Leisure Suit Larry Reloaded (PC) (UIG Entertainment) geschrieben von Christian Schmitz
| ||
Eines der berühmt-berüchtigtsten Abenteuer der Videospielgeschichte gibt sich die Ehre: „Leisure Suit Larry“, der Schwerenöter im Polyesteranzug, kehrt dank erfolgreicher Kickstarter-Finanzierung als Remake zurück. Funktioniert die Hinneigung auch heute noch oder wird Fans des Originals das Herz gebrochen? Das Resümee dieser Verabredung verrät pikante Details. Von Kickstarter direkt vor Lefty´s Bar Am dünnen Storyfaden hat sich in der Neuauflage nicht viel geändert, in erster Linie wurden neue Witze oder Anspielungen integriert und eben diese verpassen dem Point and Click Adventure eine gegenwartsnahe Note. Beispielsweise sorgt bereits das optional spielbare Tutorial mit dem gelungenen Seitenhieb auf diese gewisse, relativ aktuelle Aufbausimulation mit Serverproblemen für Lacher. Zur Haupthandlung: Larry Laffer, ein Enddreißiger, will unbedingt seine Jungfräulichkeit verlieren und die wahre Liebe finden. So landet er in der fiktiven Stadt Lost Wages und von Lefty´s Bar aus soll das weibliche Geschlecht von nun an weder in der Disco noch im Kasino oder Supermarkt von den - bisher regelmäßig gescheiterten - Verführungskünsten des kleinen Mannes verschont werden. Mit diesem klaren Ziel vor Augen wird zwar keine tiefgründige Geschichte erzählt, aber dafür stolpert der Tollpatsch von einer witzigen Verlegenheit in die nächste. Geübte Spieler oder Kenner des Originals können Larrys Liebesabenteuer in sehr kurzer Zeit bewältigen, der Umfang variiert zwischen etwa zwei und vier Stunden. Spielerische Vergangenheitsbewältigung Unzählige Männer auf der Suche nach der wahren Liebe können es sicherlich gut nachvollziehen: Um das Herz einer Frau zu erobern, muss man sich nicht selten auf Rätsel einlassen. Und so ähnlich funktioniert auch „Leisure Suit Larry Reloaded“. Bevor das Abenteuer losgeht, müssen im Altersfreigabetest fünf lösbare Fragen beantwortet werden. Für Neueinsteiger dürften sich jedoch noch weitere ungewohnte Barrieren auftun, etwa fehlende Hotspot-Markierungen oder die generelle Steuerung. Anstatt auf den bewährten intelligenten Mauszeiger zurückzugreifen, gibt es eine Vielzahl von Symbolen für die jeweilige Aktion: Gehen, Ansehen, Nehmen oder Benutzen, Reden, Riechen oder Ablecken sowie Blankziehen. Insbesondere letztere Interaktionsmöglichkeiten sind typisch für die Serie und den ihr eigenen Humor. Sämtliche Symbole erscheinen entweder durch das Klicken und Halten der linken Maustaste und dem damit verbundenen Erscheinen eines kreisförmigen Menüs in der Spielumgebung, dem Bewegen des Mauszeigers zum oberen Bildschirmrand oder per Rechtsklick zum Durchschalten aller Varianten. Aufgenommene Gegenstände werden im Koffer verstaut. Innerhalb dieses aufgeräumten Inventars können Objekte benutzt, untersucht oder miteinander kombiniert werden. Einen Großteil der Faszination bezieht „Leisure Suit Larry Reloaded“, ähnlich allen anderen Serien-Ablegern, aus der schieren Fülle an Interaktionsmöglichkeiten. Es muss zwar nicht immer Sinn machen, aber es liegt in der Neugierde des Spielers, etwas auszuprobieren und zu sehen, was passiert. Das Nutzen von großzügig verteilten Spielautomaten ist jedoch essenziell, weil die Taxifahrten zwischen den Schauplätzen innerhalb der Übersichtskarte nicht umsonst sind und da erscheint das Glücksspiel für den verkannten Verführer als naheliegende Geldquelle – ganz getreu dem Motto „Glück im Spiel, Pech in der Liebe.