Diablo III

 

Der blutrote Teppich wurde "Diablo III" bereits zur Veröffentlichung der PC-Version vor anderthalb Jahren ausgerollt, begleitet von sowohl begeisterten als auch verärgerten Massen. Zu groß war der Ärger wegen des permanenten Online-Zwangs, den damit verbundenen Login-Problemen oder auch Echtgeldauktionen, die an der Balance des Action-Rollenspiels zehrten. Bei der nunmehr erhältlichen Konsolenfassung für PS3 und Xbox 360 verzichtet der Developer auf derartige Schikanen und man kann sich stundenlang auf das motivierende Spielerlebnis einlassen.

Wenn der Teufel dreimal klingelt

Die vermeintliche Sternschnuppe erfüllt leider keine Wünsche: In der Kathedrale von Neu-Tristram schlägt ein mysteriöses Objekt ein, begleitet von einem Chaos der besonders verheerenden Art mit umherwandelnden Untoten, Hexen, Höllenkreaturen und anderen Unheil bringenden Dämonen. Eine Bewohnerin der Ortschaft, Leah, vermisst seither ihren Onkel Cain, den sie in den Trümmern eben jener Kirchenruinen vermutet. Der Spieler schlüpft fortan in die Rolle eines namenlosen Nephalem, ihres Zeichens Halbgötter, um die schrecklichen Vorkommnisse aufzuklären. Was er in den Katakomben vorfindet, scheint jedenfalls nicht von dieser Welt zu sein. Obendrein wird schnell klar, dass Höllenfürst Diablo persönlich und seine letzten verbliebenen Lords der Unterwelt den dritten Invasionsversuch unternehmen, alles Menschliche zu vernichten.

Als besonders eindrucksvolles Markenzeichen der Reihe erzählen auch diesmal wieder fantastisch gerenderte Zwischensequenzen eine düstere, epische Geschichte. Diese entpuppt sich zwar nicht gerade als innovativ, sondern eher vorhersehbar, dafür unterhalten interessante Wendungen und viele Dialoge zwischen den interessanten Figuren über die gesamte Spielzeit der vier langen Kapitel. Je nach Schwierigkeitsstufe, Spielweise und Forschernatur werden Einsteiger wie Profis 15 bis 30 Stunden für das Erlebnis investieren, nur um dann im nächsthöheren Herausforderungsgrad den nächsten Durchlauf zu starten. Der Wiederspielwert gestaltet sich erfreulich hoch.

Totgesagte leveln und looten länger

Spielerisch gibt sich "Diablo III" bewusst traditionell: Unzählige Gegnerhorden spüren in zufallsgenerierten Gebieten die reichhaltige Waffen- bzw. Zauberwirkung des erstellten Charakters, der dadurch Erfahrungspunkte sammelt und sich immer weiter aufrüsten lässt. Bis Stufe 60 kann er aufsteigen. Was sich hier so unkompliziert liest, erweist sich in der Praxis als wahres Motivationsmonster mit erfreulich viel Tiefgang. Anfangs sind drei von fünf gut ausbalancierten Schwierigkeitsgraden wählbar. Als Barbar, Dämonenjäger, Mönch, Hexendoktor oder Zauberer geht es ohne größere Umschweife rein ins Getümmel. Die eigentliche Charaktergestaltung bleibt ziemlich oberflächlich, denn jede Klasse hat neben dem Geschlecht ein fest vorgegebenes Aussehen und Fähigkeiten, die nach Stufenanstiegen freigeschaltet werden. Dem Spieler obliegt dann nur noch festzulegen, welche dieser Eigenschaften er nutzen möchte. Ein gutes Zusammenspiel dieser Fähigkeiten, die nach Nutzung eine gewisse Abklingzeit benötigen, erweist sich als essenzieller Bestandteil für erfolgreiche Kämpfe. Beispielshalber nutzt der Barbar oftmals zuerst einen wuchtigen Betäubungsschlag, um schnelle Gegenangriffe zu unterdrücken, bevor er kraftvoll seine restlichen Fähigkeiten einsetzt. Dabei sind wichtige Attribute wie Stärke, Geschicklichkeit oder Vitalität abhängig von angelegten Ausrüstungsteilen wie Schwertern, Äxten, Stäben, Schilden, Stiefeln, Rüstungen, Helmen, Ringen, usw.

