die Kamera lässt sich dabei allerdings drehen. Im Grunde kann der Spieler immer nur darauf reagieren, was ihm als nächstes in den Weg gestellt wird. Mit anderen Worten sind "Rail-Shooter" wohl die linearsten Spiele, die es gibt. Dem Spieler stehen zum Bereinigen der Archive zwei Waffen zur Verfügung. Die erste ist ein auf Dauerfeuer eingestellter Laser, der sich hervorragend dazu eignet, mehrere kleine Ziele gleichzeitig zu attackieren, mit dem der Spieler sogar heranfliegende gegnerische Projektile zerstören kann, die sonst einen erheblichen Schaden verursachen würden. Die zweite Waffe ist ein zielgesteuerter Raketenwerfer. Dieser ist deutlich stärker als der Laser und eignet sich besonders für große Gegner. Der Nachteil des Raketenwerfers ist, dass er einfach zu langsam ist, um ihn permanent zu verwenden. Auffällig ist, dass die Waffen hervorragend ausbalanciert sind und somit keine weiteren benötigt werden. Zwar wäre es sicherlich schön gewesen, wenn die Option bestanden hätte, die Waffen zu modifizieren oder auszuwechseln, zwingend notwendig ist sie jedoch nicht. Wenn alle Stricke reißen, gibt es die Möglichkeit eine Bombe zu zünden, die alles, was vor dem Spieler herumschwirrt, vernichtet. Diese Waffe ist streng limitiert und kann nur durch gutes Spielen wieder benutzt werden. Erstaunlicherweise funktioniert der Spielfluss ausgezeichnet. Selten konnte ein Spiel dieses Formates so fesseln. Jede Ebene, jeder Gegner und jede Inszenierung begeistern durch und durch. Der Schwierigkeitsgrad steigert sich mit jedem weiteren Archiv und kann durchaus sehr fordernd werden. Natürlich beherbergen die Archive auch eine Menge knackiger Bossgegner, die alle nicht leicht zu besiegen sind. Das wirklich Gute an diesem Titel ist aber, dass der Spieler niemals das Gefühl bekommt, es sei nicht zu schaffen. Wurde ein Archiv gesäubert, kehrt der Spieler in das Auswahlmenü zurück. Hier hat sich in der Zwischenzeit so einiges geändert. Lumi steht nicht mehr in einem schwarzen Raum, stattdessen sind Fragmente des zuvor durchschrittenen Archivs um sie herum verteilt und sogar einige Kreaturen gleiten durch das Bild. Diese lassen sich mit dem Cursor anlocken. Berührt eine Kreatur den Cursor, streichelt der Spieler diese. Als Dankeschön wird er mit Synthie-Sounds belohnt. Etwas schade ist, dass sich alle Archive in nur vier Stunden durchspielen lassen. Aufgrund der eifrigen Highscore-Jagd und der phänomenalen Inszenierung lässt sich dieser Titel aber immer wieder spielen. Zudem sei erwähnt, dass es noch einige Bonuslevels gibt, die sehr schwer zu lösen sind. Farbenpracht "Child of Eden" ist optisch im ersten Augenblick sehr chaotisch. Eine Vielzahl von Effekten regnet auf den Spieler herab. Es dauert einfach einen Moment, bis der Spieler sich an die völlig eigene Bilddynamik angepasst hat. Das Spiel begeistert vor allem durch seine enorme Farbenpracht. Jeder Gegner und jedes Projektil haben eine komplett andere Färbung, als die Umgebung, was gewährleistet, dass der Spieler Gefahren frühzeitig im Farbenmeer erkennen kann. Bei diesem Titel harmoniert einfach alles miteinander. Selbst unvorhersehbare Ereignisse erscheinen stets elegant und fügen sich hervorragend in das Gesamtkunstwerk ein. Das Spiel begeistert mit einem fulminanten Animationsfluss. Jedes Objekt, das an dem Spieler vorbeirauscht, scheint einfach lebendig zu sein. Selten wurde solch eine Animationspracht entfacht. Trotz aller Farben, Objekte, Gegner oder Explosionen, die das Bild durchdringen, läuft "Child of Eden" gnadenlos flüssig. Es gibt zu keinem Zeitpunkt Leistungseinbrüche, Ruckler oder sonstige Anomalien. Genau genommen sind