Damals ...
Jahrelang habe ich Drachen getötet, stand in wundervollen Landschaften mit bluttriefendem Schwert knietief in den Eingeweiden meiner Feinde und jetzt das! Warum musste das ausgerechnet mir passieren? Ich sitze gemütlich in meiner Stammkneipe, dem Goblin-Wachturm, trinke meinen Met und denke mir nichts Böses, da kommen diese jungen Aufschneider rein, erzählen was von Echtzeit und HD-Auflösung. Die meinen wohl, sie hätten den Beruf des Helden erfunden!
Naja, was soll ich sagen, es ging so hin und her, ich erzählte von damals, den goldenen Zeiten mit 16 Farben, Tabellen voller Statistiken und der entspannten Ruhe von Rundenkämpfen, vielleicht habe ich das Ganze etwas verklärt, vielleicht. Kaum wache ich auf, haben die mich doch glatt angeheuert, sie wollen auch lernen, wie das damals war, in den Anfängen. Na gut dachte ich mir, dann reisen wir doch mal zurück in die Vergangenheit ……
Das habe ich nun davon. Jetzt stehe ich hier mit diesen drei Grünschnäbeln, einem Elf, der immer was von Licht und Natur faselt, einem Zwerg, dessen Bart wohl ein Eigenleben führt und einem blasshäutigen Menschen. Na gut, wir sollen ja nur mal schnell die Asche von irgend so einem alten Mann in eine Kapelle bringen, kann ja nicht so schwer sein, denke ich mir. Doch ha! So falsch kann man liegen. Schritt für Schritt, Quadrat für Quadrat erkunden wir die neue Welt, alles erinnert so ein bisschen an früher, sieht aber besser aus, naja wirklich gut nun auch nicht, aber immerhin gibt es mehr als 16 Farben! Ich wusste gar nicht, wie bunt Wälder sein können. Etwas mehr hatte ich mir dann, nach den Erzählungen der Frischlinge, allerdings schon erwartet. Aber gut, die wollten ja Retro. Wir ziehen also unserer Wege, lernen neue Fähigkeiten und kämpfen gegen alles mögliche Ungeziefer. Warum? Tja, weil man das halt so macht. Sprechen kann nur ein Teil der Leute, zumindest das ist noch genauso, wie in meiner Erinnerung. Die meisten stehen still, wie auf liebevoll gestalteten Gemälden, während ich fleißig lese, was die mir sozusagen haben. Oft Belangloses, manchmal Sinnvolles und selten Nützliches. Dann legen wir also mal los und begeben uns in die zehnte Runde von "Might and Magic".
Angespielt
So ungefähr könnte man sich das Gefühl vorstellen, das ein neumodischer Held aus der Welt der 3D-Rollenspiele hat, wenn er in die Welt von "Might and Magic X Legacy" geworfen wird. Alles ist irgendwie anders und doch vertraut. Die Entwickler gehen bewusst einen Schritt zurück zu den Wurzeln der Reihe und deren Erfolg. Ältere Spieler werden sich noch an die Xeen-Spiele der Might and Magic Reihe erinnern. Abenteuer, die maßgeblich die Begriffe Open World und Frust geprägt haben. Im ersten Teil "Clouds of Xeen" bereiste man eine für damalige Verhältnisse gigantische Welt, um am Ende auf die "Darkside of Xeen" gezogen zu werden. Wer beide Spiele besaß, konnte diese sogar verbinden und so eine neue Story-Line freischalten und die Welt noch einmal vergrößern. Klingt irgendwie nach DLC? Ja, war aber im Gegensatz zu den heute üblichen vorproduzierten "Zusatz"-Inhalten ein vollwertiges Spiel, plus nettem Bonus. Nicht bezahlbarer Inhalt, der die Story eigentlich erst so richtig fertig erzählt.
"Might and Magic X Legacy" führt Rollenspieler in die Vergangenheit, das ist das Ziel des Spiels und das gelingt ihm - nach den ersten paar Stunden - auch ganz gut. Leider an manchen Ecken etwas zu gut. Bei aller Liebe zum Retro-Gaming, eine bessere Grafik wäre durchaus im Bereich des Möglichen gewesen. Das schöne Feature, auf eine "Old-School"-Pixelgrafik umzustellen, das im Spiel vorhanden ist, hätte völlig genügt, um den Flair vergangener Tage am Leben zu halten.
Das Gameplay unterhält immer noch genauso gut wie in der Vergangenheit. Schritt für Schritt erkundet man eine offene Welt voller Gefahren, stößt schnell auch mal an die Grenze der eigenen Fähigkeiten und die Speicherfunktion wird wieder zum besten Freund. Das macht Laune und erinnert Veteranen an die gute alte Zeit, in der Gaming nicht nur sinnfreies Button-Smashing war. Ob damit die junge Generation Gamer angesprochen werden kann, oder das Spiel als Hommage an die alte Zeit nur eine Generation 25+ erreicht, bleibt offen. Die ersten paar Spielstunden fordern schon erstes Durchhaltevermögen. Ohne Richtungspfeil, Quest-Hilfe oder Ähnliches wird der Spieler wieder gezwungen, sich tatsächlich mit dem Spiel auseinanderzusetzen.
Komfortfunktionen wegzulassen ist eine gute Idee, die Sprachausgabe auf einzelne Sätze zu kürzen eher nicht. Früher war eben doch nicht alles besser.
Der deutsche Launch-Trailer:
Ich persönlich finde diese Art von Spiel sehr interessant. Might & Magic 9 hatte mir damals aber einfach den Rest gegeben. Ich denke, diesem hier werde ich eine Chance geben, nachdem ich mich etwas mehr mit Grimrock beschäftigt habe. Mir fehlt einfach die Zeit, obwohl ich solche Retro-Sachen liebe.
Ganz ehrlich ? Ich finde es schrecklich... Ich hab 1993 mit MM3 angefangen und irgendwann bei Teil 9 enttäuscht aufgegeben. Letztes Jahr im August hab ich dann sofort überwiesen und die Early Access Version gespielt. Chance verpasst meiner Meinung nach. Von Might & Magic ist nichts mehr zu spüren. Teil 8 ging noch, Teil 9 war eine Katastrophe und Legacy ist nicht viel besser. Ich werd mich wohl die nächsten 20 Jahre an den alten Teilen erfreuen und vergangenen Zeiten hinterhertrauern.
Es gab damals aber auch nicht diesen unnötigen Druck in Form eines Release-Termins. Ein Spiel erschien früher einfach dann, wenn es auch fertig war. Heute kommt ein unfertiges Spiel mit Day-One-Patch. Gaming war früher in vielen Bereichen besser - wir waren Nerds, wir waren eine Randgruppe, aber wir hatten großartige Spiele. Heute ist es Mainstream und ein schönes nostalgisches Spiel wie Might and Magic wird schon vorab anhand der Grafik verurteilt.