Und hier spielt "Diablo III" enormes Suchtpotenzial aus, denn wertvolles Equipment findet sich alle paar Meter. Entweder mitsamt Gold in Truhen, bei erledigten Widersachern oder Händlern. Ständig ertappt sich der Spieler dabei, wie er in gewohnter Regelmäßigkeit neu eroberte Objekte im Ringmenü des übersichtlichen Inventars miteinander vergleicht, durch Juwelen noch weiter verbessert oder beim Schmied noch deutlich mächtigere Gegenstände herstellt. Juwelenhändler und Schmiede könnten ebenfalls effektiv ausgebildet werden. Spätestens, wenn das Inventar wieder voll ist, lohnt sich ein Abstecher zur Hauptanlaufstelle, um überflüssigen Kram loszuwerden oder in der eigenen Truhe abzulegen. An dieser Stelle wäre nur ein tierischer Begleiter wie in "Torchlight 2" noch komfortabler gewesen, der auf Befehl zum Händler läuft und im Gegenzug mit nützlichen Dingen wie Heiltränken nach kurzer Zeit zurückkehrt. Stattdessen kämpft einer von mehreren rekrutierbaren Begleitern Seite an Seite, der sich ebenfalls aufrüsten lässt, jedoch nicht so individuell wie die eigene Spielfigur. Wahlweise unterstützen entweder Templer, Schuft oder Verzauberin den Einzelkämpfer effektiv im Singleplayer-Modus.

Bei der Konsolenanpassung hat Entwickler Blizzard vorbildliche Arbeit geleistet, denn der Spielablauf gestaltet sich beinahe genauso komfortabel wie auf dem PC. Am linken unteren Eck sind Gesundheit und Mana sowie Erfahrungsfortschritt und aktuell gewählte Fähigkeiten ersichtlich. Rechts unten wird eine hilfreiche Minikarte eingeblendet. Das Geschehen verfolgt man aus einer festen Iso-Perspektive ohne Zoom- oder Drehfunktion, die im Vergleich zur PC-Variante etwas näher am übersichtlichen Spektakel dran ist. Per Steuerkreuz lässt sich zusätzlich die große Umgebungskarte aufrufen. Mit den Schultertasten und Symbolknöpfen des Controllers lassen sich intuitiv Fertigkeiten aufrufen oder auch Ziele fixieren und Heiltränke einnehmen. Charaktermenü samt Inventar erscheinen via Select, Geld und Heiltränke nimmt die Figur beim Darüberlaufen automatisch mit, Equipment hingegen erst durch Betätigen der angezeigten Taste. Da sich der Charakter mit dem linken Stick bewegen und dem rechten Stick wegrollen lässt, wirkt die Steuerung auf Konsole angenehm direkt. So fühlt sich "Diablo III" nicht großartig anders an als "God of War". Auch Navigation und Aktion durch Händlermenüs oder das Inventar fallen geschmeidig aus.

Die automatischen Speicherpunkte sind fair verteilt, mithilfe von Stadtportalen ist der Ausgangspunkt jedes Kapitels schnell erreichbar. Auch Teile der Spielumgebung können gegen Feinde eingesetzt werden, z. B. herunterstürzende Kronleuchter, Feuerfallen, brüchige Wandstellen oder Fässer mit Petroleumlampen. Echtgeld-Auktionshäuser sind in der Konsolenfassung nicht vorhanden und werden ohnehin in absehbarer Zeit in der PC-Version ihre Pforten wieder schließen. Jedoch ist das Action-Rollenspiel nicht frei von Fehlern: Die zufallsgenerierten Gebiete und Dungeons sind zwar überwiegend gelungen, wunderbar weitläufig und / oder verwinkelt, könnten aber hier und da etwas stärker variieren. So sind das Leveldesign und sogar Teile des Spielablaufs vorhersehbar, an bestimmten Stellen ist schon viele Schritte vorher klar, was passiert und welche Gegner aus der Ecke gekrochen kommen. Außerdem agieren vereinzelte Gegnerhorden erstaunlich passiv und stellen dadurch allzu leichte Beute dar. Vollkommen irritierend ist dann noch der Missstand, dass sich zuvor von Feinden gesäuberte und durch Kampfgeschehen heftig zerstörte Gebiete nach späterer Wiederaufnahme des Spielstands wie im Ursprungszustand wieder erstrahlen, als wäre hier nichts geschehen. Als fairer Kompromiss erweist sich die Konsequenz nach dem vermeintlichen Ableben, wenn zehn Prozent Haltbarkeit der Ausrüstung eingebüßt wird, auf einen Erfahrungspunkteverlust wird verzichtet. Nach einer Reparatur für vergleichsweise wenig Gold scheinen alle Ausrüstungsteile wieder im neuen Glanz.

