Sly Cooper: Jagd durch die Zeit

 

Die Schleicher sind wieder gefragt: Nach "Dishonored" wagt sich Waschbär "Sly Cooper" nach langjährigem Tiefschlaf aus dem Bau fast vergessener Playstation-Exklusivtitel heraus. Die Entwickler von Sanzaru Games Inc. schaffen es dabei spielend, einen abwechslungsreichen und waschechten Sympathieträger abzuliefern.

Zeit-Paradoxon

Die Ausgangssituation von "Sly Cooper: Jagd durch die Zeit” erinnert stark an thematisch ähnliche Ausflüge zwischen den Generationen Zeiten, beispielsweise finden sich viele Parallelen zur Filmreihe "Zurück in die Zukunft". Eines hebt das neue PS3-Abenteuer aber dennoch hervor, es ist nämlich unwesentlich verrückter und kaum an Ernsthaftigkeit interessiert. Von Paris aus reist die tierische Bande, bestehend aus Waschbär Sly, Schildkröte Bentley und Nilpferd Murray per Zeitmaschine in verschiedene Epochen der Weltgeschichte. Aus Sly’ s Familienbuch Thievius Raccoonus verschwinden nämlich wie von Geisterhand komplette Seiten und Fakten werden verdreht. Durch diese Manipulation werden aus den berühmten Vorfahren früherer Epochen kurzerhand aus der Geschichte ausradiert. Schon nach kurzer Zeit zeichnet sich ab, dass Stinktier Cyrille Le Paradox und seine Schergen hinter dieser Zeitmanipulation stecken. Die Stationen sind klar: Ninja-Meister und Sushi-Erfinder Riochi im Land der aufgehenden Sonne, Wild-West-Cowboy in Tennessee, Waschbär Bob in der Steinzeit, Sir Galleth Cooper im mittelalterlichen England der Ritter-Ära sowie Salim Al-Kupar, einer der 40 Diebe des berühmten Ali Baba in Arabien. Insgesamt erstreckt sich die wahnwitzige Jagd über sieben Kapitel, gespickt mit lustigen Dialogen und Situationskomik am laufenden Band über eine lobenswerte Spieldauer von 15 bis 20 Stunden. In zahlreichen Zwischensequenzen wird das Geschehen dabei humorvoll in Spielgrafik sowie Zeichentrick präsentiert und strotzen nur so vor gelungenen Anspielungen auf bekannte Filme und Videospiele (z.B. Ice Age, Rocky, usw.).

Überladen und Spaß dabei

In erster Linie bleibt "Sly Cooper: Jagd durch die Zeit" wie auch die ausgezeichneten Vorgänger ein Jump´n´Run mit Schleichpassagen. Das ist aber noch nicht alles, denn dieser gewohnte Spielablauf wird durch unzählige Minispielchen aufgelockert. Und da streiten sich wohl die Geschmäcker, denn die Optimisten werden dem Titel großen Abwechslungsreichtum und Vielfalt zugutehalten, während die Pessimisten eine gewisse Überladenheit anprangern werden. Dabei nutzen die Entwickler ein vergessen geglaubtes Feature der Playstation 3, nämlich die Sixaxis-Steuerung. Zur Erinnerung: Mit dieser Steuerungsmöglichkeit können durch Neigen und Schütteln des Gamepad ohne Berührung der Tasten Aktionen ausgeführt werden. In diesem Fall wird eine Kugel an Hindernissen vorbei ins Ziel geführt, diese gehört neben einem Retro-Vertikal-Shooter und einer Tron-Variante zum Hack-Repertoire von Schildkröte Bentley. Die meisten eingebauten Minispiele kommen übrigens komplett ohne Sixaxis aus, mit Ausnahme des essentiellen Hüftschwungs bei den QTE-Tanzeinlagen oder einer denkwürdigen Trainingseinheit mit Steinzeit-Waschbär Bob. Diese unterhaltsame Passage stellt eine gelungene Hommage an den Film "Rocky" mit Schauspieler Silvester "Sly" Stallone dar - spielerisch wirkt der Abschnitt mit Reaktionstests wie Pinguin-Baseball oder Eier im Gleichgewicht zu halten eher wie ein Abklatsch von "Yeti Sports". Dabei richtet sich der Schwierigkeitsgrad durch deren simple Mechanismen in erster Linie an Einsteiger. Als richtig fordernd stellte sich dagegen das Bogenschießen auf dem historischen Jahrmarkt heraus, was auch dem etwas knapp bemessenen Zeitlimit des Spielchens zu verdanken ist.

