Into the Dark

Into the Dark

(Homegrown Games)

geschrieben von Christian Schmitz

 

     
 

Egal, was das Videospieljahr 2012 noch bringen mag: Independent-Entwicklungen gehören auch in den abgelaufenen Monaten zu den großen Gewinnern. Mit sympathischen Ideen, einem angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis und teilweise großartigen Stilmitteln erfreuen sich diese Produktionen größter Beliebtheit. Es gibt aber auch weiterhin unrühmliche Ausnahmen, wobei "Into the Dark" deren Paradebeispiel sein könnte.

Versicherungsprobleme

Vorsicht: Extrem hoher Trash-Faktor! Die österreichischen Independent-Entwickler von "Homegrown-Games" vergleichen ihr neuestes Videospiel nach Machwerken wie "Project Anderson & Das Erbe Cthulhus" und "Painkiller: Resurrection" wortwörtlich als "Autounfall, von dem man sich nicht abwenden kann" (hier nachzulesen: http://www.youtube.com/watch?v=XRsSODWKi..._mfQuGv8upjJSeg). Dabei stellt sich schon beim Vorbeifahren am Händlerregal die berechtigte Frage, warum man für ein qualitativ nicht ernst gemeintes Videospiel noch so viel Geld ausgeben sollte, wenn man nicht gerade zum gaffenden Katastrophenpublikum gehören mag? Eine ähnliche Aussage prangt im PDF-Handbuch des Datenträgers: "Man muss nicht so betrunken wie unser Hauptdarsteller sein, um das Spiel zu genießen. Aber es hilft." Wer sich trotz dieser Geschmackswarnung immer noch interessiert zeigt, spielt daher vorher unbedingt die kostenlose Demoversion an oder liest einfach weiter.

Zur Story sei so viel gesagt: Privatdetektiv Peter Brenner soll bezüglich eines verschiedenen Wissenschaftlers im Versicherungsauftrag dessen Todesumstände genauer untersuchen, schließlich geht es um die stattliche Summe von 10 Millionen Dollar, mit der er sein Leben abgesichert hatte. Erste Anhaltspunkte finden sich in einer scheinbar unbewohnten Blockhütte im Wald. Die Inneneinrichtung ist wenig einladend gestaltet, noch weniger heißen Mutanten den ehemaligen Polizisten und Soldaten außer Dienst willkommen. Spätestens im Labor und als Peter beim Abwassersystem auf den freundlich gesinnten Irwin trifft, wird klar, dass hier Nazis unbemerkt schreckliche Experimente betreiben konnten. Die Ergebnisse von "Projekt Übersoldat" laufen nun frei herum und tummeln sich u.a. in Lichtspielhäusern oder Bordellen.

Einen Spannungsbogen, überraschende Wendungen, erinnerungswürdige Charaktere – all das sucht man hier vergeblich. Ohnehin verkommt das klapprige Story-Konstrukt zur Nebensache, es geht vielmehr darum, möglichst viele Anspielungen auf Filme, Krieg oder andere Videospiele herauszuhauen. Neben den schlecht abgemischten, schwer verständlichen Dialogen voller Zitate sieht man auch überall Plakate, Poster und Fotos mit mehr oder weniger eindeutigen Motiven. Beispielsweise gibt es massenhaft Propaganda aus Zeiten des 2. Weltkriegs sogar in Form von Videos zu sehen, das Porträt des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan grinst uns entgegen und eine eigenwillige Interpretation des letzten Abendmahls hängt an der Wand. Mitunter bleiben die Versuche, ein Kultspiel aufzubauen, einfach zu plump: Im Kinosaal herrscht dichter Nebel, ein überflüssiger Dialog weist mit dem Holzhammer auf John Carpenters berühmten Film "Der Nebel" hin. Und obwohl von Entwicklerseite umfänglich von über 20 Stunden gesprochen wird, kommen trotz vieler Easter-Eggs und Anspielungen letztendlich deutlich weniger zusammen.