Pflichtspiel für Koop-Besessene

Prunkstuck von "Diablo III" ist sicherlich der Mehrspielermodus für maximal vier Spieler. Hier können Rollenspielfans jederzeit sowohl on- als auch offline an einer Konsole in die Einzelspielergeschichte einsteigen und die Abenteuer gemeinsam bestreiten. Besonderer Clou beim kooperativen Offline-Multiplayer: Das Geschehen wird nicht per Splitscreen unschön geteilt, sondern läuft angenehm übersichtlich vor einem großen Bildschirm ohne optische Einschränkungen ab. Damit es keine Streitigkeiten unter den Spielern gibt, sieht auch jeder Abenteurer lediglich seine eigene Beute, die eben nicht von jemand anderen geklaut werden kann.

Grafisch jenseits von Gut und Böse

Auch technisch bleibt das Teufelswerk seinen Traditionen treu, sowohl in negativer wie positiver Hinsicht. Das Gesamtbild zeichnet sich trotz unscharfer Texturen atmosphärisch, düster und mit schummrigen Licht- und Schattenspielereien sehenswert stimmig. Insbesondere die Wettereffekte überzeugen, sei es sichtbares Hitzeflimmern der Wüstenlandschaft, Schneegestöber in der Bastion oder Regengüsse in Neu-Tristram. Das Effektfeuerwerk während der Kämpfe leidet nur selten an Unübersichtlichkeit und die darin verwickelten Widersacher sind abwechslungsreich und fantasievoll gestaltet. Erfreulich sind die sehr kurzen Ladezeiten während des Gebietswechsels. Wer noch den ersten Teil von "Diablo" für die PSX in Erinnerung hat, erinnert sich mit Graus an ein ganz anderes Niveau. Schade nur, dass sich Umgebungen und Objekte in ihren jeweiligen Kapiteln etwas zu häufig wiederholen. Physik- und Zerstörungseffekte sind zwar sehenswert, jedoch im Gesamtkontext eher inkonsequent umgesetzt, weil viel zu viele Gegenstände vom kraftvollen Prozedere völlig unbeeindruckt bleiben. Wenige Nachladeruckler fallen spielerisch zwar nicht ins Gewicht, treten aber immer wieder auf.

Akustisch beeindruckender Weltuntergang

Gewohnt aufwendig für einen Blizzard-Titel ist das Hörerlebnis ausgefallen. Sämtliche Dialoge sind qualitativ hochwertig vorgetragen, selbst aufgesammelte Bücher werden von professionellen, passenden deutschen Sprechern vorgelesen. Unter ihnen befindet sich als spielbarer Barbar die Synchronstimme von Schauspieler Russel Crowe (Gladiator), Thomas Fritsch. Dämonenjägerin Petra Barthel kennt man aus Filmen mit Nicole Kidman, Marius Clarén als Tobey Maguire (Spider-Man), Hexendoktor Udo Schenk vertont regelmäßig Ray Liotta. Ob dieser hohen Qualität ist es mehr als frustrierend, wenn Dialoge unterbrochen werden, weil die Spielfiguren an einer bestimmten Stelle ankommen, an der ein scheinbar wichtigeres Gespräch einsetzt. Auch der ständige Begleiter redet ziemlich viel, gibt hervorragendes Feedback, Warnungen zu besonders starken Gegnern oder gar Hintergrundwissen zum jeweiligen Gebiet preis, wiederholt sich jedoch genauso zu häufig wie Politiker dieser Tage vor der Bundestagswahl 2013. Die herausragende Soundkulisse mit allen Effekten und Geräuschen stört dies nicht, auch die passende Musikuntermalung bleibt davon unberührt.


Fazit

Der PC-Version von "Diablo III" mit all ihren unnötigen Schikanen, permanente Online-Pflicht und Echtgeldauktionshaus hatte ich mich noch erfolgreich verwehrt. Auf der Konsole fehlen diese Gegenargumente, so dass sich alle an den vielen positiven Aspekten des kurzweiligen Action-Rollenspiels mit seinem unverschämten Suchtpotenzial und Sammeltrieb erfreuen können. Trotz grafischer Defizite gelingt die Portierung vor allen Dingen in Sachen Steuerung erstaunlich gut. Das Nonplusultra der Hack&Slay-Garde sollte sich niemand entgehen lassen, insbesondere Koop-Besessene finden hier ihren heiligen Gral.

(26.09.2013)


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