Die Situation eskaliert, als Green Eye, ein Monster überproportionaler Größe, die unterirdischen Städte der Menschen angreift und mit nur wenig Mühe zerstört. Gale Holden, einer der bekanntesten VS-Piloten, versucht diese Gefahr abzuwehren, bezahlt das Wagnis aber vor den Augen seines Sohnes Wayne mit dem Leben. Wayne flüchtet zur eisigen Oberfläche in einen VS und erfriert dort beinahe, doch kann er später von einer Bande Schneepiraten gerettet werden. Geführt von Yuri und mit Luka und Rick als Kameraden, versucht der unter Amnesie leidende Wayne, den Tod seines Vaters zu rächen und die Akriden ein für alle Mal zu vernichten.
Ein Crash-Kurs anstatt eines Tutorials
Bevor man sich in das neue Spiel stürzt, sollte man sich im Optionsmenü die Steuerung ansehen und merken. Zwar wird als Mission 0 ein Tutorial angeboten, da aber der Spieler hier gleich mitten ins Geschehen geworfen wird, bekommt man womöglich die Steuerung nicht gleich in den Griff. In der Standardeinstellung bewegt man den Charakter mit dem linken Joystick und zielt mit dem rechten. Das Minipad schaltet zwischen unterschiedlichen Zoomstufen um (so lässt sich auch das Spiel von 3rd-Person-Shooter auf Egoshooter umstellen) oder schaltet eine Taschenlampe an und aus. Mit R2 feuert man die Primärwaffe ab, mit L2 die Sekundärwaffe. Mit L1 und R1 macht man schnelle Drehungen in die entsprechenden Richtungen im 90-Grad-Winkel. Mit der gelben Y-Taste schaltet man zwischen Primärwaffen um, mit der blauen X-Taste wirft man einen kleinen mechanischen Anker und mit der grünen A-Taste springt man. Die B-Taste ist eine vielseitige Aktionstaste. Ohne Objekte in der Nähe bewirkt sie einen Nahangriff, sonst kann man Objekte sammeln, VS zusammenbauen und in diese klettern und vieles andere mehr.
Ein lineares Metzelspiel
Die erste Mission, bei der Waynes Vater stirbt, deutet bereits auf die Geschichte des Spiels, aber auch auf eine Eigenart von "Lost Planet: Extreme Condition" hin: die Linearität. Die zu durchlaufenden Wege sind klar definiert, ohne dass man ausweichen könnte. Zwar kann der Spieler immer noch entscheiden, wie die unterschiedlichen Ziele zu bezwingen sind, aber die Anzahl vernünftiger Möglichkeiten ist durchaus klein gehalten. Eine Interaktion des Spielers mit der Geschichte ist nicht erwünscht, stattdessen wird man bewaffnet und gesund an der Front platziert und durch nicht zu umgehende Wege geschickt.
Während man am Anfang von "Lost Planet" nur T-ENG benötigt, um die eisige Kälte des Planeten zu überleben, beginnt der Charakter ab der ersten Mission mit Yuris Schneepiraten eine Symbiose mit diesem Material aufzubauen. Jedes Mal, wenn man Lebensenergie abgezogen bekommt, wird sie gleich danach wieder aufgefüllt, dafür aber verliert man größere Mengen an aufgesammelter T-ENG. Deswegen lässt man keine Tonne unberührt und keine Ruine unerforscht, in der Hoffnung, darunter oder darin noch ein Stück T-ENG zu finden, für die man nicht kämpfen muss. Abgeschossene Gegner, seien sie Akriden, andere Menschen oder sogar Vital Suits, lassen mal kleinere, mal größere Reste Energie zurück, die sich als zähe Flüssigkeit mit nahe liegenden Pfützen zusammenklumpt. Da man in der Kälte ständig Wärme verbraucht, ist "Lost Planet" auch ein Kampf gegen die Zeit, bei der man kaum Muße hat, die Landschaft zu genießen.
