Just Cause

Just Cause (Xbox 360)

(Eidos)

geschrieben von Bernd Wolffgramm

 

Vergessen ist alle Realität

Die Annahme, dass es richtig ist, dass in Actionspielen alle Naturgesetze aufgehoben werden, ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Gamer diese Art von Computerspielen überhaupt als interessant empfinden können. Jemand, der nach dem tieferen Sinn von Medipacks oder multiplen Leben fragt, jemand, der darüber nachgrübelt, ob ein Sprung in eine 50 Meter tiefe Schlucht nicht doch zumindest eine kleine Knöchelverletzung bei dem Helden hätte hervorrufen müssen, wird kaum Freude an einem Actiongame empfinden können. Auch in "Just Cause" ist diese Verneinung der Realität ein wichtiger Faktor der Glückseligkeit, denn wenn der Spieler sich fragt, ob es wohl möglich ist, sich mit einer Hand am Rumpf eines fliegenden Hubschraubers festzuhalten, wird er nur schwerlich einen Zugang zu diesem Spiel finden.

Ein Latinohengst auf Geschäftsreise

Denn genau dieses oder ähnlich gewagte Manöver führt der Held des Spiels ziemlich häufig aus. Sein Name ist Rico Rodriguez, er ist immer in Schwarz gekleidet und nur rein zufällig sieht er einem gewissen Antonio Banderas im Film "Desperados" etwas ähnlich. Er kommt auf die fiktionale Insel San Esperito, um dem korrupten Diktator Salvador Mendoza ein Ende zu setzen, der sich auf diesem wunderschönen Eiland mit Hilfe der Montano-Drogen-Bande an der Macht hält. Der Latinoheld wird begleitet von einem Hawaiihemden tragenden Typen namens Sheldon, der in dem Spiel dafür da ist, spanische Phrasen wie "El Presidente" zu näseln sowie einer vergleichsweise gebildeten jungen Frau namens Kane, die vermutlich nicht nur eine gemeinsame berufliche Geschichte mit Rico verbindet. Wie bereits erwähnt, ist es nun die Aufgabe von Rico, den Präsidenten zu stürzen, wobei er dabei auch auf die Hilfe der "People's Revolutionary Army of San Esperito", einer Widerstandsgruppe, zählen kann. Dass der Held bei der Wahl seiner Partner nicht besonders wählerisch ist, zeigt die Tatsache, dass er auch mit einer rivalisierenden Drogenbande Geschäfte macht. Und so beginnt eine Geschichte voller Attentate, Spionage und vielen dunklen Geschäften.

Fortbewegung

San Esperito ist eine Insel, die trotz einiger städtischer Bereiche, eines Hafens, eines Flughafens und ein paar militärischer Einrichtungen weitgehend aus wildem Urwald besteht. Wie groß die Insel ist, kann man nicht genau sagen, denn nur wenige Szenen spielen im Wald. Dennoch hat man das Gefühl, als ob alles organisch zusammenpasst, und die Landschaft sieht überall eindrucksvoll aus. Davon bekommt man gleich am Anfang des Games einen guten Eindruck, wenn der Held aus einem Flugzeug der Insel entgegenspringt. Und schon in dieser Szene wird klar, was es bedeutet, die Realität außer Kraft zu setzen. Während des Sprungs aus dem Flugzeug kann man auf Knopfdruck den Fallschirm öffnen und hat die Möglichkeit, durch leichte Korrekturen des Falls Rodriguez sicher zur Erde zu geleiten. Das ist nun nichts Ungewöhnliches. Drückt man allerdings den Knopf ein weiteres Mal, dann öffnet sich der Fallschirm noch einmal, und das ist zumindest interessant. Ist Rico erst einmal am Boden, kann er wie in "GTA“ alle erreichbaren Fahrzeuge steuern. Und hier gibt es nun einen Unterschied zur PC-Version des Spiels, in der nur sehr schwierig manövriert werden kann: Die Fahrzeuge schweben auf der Straße; es sieht fast so aus, als ob sie über einen Spurstabilisator verfügen, der Rico die Möglichkeit lässt, während der Fahrt etwas anderes zu tun. Er kann auf andere Fahrzeuge springen, um diese zu übernehmen oder aber seinen Fallschirm "zünden", was ihn wieder sicher in die Luft bringt. In einer späteren Mission bekommt Rico dann auch noch eine Grabbling Gun, mit der er sich an andere Fahrzeuge heranziehen kann. Wenn ihm dies gelingt, öffnet sich automatisch der Fallschirm und er folgt den anderen Fahrzeugen in Paragliding-Manier. Und wie schon eingangs erwähnt: Das funktioniert auch mit Hubschraubern. Leider bedarf dieses Paragliding einiger Übung und während des Gleitens erscheinen einige Kontext-Buttons auf dem Bildschirm, die rechtzeitig gedrückt werden müssen - und diese Knöpfe ändern sich ab und zu von Fahrzeug zu Fahrzeug. Auch hier nimmt man es mit der Realität nicht so genau – es ist zum Beispiel möglich, per Knopfdruck vom Heck eines fliegenden Hubschraubers durch den Rotor hindurch in das Cockpit zu springen. Letztlich sind es aber auch solche verrückten Fallschirmmanöver, die die relativ kurzen Missionen so "bunt" machen, weil durch sie immer etwas Spektakuläres geschieht.