Ausgangspunkt eines jeden Szenarios ist ein geheimer Unterschlupf: Von hier aus lässt sich die Spielfigur auswählen, entweder um einen Auftrag zu starten oder sich in der offenen Spielwelt ohne fest vorgegebenen Zielpunkt der Sammellust hinzugeben. Das geschieht nicht ganz ohne Hintergedanken, denn neben gut verteilten Schätzen, Flaschen und Masken können mit den erbeuteten Münzen im Unterschlupf neue Fertigkeiten erworben werden. Mit Ausnahme von Nilpferd Murray, der seine Opfer etwas unorthodox packt und kräftig ausschüttelt, schleicht man sich vorsichtig heran und erleichtert Münzbeutel nach Münzbeutel unbemerkt mit verlängertem Griff. Sly benutzt hierfür seinen Stab, während Bentley kurzerhand mechanische Arme ausfährt. Das funktioniert leichter als gedacht, was der beschränkten Intelligenz der tierischen Patrouillen wie zum Beispiel Kranichen, Igeln, Eulen, Stieren, Wildschweinen, Coyoten, Mammuts oder Säbelzahntigern, geschuldet ist. Deren Sichtfeld scheint extrem eingeschränkt zu sein, so ist es nämlich keine Seltenheit, dass man die Diebesbeute nicht nur von hinten, sondern auch direkt von der Seite aus einsacken kann. Fliegt der Beutezug trotzdem auf, geben die Verfolger viel zu schnell auf. Via Doppelsprung und Sprint ist das Problem jedoch schnell lösbar.

Abseits dieser Spielmechanik vermeidet man den Kontakt mit Lichtquellen wie Scheinwerfern, hält sich vornehmlich über Dächern, auf Hoch- und Drahtseilen auf, um den Patrouillen aus dem Wege zu gehen. Die Steuerung funktioniert mit Ausnahme weniger Kameraprobleme tadellos, auch weil man mit der Kombination von Sprung- und Greiftaste ohne Absturzgefahr nahe, blau schimmernde Punkte kinderleicht erreicht. Um weiter entfernte Punkte zu erreichen, beweisen etwa Sly's Paragleiter und Bentleys gleitender Rollstuhl ihre Nützlichkeit. Weitere Gadgets sind ferngesteuerte Autos und Helikopter.

Neben dem dreiköpfigen Hauptteam gesellen sich im Laufe der Geschichte noch weitere Spielfiguren hinzu. Immer wieder stößt Carmelita mit ihren Schusskünsten zur Truppe, jene kurzen Einlagen gestalten sich mit Ausnahme eines Bosskampfes leider ziemlich anspruchslos. In den jeweiligen Szenarien sind zusätzlich noch Sly's Vorfahren mit von der Partie. Diese müssen aber erst befreit werden, was nicht selten kostümiert vonstatten geht. Ein Paradebeispiel findet sich bereits früh im Spiel anhand der Befreiung des Ninja-Meisters Riochi, dabei werden zunächst den Wachen Teile für eine Rüstung geklaut. Mit diesem Kostüm ausgestattet, verliert Sly zwar vorübergehend seine Diebeskünste, der positive Nebeneffekt ist jedoch spielerischer Natur. Die Wachen salutieren fortan brav und Feuer ist auch keine Bedrohung mehr, da sie durch die Verkleidung in ihm keine Bedrohung mehr erkennen. Die Befreiung des gefangenen Vorfahren ist also nur noch eine Frage von wenigen Geschicklichkeitseinlagen. Als wichtig erweisen sich die besonderen Kostümfähigkeiten während der toll inszenierten Bosskämpfe, denn sowohl Tiger El Jefe, Elefant Miss Dezibel, Gürteltier Toothpick, Bär Grizz als auch der Schwarze Ritter verlangen taktische Vorgehensweisen. Wer die eindeutigen Verhaltens- und Angriffsmuster dieser Gegner beobachtet, wird schnell ein passendes Gegenmittel für einen erfolgreichen Kampf herausfinden. Es ist nur schade, dass der abschließende Endkampf eine Aneinanderreihung von Quicktime-Events ist.

Zur besseren Orientierung stellt das Spiel neben der frei drehbaren Kamera in der übersichtlichen Spielwelt gleich mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Am unteren rechten Bildschirmrand befindet sich eine Minikarte, die große Übersichtskarte ist per Select-Taste jederzeit abrufbar. Mit einem Druck auf den L3-Stick erscheint unter dem jeweiligen Charakter ein dezenter Kompass und der R3-Stick lässt den Sichtkommunikator inklusive Zoomfunktion erscheinen. Fortgeschrittene und Profis werden sich zeitweise unterfordert fühlen, dem angenehmen Spielfluss ohne Frustgefahr sollte dies aber keinen Abbruch tun. Fair verteilte, automatische Rücksetzpunkte lassen sowieso keinen Ärger aufkommen, selbst wenn ein Ziel einmal um Haaresbreite verfehlt wurde. Praktischerweise lassen sich die Schauplätze und Aufträge selbst im weit fortgeschrittenen Spielfortschritt vom Unterschlupf aus nochmals absolvieren.

