Ankh

Ankh

(bhv Software)

geschrieben von Christian Graser

 

Wer kennt das nicht? Die Eltern sind über das Wochenende verreist, der kleine Bruder bei der Oma und die Haustiere bei den Nachbarn. Jetzt flugs ein paar Freunde eingeladen und einer zünftigen Party steht nichts mehr im Weg. Doch wehe, es geht etwas zu Bruch! Dann macht sich schnell Panik breit und man versucht, das Unglück, so gut es geht, vor der heimkehrenden Familie zu vertuschen. Genau dieses Problem hat Assil, der Hauptcharakter des Adventures "Ankh", nur in deutlich größerer Form.

Verflucht sollst du sein!

Als Sohn eines Pyramidenbauers hat Assil leichten Zugang zu den Schlüsseln dieser beeindruckenden Bauwerke und veranstaltet deshalb mit einigen Freunden eine Gruselparty in der Grabkammer eines Pharaos. Unglücklicherweise gehen dabei ein paar Vasen zu Bruch, was den mumifizierten Herrscher auf den Plan ruft. Dieser spricht auf Assil einen Todesfluch aus, verliert dabei jedoch das namengebende Ankh (das ägyptische Symbol für Leben, welches der Pharao an einer Kette trägt) und zerfällt daraufhin zu Staub. Zu allem Übel erhält Assil von seinem wenig erfreuten Vater, für den die Geschichte des Fluchs nur ein weiteres Hirngespinst seines Sohnes ist, auch noch Hausarrest. Hier kommen wir als Spieler erstmals zum Zug. Wir befinden uns in Assils Zimmer im alten Ägypten, zu Zeiten von Pharaonen, Moses, dem Auszug der Israeliten und der Bananenprohibition, und müssen einen Weg finden, Assil von seinem Fluch zu befreien. Da "Ankh" ein waschechtes 3D-Adventure mit wechselnden vorgegebenen Kameraperspektiven ist, sehen wir die erste Szene von schräg oben. Angst und die Erinnerung an die verkorkste Steuerung von "Grim Fandango" oder "Monkey Island 4" machen sich breit, werden jedoch sofort wieder zerstreut. Den Entwicklern sei Dank lässt sich "Ankh" vollständig mit der Maus bedienen - ein klassisches Point&Click-Adventure in zeitgemäßer 3D-Optik.

Von Meuchelmördern und Basaren

Mit einem Linksklick lassen wir Assil einen Gegenstand betrachten oder bewegen ihn zu einem bestimmten Ort. Mit der rechten Maustaste sammeln wir Items ein, sprechen mit anderen Personen oder benutzen Objekte. Das Inventar ist am oberen Bildschirmrand eingeblendet, neue Dinge, derer Assil sich bemächtigt, erscheinen direkt neben den anderen. Da wir selten mehr als zehn verschiedene Gegenstände mit uns herumtragen, bleibt das Inventar stets schön übersichtlich. Ziemlich schnell gelingt Assil die Flucht aus dem Elternhaus auf die Straße, wo er zwei frisch diplomierte Meuchelmörder trifft. Im Gespräch mit ihnen werden gleich zwei Stärken von "Ankh" deutlich: der tolle Humor und die ausgezeichneten Synchronsprecher. Die gewünschten Antworten wählen wir einfach per Mausklick aus einer Liste aus, wobei es sich empfiehlt, auch weniger logisch erscheinende Sätze auszuprobieren, da diese entweder für zusätzliche Informationen, meist aber für breites Grinsen sorgen.

Die Möchtegern-Meuchler erklären uns so bereitwillig, dass Assil nicht sterben kann, wir aufgrund eventueller Schlamperei der Programmierer regelmäßig speichern sollten, und das offizielle Lösungsbuch, ohne welches das Spiel nicht zu schaffen ist, zum Vorzugspreis auf der Homepage erwerben können. Außerdem dementieren die beiden - nachdem sie Assil um sein gesamtes Vermögen (ein Silbertaler) gebracht haben - dass in "Ankh" keine Farb- oder Klangrätsel vorkommen, aber dazu später mehr. Um wieder an sein Erspartes zu kommen, soll unser Held den beiden einen Snack für Zwischendurch besorgen, und wir haben erstmals die Möglichkeit, in den turbulenten Alltag von Kairo einzutauchen. An jeder Ecke laden interessante Charaktere zum Plausch ein oder sind Gegenstände vor unserer Neugier nicht sicher. Wie in Adventures üblich, empfiehlt es sich auch in "Ankh", mit jedem Charakter zu reden und alles einzupacken, was nicht niet- und nagelfest ist. Damit wir nicht den Überblick über das verlieren, was zu tun ist, können wir mit der Tabulator-Taste eine Übersicht über alle momentan zu erledigenden Dinge einblenden - hilfreich vor allem für Adventure-Neulinge. Erfreulich ist auch das Design der Story und der Rätsel. So führt uns die Handlung so elegant durch die fünf Kapitel, dass wir zu keinem Zeitpunkt an einen Gegenstand gelangen, den wir momentan nicht benutzen können, der später aber "freigeschaltet" wird, weil er ab einem bestimmten Punkt wichtig für das Weiterkommen in der Geschichte ist - hier können die Macher von "Runaway" noch etwas lernen.