Steuerung

Bei Konsolenspielen ist die Steuerung immer einer der entscheidenden Aspekte, ob das Game spielbar ist oder nicht. Über die Steuerung der Fahrzeuge wurde oben schon gesprochen; durch die "Stunt Position" bleiben die Vehikel ziemlich spurtreu und lassen sich einfach auf der Straße halten. Das ist zum Beispiel in der PC-Version anders, dort muss man für das Führen von Fahrzeugen wesentlich mehr Energie aufbringen, damit sie überhaupt auf der Straße bleiben und nicht wie auf Eis "herumeiern". Ganz nebenbei sei noch erwähnt, dass diese Fahrten manchmal waaaaaahnsinnig lang sind. Die Bewegung des Spielers am Boden ist wie auch bei anderen 3rd-Person-Shootern auf Konsolensystemen angelegt. Mit dem linken Stick steuert man die Laufrichtung und mit dem rechten bewegt man die Kamera. Über den linken Stick erfolgt dann ebenfalls das Zielen, auch hier gibt es Unterschiede zur PC-Version. Während die Konsolenversionen über ein Auto-Aiming verfügen, muss der PC-Zocker dies selbst bewerkstelligen.

Grafik und Sound

"Just Cause" muss sich in puncto Grafik hinter keinem Konkurrenten verstecken. Bei der XBoX360-Version sind die Bilder brillant, und die Version für die Microsoft-Konsole ist die Ausgabe mit den stabilsten Frameraten, den klarsten Texturen und fühlt sich insgesamt sehr "sauber" an. Die Grafiken wissen zu gefallen und geben das Flair der tropischen Insel wunderbar wieder. Abgerundet wird der gute mediale Gesamteindruck durch den sehr stimmungsvollen lateinamerikanischen Soundtrack, der wirklich gelungen ist. Gitarrenklänge mischen sich mit elektronischen Beats, Surfermusik wechselt sich mit treibenden Rhythmen ab. Umsomehr muss man sich fragen, warum bei der deutschen Version die Lokalisierung der Stimmen so luschig betrieben wurde. Sind Rico und die anderen wichtigen Personen noch gut vertont worden, so hören sich die Gespräche der NPCs oder unwichtigerer Leute an, als ob die Töne und Stimmen von irgendwelchen Soundsamples adaptiert worden sind, die nichts mit dem Game zu tun haben.

Fazit

Wenn Zerstörung und Ein-Mann-Massaker das sind, was sich der Spieler von einem Action-Game verspricht, dann ist "Just Cause" auf der Xbox360 eine gute Kaufempfehlung. Die Action wird im Spiel von wunderschönen Grafiken und einem tollen Soundtrack unterstützt. Aber ... sollten auch Substanz, abwechslungsreiche Handlung und eine Spielzeit über zehn Stunden zu dem gehören, was nach Meinung des Spielers unbedingt in eine Game gehören muss, dann könnte er von "Just Cause" doch etwas enttäuscht sein. Das Spiel kommt sehr stylisch daher, allein es fehlt der Tiefgang. "Just Cause" könnte man als die Paris Hilton der Actionspieleszene bezeichnen - außen hui, innen ...

(10.10.2006)

Getestet auf: Xbox360

Auch erhältlich für: PS2, Xbox, PC

     
   
   
   
   
   
   

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