“ Erstaunlicherweise haben es sich die Entwickler nicht nehmen lassen, diverse Veränderungen am Rätseldesign vorzunehmen. Das wird relativ früh offenkundig, wenn es um das Kennwort der Vorratsraumtür in der Bar geht. Viele Genre-Veteranen können Losung sowie Herangehensweise in den Originalspielen zu jeder Tageszeit runterbeten, in der Neuauflage scheint die Lösung jedoch nicht mehr althergebracht. Witziges Detail: Larry stirbt im wahrsten Sinne des Wortes viele Tode, zum Beispiel als Verkehrsopfer oder durch Betätigung der Toilettenspülung. In der anschließenden Sequenz wird er dann wiederbelebt. Polierter Polyesteranzug Grafisch erinnert der Titel durch seine Zeichentrickoptik am ehesten an den 1996 erschienenen Ableger „Leisure Suit Larry 7: Yacht nach Liebe!“. Schauplätze, Objekte, Figuren und Effekte sind mit viel Liebe zum Detail gemalt und witzig, wenngleich spärlich animiert. Im direkten Vergleich zu modernen Genre-Vertretern wie „Harveys neue Augen“ oder „The Book of Unwritten Tales“ fällt die altbackene Technik mit Auflösungen bis zu 1920 x 1080 Bildpunkten zwar qualitativ ab, den Charme der Vorlage wird das Remake trotzdem jederzeit mehr als gerecht. Das Entwicklerteam hat hier trotz limitierten Grafikgerüsts besonders viel Herzblut reingesteckt, was der großen Anhängerschaft gefallen dürfte. Erzählonkel Al Lowe Auch im akustischen Bereich wird Fanservice geboten, angefangen bei der bekannten Titelmelodie im Hauptmenü bis hin zu den gut gewählten, gewollt überspitzten, englischen Sprechern inklusive solide übersetzten deutschen Untertiteln. Wenn beispielsweise der Barkeeper im Lefty´s auf Larrys Annäherungsversuche mit einem boshaften: „Pack mich nicht an, soviel ich weiß hast du deine Flossen an einer Computertastatur voller Bakterien und Keime gehabt!“, reagiert, sollte eigentlich kein Auge trocken bleiben. Die Dialoge mit ihrem sarkastischen, frechen Unterton zielen ohne Rücksicht auf die Geschmacksnerven. Freunde des derben Humors werden mit einem reichhaltigen Buffet überaus köstlich bedient und erfreuen sich an den vielen Interaktionsmöglichkeiten und den daraus resultierenden Kommentaren. Als krönendes Sahnehäubchen nimmt der charismatische Erfinder der Reihe, Al Lowe, die allgegenwärtige Erzählstimme im Spielgeschehen ein.
|
Fazit
Das Wiedersehen mit Schwerenöter Larry hat mir als Sympathisant der Originalspiele besonders viel Freude bereitet, denn im Gegensatz zur Hauptfigur beweisen die Entwickler geschickte Hände im Umgang mit dem Objekt der Begierde. Neueinsteiger sollten jedoch vorgewarnt sein, denn objektiv betrachtet kann das Spiel mit heutigen Standards nicht mithalten: Weder Rätselqualität, noch Geschichte, Umfang oder Spielablauf bewegen sich auf herausragendem Niveau, sondern sind vielmehr humoristische Mittel zum Unterhaltungszweck. Aber vielleicht ist es genau das, was den Klassiker schon damals im Schatten von "Maniac Mansion" so interessant machte. Auch heute ist "Leisure Suit Larry: Reloaded" ganz unabhängig von der hohen Erwartungshaltung an moderne Videospiele einfach mal wieder ein urkomisches und freches Abenteuer in Reinkultur. (02.07.2013)