Leichte Rätselkost

Neben der Story entscheiden vor allem die Rätsel über den Spielspaß, den ein Adventure bietet. "Ankh" zielt hier eher auf Einsteiger als auf Adventure-Experten - letzteren dürften die Rätsel meist zu einfach sein. Um in der Handlung voranzuschreiten, ist häufig nur der richtige Gegenstand oder die Kombination von zwei Objekten notwendig, selten sorgen längere Rätselketten für rauchende Köpfe. Dafür, dass kaum Frust aufkommt, ist das saubere Rätseldesign des Spiels verantwortlich. Es gibt keine unfair versteckten Gegenstände, die meisten Rätsel sind logisch aufgebaut, nur hin und wieder wird nach einer abwegigen Lösung verlangt. Wer auf Assils Kommentare achtet, wird sich bei vielen Rätseln etwas leichter tun. So verrät uns seine Aussage beim Betrachten einer Abfallgrube - "Hier möchte ich nicht reinfallen." - dass wir auf diesem Weg den lästigen Türsteher am VIP-Eingang des Palastes beseitigen können.

Nach einem kurzen Abstecher in den Nil, bei dem wir Bekanntschaft mit einem Exemplar der gefürchteten, aber wenig intelligenten Spezies Krokodil gemacht haben, landen wir in der Wüste, von wo aus wir Zugang zu einigen neuen Schauplätzen haben. Die für die Lösung eines Rätsels benötigten Gegenstände befinden sich meist nur ein bis zwei Bildschirme weit entfernt, was uns eigentlich lange Laufwege ersparen soll. In der Praxis fallen diese jedoch häufig an, was aber durch einen Doppelklick (Assil läuft schneller) oder in der Wüste durch einen Klick auf das Symbol des Fährmanns am unteren Bildschirmrand (bringt uns sofort zum Fluss zurück) gemindert wird. Einzig die ständigen Nilüberfahrten nerven auf Dauer - da hilft es auch nicht, dass unser Bootsmann ein antiker Gangsta ist, der durch Tunen und Tieferlegen seines Kahns die Mädels beeindrucken will.

Eine Frage des Charakters

Etwa nach dem ersten Drittel des Spiels bekommen wir Unterstützung durch Thara, eine Araberin, die die totalitäre Herrschaft des Pharaos untergraben will. Als Dank für ihre Befreiung aus dem örtlichen Gefängnis begleitet sie Assil auf seiner Suche nach einer Möglichkeit zur Aufhebung des Fluchs. Von nun an können wir jederzeit zwischen den beiden Charakteren wechseln - ähnlich wie bei "Day of the Tentacle". Leider ist das Zusammenspiel der beiden nur bei wenigen Rätseln notwendig, hier hätte man noch mehr draus machen können. Die im Handbuch beschriebene Möglichkeit, Gegenstände zwischen den Hauptfiguren auszutauschen, wird nicht einmal benötigt. So begleitet uns Thara nur im Tempel des Pharaos und schließt sich später drei Israeliten an, die auf den Auszug aus Ägypten warten.

Eben solche merkwürdigen und witzigen Charaktere sind es, die den Charme von "Ankh" ausmachen und an längst vergangene Adventure-Zeiten anknüpfen. So erfahren wir beispielsweise auf dem Basar, dass Moses ein erfolgreicher Fußballer ist und sich gerne in den Mittelpunkt drängt. Er wurde sogar schon in der Wüste gesichtet, wo er mit Büschen gesprochen haben soll. Diese Gespräche (hier zwischen einem Sklavenhändler und seinem letzten Sklaven) laufen im Hintergrund ab, während sich Assil auf dem Basar anderen Dingen widmen kann. Meist hielten wir jedoch inne und lauschten dem ganzen Dialog, ehe wir mit uns mit einem Schmunzeln im Gesicht wieder ans Werk machten. Auch die vielen Anspielungen, mit denen "Ankh" andere Adventures oder Filme auf die Schippe nimmt, wissen zu gefallen. Spieler, die populäre Genrevertreter wie "Monkey Island", "Indiana Jones" oder "Day of the Tentacle" kennen, werden durch kleine Anekdoten immer wieder zum Lachen gebracht - "Ankh" hat einen Humor, der fast mit den alten Lucas-Arts-Titeln mithalten kann. So haben wir entgegen der Behauptung der Meuchelmörder doch ein (sehr einfaches und ironisch aufgemachtes) Farb- und Klangrätsel zu lösen, und auch die plötzlich auftauchende Lebensenergieanzeige trägt nicht unbedingt zu unserer Beunruhigung bei.