Cross-Features

Besitzer von Playstation 3 sowie Playstation Vita dürfen sich über Cross-Features freuen und sich als PS3-Besitzer die Vita-Version ohne Zusatzkosten gratis herunterladen. Durch die Cross-Save-Funktion kann das Abenteuer auf beiden Plattformen mit dem gleichen Speicherstand gespielt werden. Beim Verkaufsstart der US-Version zeigten sich hierbei noch technische Probleme, die bei der vorliegenden deutschen Version allerdings nicht mehr auftreten sollen. Praktisch: Mit der Vita lassen sich geheime Schätze der PS3-Version finden, der Handheld wird dann als Röntgenbrille genutzt.

Bunte Zeitreise

Grafisch hinterlässt das farbenfrohe Action-Adventure einen guten Gesamteindruck. Die abwechslungsreichen Schauplätze mit ihren wundervollen Hintergrundbildern passen einfach zum jeweiligen Thema, sympathische Figuren inklusive witziger Animationen und verschiedene, teilweise zerstörbare Objekte fügen sich wunderschön zueinander und sind mit viel Liebe zum Detail wie ein bunter Zeichentrickfilm gestaltet. Das gelungene Zusammenspiel aus gewollt übertriebenen Gesten und Gesichtsausdrücken ist da ein weiterer Höhepunkt, so lassen sich jederzeit der Gemütszustand sowie die jeweilige Aktion nachvollziehen. Folglich sind Schmunzler und lautes Gelächter bei dieser geballten Charme-Offensive einfach nicht zu vermeiden. Überhaupt ist in der Spielwelt ziemlich viel los, überall lauern wilde Tiere und huschen Kleinstlebewesen in ihren zugewiesenen Statistenrollen durch das Bild. In Arabien sausen fliegende Teppiche durch die heiße Wüstenluft, eine Lokomotive fährt die Schienen im Wilden Westen ab oder Flugsaurier kreisen am Himmel des Steinzeitalters. Dass das Geschehen größtenteils so flüssig und ansehnlich läuft, schlägt allerdings mit sehr langen und häufigen Ladepausen zu Buche. Als beinahe schon obligatorisches Problem fallen weiterhin vermeidbare Clipping-Fehler auf, insbesondere wenn Gegner eigentlich unentdeckt hinterrücks bestohlen werden, die Spielfigur diesen aber im wahrsten Sinne des Wortes deutlich sichtbar auf dem Schwanz steht.

Der gute Ton macht die Musik

Auch akustisch macht "Sly Cooper: Jagd durch die Zeit" einiges her, auch wenn die hervorragende deutsche Sprachausgabe nicht immer ganz lippensynchron ist. Dafür setzt die Vertonung gelungene Akzente, die noch mehr zum Flair beitragen: Bösewicht Le Paradox spricht mit hochgestochenem französischen Akzent, Cowboy Tennessee Cooper wie ein harter Western-Pistolero, während Steinzeit-Untier Bob nur unverständliches Grunzen von sich gibt. Selbst die Musikuntermalung passt sich dem jeweiligen Thema an. Es macht einfach verdammt viel her, wenn im Wilden Westen die dazu passende Country-Musik oder im arabischen Morgenland orientalische Klänge ertönen. Soundeffekte wie klimpernde Münzen, wuchtige Schlaggeräusche und die dynamische Hervorhebung von Schleichpassagen fügen sich sehr gut in das durchdachte audiovisuelle Erlebnis ein.

  

Fazit

Man benötigt sicherlich keine Zeitreise, um absehen zu können, dass "Sly Cooper: Jagd durch die Zeit" eines der humorvollsten und abwechslungsreichsten Abenteuer des Spieljahres 2013 sein wird. Das sympathische Team gewinnt durch die spielbaren Vorfahren sowie cleveren Kostüme deutlich an Variation. Auch die einfallsreiche Geschichte mit ihren witzigen Dialogen und Anspielungen motiviert bis zum Ende. Die Entwickler beweisen viel Fantasie, die Serie scheint also auch bei Sanzaru Games Inc. in guten Händen zu sein.

(22.04.2013)

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