Eine fesselnde Geschichte
Obwohl man sich als Spieler nur über Zielen und Abdrücken Gedanken machen muss, erlebt der Charakter Wayne zwischen Missionen zusammen mit den Piraten einige Abenteuer und erhält dabei nach und nach Informationen über sich selbst. Die stets neuen Erkenntnisse über die tatsächliche Vergangenheit von Wayne und die Verantwortung der Organisation Nevec in der aktuellen Situation fordern den Spieler noch schneller zu sein, um beim nächsten Zwischenvideo anzugelangen. Dafür sind die Missionen sehr spannend, wobei ein zweckmäßiger Kompromiss zwischen draufgängerischem Vorwärtslaufen und langsamem, vorsichtigem Vorrücken gefunden werden muss, um Wayne immer am Leben zu halten. Die Symbiose mit T-ENG ist an dieser Stelle sehr hilfreich, denn mit einem ausreichenden Vorrat kann man nur in sehr üblen Situationen sterben. Wie man andere Menschen in die ewigen Jagdgründe schickt, sollte bereits von anderen Spielen erlernt sein (Headshots und in der Nähe explodierende Fässer zeigen wie üblich die beste Wirkung), doch für jede Art von Akrid muss man eine eigene Strategie entwickeln.
Die stark gepanzerten Insekten besitzen meist nur eine einzige Schwachstelle, dafür leuchtet diese hellorange oder tiefrot, abhängig von der Gesundheit des Tieres, auf. Schießt man nur auf diese Stelle, so stirbt der Alien in kürzester Zeit, versucht man aber die gepanzerten Stellen zu durchdringen, verbraucht man ein Mehrfaches an Magazinen, um den Akrid zum Stillstand zu bringen. Die Linearität des Spiels hat noch eine weitere Schwierigkeit zur Folge: Die meisten Gebäude besitzen quasi eine unsichtbare Wand vor dem Dach. Obwohl man mit einem Anker bestückt ist, darf man nur selten auf andere Gebäude klettern und den Feind von dort aus bekämpfen. Da man nicht besonders gut ausweichen kann, wurde auch die künstliche Intelligenz niedrig gehalten. Das soll aber nicht heißen, dass der Feind nicht herausfordernd ist, aber man lernt schnell einige Tricks, wie die meisten Arten zu besiegen sind. Gleich nach dem Tod frieren die Aliens sehr rasch ein und zerbrechen mit einem einzigen Schuss in Terminator-kleine Eisstückchen.
Eine knappe Bewaffnung
Obwohl man in "Lost Planet" mal zu Fuß, mal im VS vorankommt, ist die Bewaffnung für beide Möglichkeiten etwas knapp bemessen. Die wichtigste Handwaffe ist ein Maschinengewehr, für das man bis zu 999 Schuss sammeln kann. Zusätzlich findet man auf dem Schnee und neben Leichen Scharfschützengewehre, Raketenwerfer und Schrotflinten, die sich in verschiedenen Situationen gegenüber dem Feind sehr vorteilhaft auswirken können. Die Munition für die Waffen ist aber seltener zu finden; deshalb sollte man sich genau überlegen, ob und wann man welche Waffe benutzt. An Wurfgeschossen findet man hauptsächlich normale Hand- und Klebegranaten, später im Spiel gibt es noch Scheiben- und Plasmagranaten zu entdecken. Der Anker wird nicht nur zum Klettern verwendet, sondern man kann ihn auch im Kampf einsetzen. Wirft man ihn zum Beispiel gegen ein feindliches VS, kann man anschließend darauf springen und über die Panzerung hinweg direkt auf den Fahrer schießen.