Augen- und Ohrenschmaus

"Ankh" erstrahlt in sehr hübscher und bunter 3D-Grafik, welche das Flair des antiken Ägyptens sehr gut vermittelt. Die Hintergründe, vor allem die Straßen und Häuser in Kairo, sind schön exotisch und mit viel Liebe zum Detail dargestellt. Die Charaktere sind ebenfalls liebevoll und einfallsreich, egal ob das der schusselige Flaschengeist ist, der in der Quelle eines Wasserfalls steht, oder Bakschisch, der dicke Händler, der lautstark seine Sphinx-Souvenirs anpreist. Durch die Gestaltung mit vielen satten Farben und dem erfrischenden Blau der Gewässer macht sich sofort Urlaubsstimmung breit - in der Wüste unter der gleißenden Sonne fängt man fast das Schwitzen an. Leider können die Animationen der Charaktere dieses hohe Niveau nicht halten. Zu abgehackt bewegen sich die Figuren, gleiten Treppenstufen hoch oder schweben neben den eigentlichen Pfaden oder Brücken. Bei anspruchsvollen Animationen, beispielsweise wenn Assil eine Leiter erklimmt, blendet die Kamera oft direkt zum Resultat, weshalb man die Charaktere meist nur stehend oder gehend sieht. Gut wurde hingegen das Thema Kameraschwenks angegangen - oftmals ein Problem in 3D-Adventures. Meist ist die Perspektive gut gewählt, so dass wir alle wichtigen Örtlichkeiten im Blick haben. Bewegt sich Assil durch die einzelnen Schauplätze, folgt die Kamera sanft, ohne dass die Übersicht leidet.

Ein ganz besonderes Lob gebührt "Ankh" für die hervorragenden Synchronsprecher. So kommen wir unter anderem in den Genuss der deutschen Stimmen von Ben Stiller, John Cleese oder Renée Zellweger. Man merkt den Sprechern an, dass sie Spaß beim Vertonen hatten, denn die Dialoge klingen alle sehr passend und erfrischend anders. Einzig die Stimme von Osiris ist unglücklich gewählt - für einen Gott ist sie zu unscheinbar und friedlich. Aufgrund der hervorragenden Sprachausgabe ist es eigentlich überflüssig, die Untertitel zuzuschalten, doch kommt man aufgrund weniger nicht vertonter Stellen teilweise nicht drum herum. Hin und wieder haben sich in die Untertitel Rechtschreibfehler eingeschlichen und an manchen Stellen passen sie nicht zum Gesprochenen. Die Hintergrundmusik ist sehr stimmig und fügt sich nahtlos ins Spielgeschehen ein. Die orientalischen Klänge reichen von idyllisch über geschäftig bis hin zu dramatisch, werden bei Dialogen oder Gesprächen im Hintergrund unauffällig leiser. Ist Assil hingegen in der Wüste unterwegs, fährt der orchestrale Sound wieder zu Höchstleistungen auf, was für sehr viel Atmosphäre sorgt. Das Titellied ist ein richtiger Ohrwurm und muss sich keineswegs hinter denen von "Monkey Island" oder "Runaway" verstecken.

Minimale

- Windows XP/2000, DirectX 9.0c

- Pentium 1,5Ghz oder höher (oder vergleichbarer AMD)

- 256 MB Ram

- Grafikkarte mit mind. 64 MB

- 4-fach CD-Rom/DVD-Rom

- mind. 700 MB freier Festplattenspeicher

- Soundkarte (DirectX-kompatibel)

Entwickler: Deck 13
Publisher: bhv Software
Genre: Adventure
Releasedate: Bereits erhältlich
Homepage: Ankh
Preis: 39,99 €
Altersfreigabe: Freigegeben ohne Altersbeschränkung gemäß §14 JuSchG

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Fazit

   "Ankh" ist ein sehr schönes, witziges Adventure, das vor allem durch seinen Humor und die ausgefallenen Ideen und Charaktere besticht. Wenn in der ganzen Stadt Bananen verboten sind, aus Angst, jemand wirft den Sänftenträgern des Pharaos erneut die Schalen vor die Füße, und sich dieses Klischee durch das ganze Spiel zieht, so fühle ich mich wohltuend an die alten Lucas-Arts-Titel erinnert. Doch "Ankh" versucht nicht nur an alte Zeiten anzuknüpfen. Durch die schöne 3D-Grafik - kombiniert mit der klassischen Point&Click-Steuerung - und die ausgezeichnete Vertonung setzt es neue Maßstäbe, was die Präsentation eines Adventures angeht. Mit einer Spieldauer von zehn bis zwölf Stunden und dem leider nur kurzen Gastspiel des zweiten Charakters, Thara, hat Deck 13 seine Möglichkeiten jedoch nicht voll ausgeschöpft - hier wäre noch mehr drin gewesen. Sollte mir demnächst ein Flaschengeist begegnen, der noch im Dienst ist, hätte ich schon drei Wünsche für den Nachfolger: Mehr Umfang, schönere Animationen, knackigere Rätsel. Damit würde "Ankh" dann endgültig ganz oben mitmischen. (17.11.2005)


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