Madden NFL 25 (Xbox One)

"Madden NFL" schickt sich nun bereits zum 25. Mal an, den "war in the trenches", also den Grabenkrieg, wie die Amerikaner liebevoll ihren Volkssport Nummer 1 nennen, auf die heimische Konsole zu bringen. Mit den Pixelhaufen der ersten Gehversuche hat das neue "Madden NFL 25" auf der Xbox One allerdings nur noch den Namensgeber, John Madden, gemeinsam. Ob das Spiel für Einsteiger geeignet ist und ob sich der Kauf auch für gestandene Profis lohnt, soll der Test hier bei DLH.Net klären.

I firmly believe ...

Eines der berühmtesten Zitate Vince Lombardys (ehemaliger Coach der Green Bay Packers und Namensgeber der Siegertrophäe der NFL) erzählt vom Sieg als einzig wahrem Gut für echte Männer. Ein ähnliches Gefühl vermittelt Madden von Beginn an. Der Bombast einer jeden Football-Inszenierung in den Vereinigten Staaten wird schon mit dem Intro gut eingefangen. Dies ist allerdings für europäische Sportfreunde manchmal etwas schwer zu verstehen, denn das ganze Drumherum um den Sport stört hierzulande ja manchen Geist.

"Madden NFL" bietet verschiedene Spielmöglichkeiten an, wobei das Kernstück natürlich das Spielen einer regulären NFL Saison bleibt. Hier bieten sich mit dem neuesten Teil der Serie verschiedene Möglichkeiten. War es in den Vorgängern schon möglich, als Einzelspieler in die Liga einzusteigen und sein Schicksal komplett selbst in die Hand zu nehmen, bietet sich nun auch die Chance, in einer Art Manager-Modus, den Besitzer eines Teams zu mimen.

Der klassische Liga-Modus ist und bleibt aber Kernstück. Als Coach, die vollständige Kontrolle über alle Spieler, Spielbuch, Training, Draft und Vorbereitung zu behalten. Hier zeigt "Madden" seine größten Stärken, das System ist ausgereift und geht tief in die Materie ein. Für Neulinge kann das allerdings auch schnell zu viel sein. Zwar bietet das Spiel jederzeit an, den KI-gesteuerten Trainerstab die wichtigen Entscheidungen automatisch treffen zu lassen, das volle Erlebnis erhält man aber nur, wenn man sich tatsächlich selbst um alle Details kümmert. Wer sich mit Football nicht auskennt und amerikanische Eigenheiten wie beispielsweise den Draft nicht versteht, der verpasst leider einen Großteil des Unterhaltungspotenzials, das "Madden" zu bieten hat. Ein gutes Tutorial fehlt hier leider. "Madden" schafft es daher nicht, User an den Sport und die taktische Tiefe, die schon in der Pre-Season beginnt, heranzuführen.

Das Gleiche gilt auch für die Spiele selbst. Wer einfach nur dem Gameplan, den das Spiel anhand der Original "-Playbooks" vorgibt, folgt, kann ein Spiel durchaus gewinnen. Selbst die Formation, den Spielzug und die Auswechselspieler auszuwählen, erfordert jedoch weitreichende Kentnisse des Sports. Auch hier wäre ein "Trainingslager" schön gewesen. Zwar kann man direkt vom Hauptmenü aus alle wichtigen Bewegungen und Aktionen des Spiels im "Camp" trainieren, eine taktische Einführung fehlt allerdings gänzlich. Wer also mit Begriffen wie Zone Blocking, Slide, Draw oder Nickel nichts anzufangen weiß, verpasst einen Großteil dessen, was der Sport bietet. Das ist schade, denn gerade hier punktet die Sportart im Vergleich zu anderen Ballspielen gewaltig. Im Fußball gibt es offensive und defensive Ausrichtungen, eine Mannschaftsaufstellung und die Möglichkeit zu Wechseln. Football ist eine Schlacht, in der die Männer auf dem Feld exakt den Befehlen ihres Generals folgen und bei der jede Situation schnell und genau bewertet sein will. Die realen taktischen Möglichkeiten sind viel vielfältiger als es das einfache "Arcade"-Spiel anbietet. Zweiter Versuch, und nur zwei Yards zu überbrücken, hier kann man auch mal einen tiefen Pass versuchen. Dritter und 15, tja, das limitiert die Wahl schon erheblich. Auch wenn man dem Gameplan folgt, kann es unter Umständen besser sein, an der Linie durch den Quarterback den Spielzug noch einmal schnell zu ändern. Dafür braucht es aber entweder viel Übung oder Vorkenntnisse, sonst endet der gut gemeinte Lauf durch die Mitte schnell am blitzenden Middle Linebacker des Gegners und der Frust wächst.

Wer allerdings Vorkenntnisse mitbringt, findet in "Madden NFL 25" eine unglaubliche Fülle an Möglichkeiten. Auch das neue Blocking-System für die Offensive Line, die Jungs an der Front und das Kernstück einer jeden Angriffsformation, agieren nun sehr viel offensichtlicher und bieten damit völlig neue Möglichkeiten im Laufspiel. War es früher fast nur möglich, einfach das angesagte "Loch" zu attackieren, kann man nun als Running Back den Schritten der Line folgen und gerade in flexiblen Schemen wie dem Zone-Running beobachten, wo sich eine mögliche Lücke auftut.

