Anomaly - Warzone Earth (11 Bit Studios) geschrieben von Kevin Krüger
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Das Genre "Tower-Defense", ein Ableger der sogenannten Echtzeitstrategie, ist mittlerweile anerkannter Teil des Videospiel-Marktes. Spätestens mit dem innovativen Indie-Erfolgstitel "Defense Grid: The Awakening", entwickelt von Hidden Path Entertainment, gelang dem Sub-Genre der Durchbruch. Anders als ihre Kollegen gingen jedoch 11 Bit Studios an die Sache heran, indem sie in ihrem futuristischen Debüttitel "Anomaly - Warzone Earth" den Spieß umdrehten. Der Spieler soll nicht die Kontrolle über die Defensive übernehmen, sondern als aus der Vogelperspektive gesteuerter Befehlshaber die heranstürmenden Einheiten auf dem Feld mit Power-Ups unterstützen und die Planung des Weges vornehmen. Das Spielprinzip bietet bereits innovative Aspekte, aber ob es dabei bleibt und ob die Umsetzung der Idee gelungen ist, werde ich in einem Review für DLH.net erläutern. E. T. greift an Im Jahr 2018 stürzen zwei große Wrackteile außerirdischen Ursprungs mitten in Bagdad und Tokio ab. Innerhalb weniger Minuten bilden sich um beide Wracks Energiefelder von mehreren Kilometern Durchmesser. Diese Anomalien genannten Kuppeln verhindern sowohl Kommunikation als auch Einsicht in die Geschehnisse innerhalb der Kraftfelder und verhindern ein Eindringen in die Katastrophenzone. In den besetzten Stadtteilen vernichten die von Bord der Wrackteile stammenden Fremdlinge alles und jeden. Der Spieler wird als Kommandeur einer britischen Militäreinheit durch eine entdeckte Schwachstelle in die in Bagdad befindliche Kuppel entsandt, um die Beseitigung der Störenfriede einzuleiten. Seek and Destroy Die erste Mission beginnt mit kleinen Teilen des Tutorials, das nahtlos in das Spiel integriert wurde und innerhalb weniger Missionen nebenher die zur Verfügung stehenden Maßnahmen erklärt. Hier offenbart sich bereits die erste Schwachstelle des Spiels, denn das Tutorial lässt sich weder abschalten noch ignorieren, und so muss in dessen Rahmen alles exakt auf die vorgeschriebene Weise in die Tat umgesetzt werden. Die eigentliche Karte ist in jedem Fall ein anderer, fest begrenzter Teil der Stadt. Die ersten Schritte beinhalten die Erklärung der taktischen Karte, die schemenhaft dargestellt, in Blau gehalten, denkbar einfach strukturiert und das wichtigste Werkzeug ist. Der Weg, den die Einheiten automatisch nehmen werden, ist hier als weiße Linie eingezeichnet und führt über die Straßen der Städte. Umgestürzte Gebäude und etwaige Überraschungen in Form von waffenstarrender Alien-Technologie zwingen gegebenenfalls zur Änderung der Route oder Strategie. Vorgeschrieben sind dabei nur der Abwurfpunkt der Einheiten beziehungsweise Einmarschpunkt in die Karte, der Zielort, einige durch Hindernisse verbaute Straßen und die zu erfüllenden Missionsziele. Der genaue Weg, auf dem sich das Platoon über die kartografierte Stadt bewegt, bleibt dem Spieler überlassen. Festlegen kann er diesen nach Aufruf der taktischen Karte durch einfachen Klick auf dargestellte Knotenpunkte, die sich beispielsweise an Straßenkreuzungen ergeben können. Dieses Feature wurde sehr einfach gehalten, damit die Route auch im Falle einer unvorhergesehenen Änderung der Umstände schnell und dynamisch geändert werden kann, um der Action nicht zu schaden. Ein Klick auf einen Knotenpunkt lässt ihn durch die möglichen Richtungen schalten, in die sich