In den Papierkorb

Die "verrückten" (steht so im Handbuch) Untergrund-Entwickler verstehen ihr Machwerk weder als konventionelles Adventure noch als stinknormalen Shooter (nachlesbar im Handbuch) – vielmehr gehen ihre Ambitionen darüber hinaus in Richtung einer in Deutschland nicht erschienenen Spielreihe von "Monolith Productions" und "Sega". Ähnlich dem qualitativ deutlich überlegenen Vorbild soll der Spieler seine Spielumgebung auf Hinweise untersuchen, um so im Spiel voranzuschreiten. "Into the Dark" verhebt sich daran komplett, was nicht zuletzt an konzeptionell gut gemeinten, jedoch praktisch schlecht ausgeführten Eigenheiten liegt. Zu jedem Zeitpunkt bleibt der Titel nichts anderes als ein miserabler Ego-Shooter inklusive schlechter Adventure-Elemente.

Sinnbildlich für dieses Debakel steht das von den Entwicklern so ernannte "fiktive Erinnern": Objekte werden erst dann sicht- und nutzbar, wenn sich Spielfigur Peter daran erinnert, d. h. praktisch vor einem Rätsel steht. Dadurch tauchen urplötzlich Schlüssel oder Zugangskarten genau da auf, wo vor wenigen Augenblicken noch überhaupt nichts war. Beispiel gefällig? Bitte schön: Relativ früh wird zum Spielfortschritt ein Erfrischungsgetränk benötigt. Der spendende Automat spuckt jedoch erst eine Dose aus, nachdem sich der Hauptcharakter daran bewusst erinnert hat. Wieso war dies vorher nicht möglich, wenn schon kein einsehbares Inventar eingebaut wurde und der Tragfähigkeit des Charakters keine Grenzen gesetzt sind? Die Entwickler hätten jedenfalls allen Spielern durch mehr Logik eine Menge Hin- und Herlauferei ersparen können. Durch solche einnehmenden Abläufe wirkt der Spielablauf arg gestreckt sowie undurchdacht. Viel schlimmer noch dürften sich Zocker dank solcher Situationen stellenweise schlichtweg veralbert vorkommen.

Hilfreich gestaltet sich dafür das jederzeit aufrufbare Logbuch, welches ständig wichtige Ereignisse und Informationen aktualisiert und kurz zusammenfasst. Der Schwierigkeitsgrad bei den Rätseleinlagen bleibt jederzeit anspruchslos. Ständig wird nach passenden Schaltern, Drähten bzw. Schlüsseln gesucht. Baller- und Nahkampfeinlagen gegen Zombies, Mutanten, Nazis sowie andere, wenig einfallsreiche Widersacher gestalten sich überwiegend spannungsarm und leiden unter ständigen Intelligenz-Aussetzern bis hin zur kompletten Reaktionsverweigerung. Gefährlich dürften wohl nur bewaffnete Feinde oder plötzlich auftretender Munitionsmangel werden. Durch Betätigung der rechten Maustaste schießt Peter ungleich präziser über Kimme und Korn, dank erfolgreich absolvierter Scharmützel und Rätsel erhöhen sich kaum wahrnehmbar einzelne Attribute, etwa Waffenfertigkeiten. Ebenso interessant wie oberflächlich bleiben weitere Elemente wie die Nekromantie: Außer eigenhändig getöteten Opfern können an bestimmten Stellen nämlich gefallene Soldaten wiedererweckt werden und dann an unserer Seite kämpfen.

Als Besonderheit wird das Schadens- und Heilsystem angepriesen, das man so oder deutlich besser allerdings schon zur Genüge gesehen hat: Klassische Gesundheitsanzeigen und automatische Heilungsprozesse fallen weg, stattdessen verarztet sich der spielbare Charakter an dafür vorgesehen Stellen mit Verbandskästen nach Knopfdruck selbstständig. Die nach Verwundungen sowie erlittenen Treffern stark eingeschränkte und blutverschmierte Sicht wird dann nach ein paar Bildschirmfenstern wieder normalisiert. Zusätzlich zum Einzelspielermodus sind zwei kleine Mehrspieler-Varianten für LAN- oder Internetpartien enthalten, nämlich "Deathmatch" sowie "King of the Hill".

