Ich geb Gas, ich will Spaß
Direkt zu Beginn muss sich der Spieler entscheiden, ob er lieber für die Gesetzeshüter oder für die Raser an den Start gehen möchte. Das hört sich nun nach weitreichenden Folgen an, da der Spieler jederzeit zwischen Cop und PS-Junkie wechseln kann, ist dem aber nicht so. Auf einem 160 Kilometer langen fiktiven Straßennetz, bestehend aus Freeways, Landstraßen und Offroad-Strecken dürfen und müssen die Edelkarossen voll ausgefahren werden. Naturgemäß spielen sich beide Seiten unterschiedlich, aber dennoch irgendwie gleich. Als Bleifuß fliegen wir im Tiefflug durch das Redview County und versuchen, ganz oben auf der Fahndungsliste einen Ehrenplatz zu erhalten. Der Spieler kann zwischen drei sogenannten Speedlists wählen. Jede besteht aus verschiedenen Herausforderungen mit dazugehörigen Belohnungen in Form von weiteren Fahrzeugen.
Das Gewinnen eines Rennens, das Rammen verschiedener Gegner, besonders lange vor dem Blaulicht zu flüchten oder auch das Einsetzen von Spezialwaffen können hierbei eine der Aufgaben sein. Nach jedem erfolgreichen Abschneiden wird unser Punktekonto aufgestockt. Als Polizist muss man hingegen die Raser dingfest machen. Dabei wird nicht zimperlich verfahren und es gibt auch keinen Papierkrieg. Der Störenfried wird ganz einfach zu Schrott gerammt oder mit Spezialwaffen außer Gefecht gesetzt. Dafür gibt es auch für den Mann des Gesetztes ordentlich die bereits erwähnten Punkte. Mit diesen können wir unsere Flitzer noch weiter tunen und mit besseren Waffen, stärkeren Motoren, besseren Nitros und und und … aufrüsten. Bei den Waffen handelt es sich zum Beispiel um EMP-Schläge oder bei den Cops um Nagelbretter und dergleichen. Schusswaffen gibt es dagegen nicht.
Unsere Autos können wir außerdem im Editor selbst lackieren und mit diversen Aufklebern versehen. Das sieht nicht nur schön aus, es macht auch Spaß. Wer nicht Lackierer spielen möchte, lässt diese Option links liegen und erfährt dadurch keinen Nachteil wir noch im Vorgänger, wo es für "ungepimpte" Fahrzeuge etwa weniger Punkte gab. Der Spieler steht hier stets vor der Frage: Soll ich meine Punkte in ein neues Auto stecken oder doch lieber die vorhandene Karre verbessern? Durch das Abarbeiten der Speedlists werden zudem immer neue Fahrzeuge freigeschaltet. Auch abseits dieser Aufträge kann der Spieler frei auf den Straßen sein Konto auffrischen, denn an jeder Kreuzung wartet praktisch Action. Mal sind es die Cops, die sich an die eigenen Stoßstange heften, mal sind es die unerbittlichen Gegner.
Der Spieler kann jederzeit, wie bereits aus "Test Drive Unlimited" bekannt, ein anderes Fahrzeug zu einem Duell herausfordern. Wer als erstes das Ziel erreicht, freut sich über die Belohnung. Egal, auf welcher Seite des Gesetzes der Spieler fährt, muss er immer zuerst ein Versteck bzw. Polizeiposten erreichen, damit die Erfolge gesichert sind. Wird das eigene Fahrzeug zuvor von einem Kontrahenten zerstört oder der lange Arm des Gesetzes hat unerbittlich zugeschlagen, dann ist alles verloren und muss erneut erspielt werden. Das sorgt für zusätzlichen Nervenkitzel und Stress pur. Von Zeit zu Zeit gibt es zwar Tankstellen, die eine Reparatur erlauben (hier reicht es auch, mit 300 Sachen einfach durchzubrausen), aber wie im realen Leben ist nie eine in der Nähe, wenn das rote Lämpchen leuchtet. In unserem Fall in "Rivals" bedeutet das allerdings, dass der Fahrzeugschaden ein kritisches Niveau erreicht hat. Allerdings erhalten wir auch immer mehr Punkte, je länger die Hatz dauert.