der untrennbare und nur selten stoppende Konvoi von diesem Punkt aus weiterbewegen kann. Welche Einheiten sich in dem Schlachtzug von bis zu sechs Fahrzeugen befinden, ist je nach Mission auf die eine oder andere Weise vorgeschrieben, aber auch des Öfteren die Qual der Wahl des Befehlshabers. Umsonst gibt es jedoch auch hier nichts - Krieg gegen Außerirdische ist teuer und für jede Mission wird nur eine begrenzte Summe zur Verfügung gestellt, die durch Abschüsse und Einsammeln von "Carusaurum", einer nicht näher definierten Ressource, aufgestockt werden kann. Genutzt werden können gesammelte Gelder für das Aufrüsten der bereits vorhandenen Truppen oder den Kauf neuer Einheiten, die direkt am derzeitigen Aufenthaltsort der Truppe und ihrer vorgesehenen Position im Konvoi abgeworfen werden. Die Truppenformation ist frei bestimmbar und eine gute Hilfe, um schwächer gepanzerte oder beschädigte Einheiten vor Beschuss zu schützen. Weiterhin birgt sie durch Einheiten wie den Schildgenerator, der je eine Einheit direkt vor und hinter sich und sich selbst mit einem zerstörbaren, individuellen Kraftfeld schützt, weitere taktische Möglichkeiten. Der Kommandeur selbst trägt eine Art leicht gepanzerten Kampfanzug, der einige nette Sonderfunktionen in sich birgt - Lockvögel, Rauchbomben, Bombenabwürfe und Reparaturmaßnahmen können abgeworfen beziehungsweise eingeleitet werden. Dazu muss man allerdings erst einmal die entsprechenden Pickups besitzen, die zu einem Teil von Verbündeten abgeworfen, zum anderen zu Beginn der Mission mitgebracht werden, und den Befehlshaber an den gewünschten Zielort schicken, was ein gewisses Risiko birgt, da die Mission natürlich mit dem Tod desselbigen scheitert. Angreifen kann der Spieler selbst also nur indirekt, dennoch ist aber seine Unterstützung für die Truppe unentbehrlich, denn auch auf dem niedrigsten der drei zu Beginn jeder Mission auswählbaren Schwierigkeitsgrade teilen die Türme der Aliens ordentlich Schaden aus. Die einzelnen Schwierigkeitsstufen unterscheiden sich lediglich in dem Schaden, den gegnerische Treffer bei den eigenen Einheiten verursachen, doch auch diese scheinbar minimale Abweichung sorgt für einen deutlich merkbaren Unterschied. Steuerungsprobleme sollte es in diesem Spiel keine geben, denn Anomaly kann mit Maus, mit Tastatur, einer Kombination aus beiden und Gamepads gespielt werden; Xbox-360-Controller sind sogar von Haus aus unterstützt und werden direkt vorkonfiguriert, alle Funktionen können aber auch manuell auf andere Tasten gelegt werden. Des Weiteren benötigt man nur wenige Tasten, wodurch man stets die volle Kontrolle behält. Die allgemeinen Einstellungen umfassen lediglich auf zehn Stufen regelbare Sprach-, Geräusch- und Musiklautstärke sowie wählbare Auflösung, fünf verschiedene Stufen für die Grafikqualität und Auswahl der Menü- und Untertitelsprache. Der Spielfortschritt wird automatisch nach Abschluss einer Mission gespeichert, innerhalb der Missionen passiert die Truppe Checkpoints, von denen aus nur im direkten Anschluss wieder gestartet werden kann - für diesen Titel muss man sich also die Zeit nehmen, den Level auch zu Ende zu führen. Der Spieler kann im Laufe der Missionen verschiedene Medaillen erringen, Highscores aufstellen und sich anhand dieser mit der Konkurrenz online messen. Der Storymodus von Anomaly bringt etwa zehn Stunden Spielzeit mit, zusätzlich gibt es noch die im Laufe der Missionen freigeschalteten Modi "Bagdad Inferno" und "Angriff auf Tokio", die ebenfalls ein großes Potenzial aufweisen. In beiden Spielmodi wird der Commander mit ein wenig Geld in einen Teil der jeweiligen Stadt geworfen und muss mithilfe eines zusammenstellbaren Einsatzkommandos innerhalb eines bestimmten Zeitfensters festgelegte Ziele zerstören. Ist das erste von Türmen bewachte Ziel dem Erdboden gleichgemacht, taucht irgendwo auf der Karte ein neues auf und man erhält erneut ein gewisses Zeitfenster zur Zerstörung. Dazu muss nicht jeder Turm, der das Ziel bewacht, ausgeschaltet werden, jedoch wird der Weg zum Erfolg nach und nach schwieriger, wenn man Türme übrig lässt. Die Anzahl der Wiederholungen dieser Prozedur geben eingeblendete Zähler vor Einzug auf das Schlachtfeld und im kaum vorhandenen Benutzerinterface vor - das Endergebnis kann genau wie im Storymodus online mit denen anderer Spieler verglichen werden. Uniform sitzt Die 3D-Grafik von "Anomaly - Warzone Earth" an sich ist nicht auf dem neuesten Stand, kann sich jedoch durchaus sehen lassen. Effekte, wie Explosionen, Nebel, Rauch und Energiefelder, sind eindrucksvoll dargestellt. Zerstörungsspuren in den Städten wirken weder eintönig noch künstlich und sowohl von der Erde als auch aus dem All stammende Einheiten und Gebäude sind auch dank farblicher Kennzeichnung deutlich unterscheidbar, wodurch das Spielgeschehen nie unübersichtlich wird. Ebenfalls gut umgesetzt wurde das Spiel von Licht und Schatten in Häuserschluchten. Dieses sorgt in Verbindung mit den Effekten für ein ansprechendes Gesamtbild. Sir, ja Sir! Musikalisch steckt in Anomaly genau das, was einem Spiel dieser Art den letzten Schliff verleiht - nicht zu eintönige, aber auch nicht zu aufdringliche Musik, die das militärische Flair in Verbindung mit den Meldungen der Einheiten zu einem realitätsnahen Ganzen zusammenfügt. Die Sprachausgabe ist vollständig in Englisch, Untertitel sind jedoch in sechs Sprachen, wenn auch mit Übersetzungs- und Tippfehlern, vorhanden und gegebenenfalls abschaltbar. 11 Bit Studios haben meiner Meinung nach ganze Arbeit geleistet. Die Missionen sind abwechslungsreich, erfinderisch und durchaus fordernd. Der Name "Casual", auf Deutsch locker oder beiläufig, ist, denke ich, für den niedrigsten Schwierigkeitsgrad jedoch nicht sehr passend gewählt, denn "Anomaly" ist auch auf dieser Einstellung nicht unbedingt ein Titel, den man nebenher und völlig unkonzentriert mal eben durchspielen kann. Die innovativen Einheitentypen sorgen für vielfältige taktische Möglichkeiten und erlauben jedem seinen persönlichen Lösungsansatz. Perfektionisten können auch, um in jedem Level eine Medaille für Gnadenlosigkeit zu erlangen, jedes einzelne Stück außerirdischer Technologie zerstören und, wenn das Spiel nicht schwer genug sein kann, es ebenso auf eine Medaille für Missionserfolg ohne Verluste ankommen lassen. Anomaly weist durch den Online-Wettbewerb und die zusätzlichen Spielmodi ebenfalls einen hohen Langzeit-Spaßfaktor und Wiederspielwert auf, was gemeinsam mit dem für einen Titel dieser Preisklasse bereits angenehm langen Storymodus dieses Spiel sogar bereits direkt nach Erscheinen zu einem waschechten Budget-Knaller macht. Begeisterte Tower-Defense Spieler sollten sich das dynamische Action-Spektakel "Anomaly - Warzone Earth" ebenso wenig entgehen lassen wie Strategieverrückte und Indie- oder Innovationsfreunde. (28.04.2011)
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