Technisches Grauen

Eine Version von "FPS Creator" dient als grafisches Grundgerüst, das baukastenartige Ergebnis mit langen Ladezeiten zwischen den Levels sieht jederzeit sehr unansehnlich aus: ewig gleiche Objekte und Texturtapeten mit Clipping-Fehlern an allen Ecken und Kanten, miserable Grafikeffekte, wie Nebel oder Gas, die eigentlich atmosphärisch wirken sollten, aber das Gegenteil bewirken, und die mit bloßem Auge kinderleicht mitzählbaren Animationsphasen aller Figuren. Einstellungsmöglichkeiten hat man gar nicht eingebaut, diese richten sich stattdessen nach den Treibereinstellungen und den individuellen Anpassungen der Datei "setup.ini". Doch all diese optischen Ungereimtheiten sind gar nichts im Vergleich zum insgesamt schlampigen Gesamtzustand, denn Bugs und Programmabstürze zwingen den Spieler immer wieder zum Neustart. Derartige Probleme sind den Entwicklern bekannt, Hinweise zur Verminderung finden sich im Handbuch. Größtes Ärgernis hierbei ist die oftmals fehlerhafte Funktion zum Laden und Speichern eines Spielstandes. In jedem Fall sollte ein aktueller Grafikkartentreiber installiert werden, da es sonst zu unerklärlichen Einbrüchen der Bildwiederholungsrate kommen kann.

Auch wenn der Verfasser des Handbuchs etwas anderes empfiehlt, rät es sich nicht, die Lautsprecherboxen aufzudrehen, denn selbst für ein Indie-Projekt erweisen sich insbesondere ständig wiederholende, nervtötende Soundeffekte im kläglichen Zusammenspiel mit den Sprachschnipseln als unzumutbar. Der Hauptprotagonist spricht in einem so schrecklich vorgetragenen Englisch mit österreichischem Akzent, dass sich Arnold Schwarzenegger nicht mehr für seine frühen Filmwerke wie "Hercules in New York" schämen muss. Den allgegenwärtigen Trash-Faktor in allen Ehren, aber ein solch peinliches Stimmengewirr ist qualitativ ebenso minderwertig wie manch kostenlose Podcast-Aufnahme, die wegen Unzumutbarkeit und mangelhaft abgestimmter Einstellungen wieder abgebrochen wird. Genauso hört sich "Into the Dark" nämlich an. Diese Umstände ersticken auch an dieser Stelle jeden Gedanken an ein halbwegs erträgliches Trash-Vergnügen auch mit sehr geringen Ansprüchen bereits im Keim. Den Versuch, es gewollt derartig schlecht zu machen, dass es viele Spieler im Umkehrschluss wieder gut finden könnten, geht bei jeglicher Toleranzgrenze komplett nach hinten los. Das alles ist sehr bedauernswert, weil Monologe sowie Dialoge dann doch einige gelungene Anspielungen bieten könnten, beispielsweise Gesangseinlagen oder Duke-Nukem-Sprüche.

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Fazit

Into the Dark" eine Kaufempfehlung auszusprechen bleibt auch nach reiflicher Überlegung und einer hohen Toleranzgrenze unmöglich, denn der grundsätzlich ambitionierte Indie-Titel hat neben schlampiger Technik vor allen Dingen ein Ärgernis: Den völlig unangemessenen Verkaufspreis. Selbst das erfrischend verfasste Handbuch auf dem Datenträger sowie unzählig verquere Anspielungen, deren volle Bandbreite wohl nur die eingefleischsten Trash-Fans verstehen werden, bietet diese völlig misslungene Mixtur viel zu wenig fürs Geld und sollte deswegen unbedingt gemieden werden. Als besonders ärgerlich erweisen sich jene technischen Fehltritte, wie Abstürze oder das unausgereifte Speichersystem, die ein Weiterspielen zur absoluten Qual machen. Kult-Schauspieler Bruce Campbell wäre entgegen der Behauptung im Handbuch sicherlich nicht stolz, sondern würde mit seinem mächtigen Kinn voran lachend in die Kreissäge laufen.

(19.12.2012)


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