Die VS-Mechs sind ebenfalls mit zwei Waffen bestückt. Sie sind allerdings nicht fest eingebaut, sondern lassen sich frei austauschen. Auf beiden Seiten lassen sich Gatling-Kanonen, Schrotflinten und Raketenwerfer montieren, um so eine größere Flexibilität des Mechs zu bekommen. Hat man kein VS in der Nähe, kann man eine der Waffen selbst tragen und feuern, dafür wird Wayne jedoch langsamer und lässt sie beim Waffenwechsel wieder fallen. Es gibt verschiedene Entwicklungsstufen dieser Maschinen, deshalb wird beim Einsteigen eingeblendet, welche Tasten was bewirken. Während einige VS nur zum Springen fähig sind, können andere Typen fliegen und einige sich sogar umwandeln. Dadurch wird das Bedienen der Mechs zum Hauptspaßfaktor des Spiels und man sucht ständig nach einer frischen im Schnee begrabenen Maschine.
Eine besondere Gruppe stellen die Energiewaffen dar. Plasma- und Lasergewehre, sowohl als Hand- wie auch als VS-Waffe verfügbar, werden erst später im Spiel eingeführt, wenn man bereits ein gutes Gefühl für die T-ENG-Verwaltung entwickelt hat, da sie diese als Munition verwenden. Da man aber T-ENG benötigt, um nicht zu erfrieren und somit am Leben zu bleiben, entspricht der Nutzen dieser Waffenklasse dem metaphorischen zweischneidigen Schwert. Die Waffen sind aber zu stark, um ignoriert zu werden und sind deshalb in Kombination mit gewöhnlicheren Gewehren unschlagbar.
Grafik und Sound: atemberaubend!
Mit einem exklusiven Erscheinen auf der Xbox 360 konnte Capcom sich auf die Fähigkeiten dieser Next-Gen-Konsole konzentrieren und die Grafikmöglichkeiten so gut wie möglich ausnutzen. Die Charaktere sehen sehr detailliert aus und erinnern an die Filme der "Final Fantasy"-Reihe. Trotz der englisch klingenden Namen wie Wayne oder Rick bleibt ihre asiatische Herkunft unverkennbar. Personen und VS werden mit hoher Polygonzahl dargestellt; Schüsse und Explosionen sehen atemberaubend aus. In dieser Hinsicht ist "Lost Planet" fast so gut wie der bekanntere Titel "Gears of War" und nicht weniger eindrucksvoll. Ebenso atemberaubend sind die dargestellten Landschaften und die enormen Monster, denen man gelegentlich begegnet. Das Erlebnis, vor einem Wesen mit der Größe eines Gebäudes zu stehen, pumpt Unmengen Adrenalin ins Blut. Die Schreie der Kreaturen, zusammen mit einem sehr gut gewählten Soundtrack, runden das Ganze ab. Schließlich lassen die Explosionen von Fässern und Raketen die Basslautsprecher förmlich erbeben. "Lost Planet" ist kein Titel, den man in dünnwandigen Wohnungen spielen darf.
Schnelle und blutige Multiplayerschlachten
Wer die elf umfangreichen Missionen mit ihren Endkämpfen hinter sich hat, kann sein erlerntes Können im Multiplayermodus über Xbox Live beweisen. In Turnieren mit bis zu 16 Personen in bis zu vier Mannschaften kann man die üblichen (Team-) Deathmatches spielen. Man kann aber auch die Posten der gegnerischen Mannschaft erobern oder die Rolle des Flüchtlings übernehmen, wobei man von allen anderen Gamern verfolgt wird. Die angebotenen Karten sind sehr unterschiedlich und bieten stets neue Schwierigkeiten; es ist überdies möglich, nachträglich weitere Karten über den Xbox-Marktplatz zu kaufen.
Fazit
"Lost Planet: Extreme Condition" ist in Deutschland das aktuell am besten aussehende Xbox 360 Spiel. Ohne gegen das indizierte "Gears of War" konkurrieren zu müssen, bezaubert es mit einer atemberaubenden Grafik, einer fesselnden Geschichte, einer unkomplizierten Steuerung und einer ausreichenden Bewaffnung. Wer die Fähigkeiten seiner Xbox 360 voll ausschöpfen will, wird an diesem Spiel nicht vorbeikommen. Auch diejenigen, die die Importversion von "Gears of War" gespielt haben, sollten hier unbedingt zugreifen. (07.02.2007)