Ein Teufelskreis: Jeder Fahrfehler, jeder Kontakt mit dem Auto eines Staatsdieners könnte den Schrottplatz bedeuten aber gleichzeitig befindet man sich meisten zusätzlich noch in einem Duell mit einem Gegner.
Keine Automobil-Lobby
Wo wir gerade von den Gegnern sprechen. Hier kommt vermutlich die größte und wegweisendste Neuerung und doch so ein kleines unscheinbares Highlight von "Need for Speed: Rivals" zum Tragen. Der Online-Modus im Singleplayer-Modus. Klingt verwirrend, ist es aber nicht. Der Spieler teilt jederzeit mit mindestens fünf echten Spielern die Welt von Redview County. Falls sich gerade niemand in der direkten Umgebung aufhält, kann man mithilfe des GPS die Navigation zu den Geschwindigkeitsündern aus Fleisch und Blut setzen und sie dann zu Rennen oder Herausforderungen einladen. Das funktioniert so einfach, das man bisweilen gar nicht den fliesenden Übergang zwischen Mehrspieler und Einzelspieler bemerkt.
Wer auf menschlichen Kontakt bzw. Interaktion verzichten möchten, kann dies natürlich in den Einstellungen einrichten und fährt ab sofort nur noch gegen die KI. Das Ghost Games Entwicklerteam hat damit einen wirklich innovativen Multiplayer-Modus erschaffen, der zu keinem Zeitpunkt aufdringlich den Spieler mit Anfragen nervt und zugleich das lästige Suchen nach Gleichgesinnten in einer Lobby abschafft.
Neuer Lack
Der Wechsel auf die Frostbite-3-Engine hat sich ausgezahlt. Nie sah ein "Need for Speed" besser aus als "Rivals". Ein Highlight ist sicherlich der dynamische Wetterwechsel. Eben rast unsere Luxuskarrosse noch durch ein schniekes Wäldchen, wo hier und da die Sonne durchbricht, im nächsten Augenblick öffnen sich die Pforten des Himmels und es gießt aus allen Kübeln. Hier zeigt die Engine Muskeln und lässt an den Fahrzeugen die Regentropfen herrlich abperlen. Das Licht der Scheinwerfer und das Blaulicht der Cops spiegelt sich gekonnt auf der nassen Straße und auf der Umgebung. Kurz darauf ist der Spuk auch schon wieder vorbei und wir begrüßen eine neue Landschaft, wo nun Blätter über den Asphalt fegen. Alles in allem ist das zwar unrealistisch, macht aber eine Menge Spaß. Wer Realismus sucht, ist hat "Need for Speed" seit jeher die Reifen falsch aufgezogen.
Leider haben die Entwickler von Ghost Games sowohl auf eine Cockpit- als auch auf eine Motorhaubenansicht verzichtet. "Rivals" spielt man daher entweder von der unpraktischen Stoßstangenkamera aus, hier fehlt einem schlicht beim Rammen und Abdrängen der Überblick, oder man wählt die Third-Person Ansicht hinter dem Auto – hier geht das präzise Lenken ein wenig flöten und das Geschwindigkeitsfeeling wird etwas gedrosselt. Voll aufgedreht ist hingegen der Sound. Zum einen gibt es mehrere wählbare Radiokanäle, die uns beschallen, zum anderen sind es die PS-Monster die sich akustisch dezent in den Vordergrund drängeln. Gerade bei Verfolgungsjaden hören wir, für die "Need for Speed"-Serie gängig, natürlich beim Polizeifunk mit und sind daher immer genau im Bilde, was das Gesetz auf der Straße als Nächstes plant.
Fazit
Endlich mal wieder ein "Need for Speed" das so richtig Spaß macht. Die Symbiose aus "Hot Pursuit" und "Most Wanted" ist auf ganzer Strecke gelungen. Besonders die integrierte Online-Funktion ist ein Schritt in die richtige Richtung und bekommt zurecht den Special Award von uns verliehen. Spieler, die gegen echte Gegner fahren möchten, können das tun, wer aber lieber einsam seine Runden dreht, wird ebenso glücklich. Im Grunde fehlt eigentlich eine Story und das ist auch gut so. Die Entwickler von Ghost Games haben richtig erkannt worauf es wirklich ankommt – packende und spannende Verfolgungsjaden. Zum Start der Xbox One präsentiert EA mit "Need for Speed: Rivals" einen der besten Titel der Serie. (Tim-Oliver Siegwart)vorherige Seite