Neben der klassischen NFL-Saison bietet "Madden 25" noch die Möglichkeit, ein eigenes Allstar-Team aus 25 Jahren NFL Geschichte zusammenzustellen oder mit einem beliebigen Team gegen die All Madden Auswahl anzutreten. Diese Spiele sind recht kurzweilig und gerade für Fans der Sportart interessant. Wer wollte nicht schon immer eine Defense sehen, in der Clay Matthews und Ray Lewis gemeinsam mit L.T. auf Quarterback-Jagd gehen.

Ein nettes Gimmick bietet Madden NFL in den Menüs. Auf einem Laufband, bekannt aus dem Fernsehen, sind hier immer die aktuellsten News aus der realen NFL-Welt zu lesen. Der wahre Sportfan verpasst also nichts. Auch die eingebaute Presse- und Twitter-Funktion, die in der Saison fiktive Berichterstattung über den eigenen Spieler oder das eigene Team liefert, ist nettes Beiwerk, für den Kern des Spiels aber eigentlich unnötig.

Leider nicht in den Test miteinfließen hier die Möglichkeiten Madden online gegen einen Freund zu spielen und die gerade für Amerikaner wichtige Funktion des Live-Fantasy Football, einem Tippspiel, das hierzulande sowieso kaum Anhänger hat und mehr einer Wissenschaft, denn einer Form der Unterhaltung gleicht.

 

Schöner die Helme nie glänzten

Grafisch hinterlässt "Madden NFL" einen gemischten Eindruck. Manche Szenen, das Gras und die Zuschauer sehen dank der neuen IGNITE-Engine schlicht bombastisch aus. Dem gegenüber stehen die teils kantig animierten Spieler während des Spielzuges. Das würde wahrscheinlich gar nicht so auffallen, wenn nicht an anderer Stelle gezeigt würde, was die Grafik tatsächlich kann. Auch manch lieblose Textur am Seitenrand sticht dadurch umso heftiger ins Auge. Irgendwie bekommt man das Gefühl, als ob das Spiel zum Release der Xbox One in den USA ganz schnell fertiggestellt werden musste und noch eine finale Politur hätte vertragen können. Die Animationen der Bewegungsabläufe sind, wie oben bereits angesprochen, grandios umgesetzt und gleichen den athletischen Verrenkungen der idealen Vorbilder. Manchmal fragt man sich, wie zur Hölle der Getroffene wieder aufstehen konnte, nachdem ihn gerade ein LKW in Form eines 180kg Tackles überfahren hat.

 

Wer grunzt so spät durch Nacht und Wind

Am Sound gibt es für ein Sportspiel nichts auszusetzen. Die Klangkulisse tut sich zwar nicht besonders hervor, passt aber zu jeder Zeit in das Setting des Spiels. Die Kommentatoren und Sideline-Reporter sprechen meist passend zur Situation miteinander und über das Spiel. Manchmal stiehlt sich aber doch ein Schmunzeln auf die Lippen, wenn der Gegner gerade einen Spielzug total verbockt hat und nur 1 Yard Raumgewinn erzielen konnte, das Spiel aber meint, "Such plays are sometimes great for huge gain, exactly like we saw it here" (Manchmal sind solche Spielzüge für großen Raumgewinn gut, genau wie wir es eben erlebt haben).


Fazit

"Madden NFL 25" ist für Sportfans und Kenner des American Football genau richtig. Es sieht meistens sehr gut aus und die taktische Tiefe des Sports wird in der gesamten Bandbreite abgedeckt. Die Möglichkeiten, ein eigenes Playbook und einzelne Spielzüge zu kreieren, locken jeden Football begeisterten immer wieder vor die Konsole, zumindest ging es mir so. Ich als aktiver Footballspieler bringe aber sicherlich Vorkenntnisse mit, die dem gemeinem Fußballfreund wahrscheinlich fehlen. Madden verschenkt leider, wie in den Vorgängern, das Potenzial, einen spannenden Sport zu erklären und auch Menschen außerhalb Amerikas den Kampf um das Lederei näher zu bringen. Wer allerdings die Geduld aufbringt, sich durch die komplizierten Taktiken, Regeln und Statistiken zu kämpfen, der wird mit einem Sportspiel belohnt, das nicht nur erstklassige Action für echte Kerle, sondern auch strategisches Gameplay vom Feinsten bietet. Meine Wertung fällt daher geteilt aus. Für Football-Kenner würde ich eine Glatte 84% Wertung vergeben, für Einsteiger allerdings - aufgrund der hohen Hürden - "nur" 75%. Da ich mich aber festlegen muss, treffen wir uns doch einfach in der Mitte und sagen 80%.

So, ich setze jetzt den Helm wieder auf und kehre zurück zum "Field of Glory". Wer echte Männer kämpfen sehen will, ist hier richtig. In diesem Sinne: Men play Soccer, real men play Football! (J.K.FAHRBACH)


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