tatsächlich keine optischen Fehler zu finden. Raveparty Die musikalische Untermalung von "Child of Eden" setzt sich aus Stücken aus den Bereichen "Vocal Trance" und "Mystic Sounds" zusammen. Jeder, der mit diesen Musikrichtungen nichts anfangen kann, wird wohl mit dem Titel nicht richtig warm werden können. Das liegt daran, dass die optische Darstellung stets im Einklang mit den Tönen harmoniert. Umgekehrt ist es so, dass, wenn die Musikstücke gefallen finden, es einfach unglaublich ist, wie gut das Ganze zusammenpasst. Im Übrigen gibt es während des Spiels einige Passagen, die an Spiele wie "Rockband" und Co erinnern. An diesen Stellen baut sich vor dem Spieler ein gewaltiges Sonnensegel auf, in dem einige Fragmente anfangen zu leuchten. Werden diese im Rhythmus der Musik getroffen, wird der Spieler mit Multiplikatoren belohnt. Allerdings bleiben diese nur erhalten, wenn der Spieler konsequent richtig trifft. Wird ein Fragment nur knapp verfehlt, bleibt der Multiplikator erhalten. Versemmelt der Spieler allerdings einen Schuss komplett, ist der Multiplikator weg und die Aussichten auf einen super Highscore können begraben werden. Die Geräusche bei diesem Titel können sich ebenfalls hören lassen. Egal ob man dem Laser oder den Kreaturen lauscht, die durch das Bild flitzen, jeder Bestandteil gibt glaubwürdige Töne von sich. Ausdauersport Dank der Kinect-Steuerung kann der Spieler "Child of Eden" komplett ohne Controller spielen. Der sensible Sensor eignet sich hervorragend für dieses Spielprinzip. Mit der linken Hand feuert der Spieler den Laser ab, dabei reicht es, einfach nur mit der Hand über das Bild zu streichen. Der Sensor überträgt die Bewegungen dann fast synchron. Mit der rechten Hand wird der Raketenwerfer bedient. Hierfür muss mit der Hand über das Ziel gestrichen werden. Wurde diese Bewegung vollbracht, ist das Ziel anvisiert. Damit die Raketen abgefeuert werden, muss der Spieler den rechten Arm mit einer ruckartigen Bewegung in Richtung des Fernsehers bewegen. Einen kurzen Augenblick später sieht der Spieler schon die Raketen in Richtung des Ziels fliegen. Um die Bombe zu zünden, muss der Spieler schnell beide Arme in die Höhe recken. Diese Bewegung wird vom Sensor ebenfalls innerhalb von weniger als einer Sekunde umgesetzt. Generell lässt sich sagen, dass die Umsetzung der Steuerung mit einer enormen Präzision erfolgt. Kaum ein anderes Kinect-Spiel kann da mithalten. Außerdem lässt sich dieser Titel auch mit einem Controller spielen. Dabei lässt es sich mindestens genauso gut spielen, wie mit der Kinect-Steuerung. Spieler, die es gewohnt sind nur mit dem Controller zu arbeiten, kommen mit diesem sicherlich besser zurecht. Am Spielgeschehen ändert es schließlich nichts, es muss lediglich darauf verzichtet werden bereits nach einem Archiv total aus der Puste zu sein. In der Tat ist "Child of Eden" ein echter Konditionsfresser. Ungeübte Spieler oder Bewegungsmuffel werden hier sehr schnell an ihre Grenzen geraten. Fazit Mit "Child of Eden" kommt wohl das beste Kinect-Spiel unserer Tage in die Geschäfte. Nicht nur, dass das Genre "Rail-Shooter" wiederbelebt wurde, nein, auch die enorme Präzision, die dem Sensor abgefordert wird, ist phänomenal. Bis jetzt wurde die Steuerung noch nie so gut kalibriert wie bei diesem Titel. Die restlichen Aspekte des Spiels wären schon Kaufgrund genug gewesen. Selten war die Harmonie zwischen akustischen und optischen Elementen so genial ausbalanciert. Dazu gesellt sich eine frische und interessante Story. Jeder, der ein wirklich gutes Kinect-Spiel sucht und mit dem Soundtrack etwas anfangen kann, muss einfach zugreifen. (16.11.2011) |