Vom Spezialisten für Lizenzrennspiele Milestone („MotoGP 13“, „SBK 2011: Superbike World Championship“), welcher bereits zu MS-DOS Zeiten mit den „Bleifuss“-Teilen Erfolge feiern konnte, stammt die „FIA World Rally Championship”-Reihe – so auch der neueste Teil “WRC 4”. Ob dieser den Erfolg der Serie fortführen kann, soll an dieser Stelle geklärt werden.
Ich geb‘ Gas und hab‘ Spaß?
Auf den ersten Blick scheint alles in Ordnung zu sein: Nach der Installation im Menü angekommen, lassen die verschiedenen Menüpunkte das Spielerherz erst ein Mal hoch anschlagen. Auf das angebotene Video-Tutorial kann man als geübter Konsolenfahrer noch am ehesten verzichten, sicher jedoch keine schlechte Sache für Einsteiger. Der ersehnte Punkt „Schnellrennen“ sieht dagegen schon verlockender aus. Strecke und Wagen werden gewählt, nach einer ungeduldig überstandenen Ladezeit geht es auch schon los.
Doch bereits nach den ersten hundert Metern macht sich Ernüchterung in der Fahrerkabine breit. Die Strecken sind durchaus anspruchsvoll, doch dafür haben wir ja unseren Beifahrer und der nervt bereits nach drei Minuten gewaltig. Seine Aufgabe ist es, uns auf Schikanen, Wendepunkte sowie Kurven aufmerksam zu machen, dabei ist sein Repertoire dermaßen beschränkt, dass man am liebsten sofort anhalten und ihn an den nächsten Baum binden möchte. Ein bisschen mehr Elan in der Stimme, sowie deutlich weniger Reingequassel hätten diese Spielerhilfe durchaus sinnvoll erscheinen lassen. So fühlt man sich unweigerlich in seine Zeit als Fahrschüler zurück versetzt. Dabei kann man den Knaben im Menü verstellen. Auf die Praxis hat das kaum Auswirkung. Das gilt leider insgesamt für alle Einstellungen des Spiels.
Da wird man fast erschlagen von der Fülle der Möglichkeiten, seinen Wagen zu tunen, seien es verschiedene Optionen – also quasi von hart bis zart – die Federung, Dämpfer, Bremsung oder die eingebaute Stabilitätshilfe fein einzustellen, doch größere Konsequenzen hat das für das Fahrverhalten leider nicht. Auch die Fahrbahn selbst, sei sie aus Asphalt, Schnee oder eine besonders staubige Strecke, wirkt sich kaum auf das Fahrgefühl aus. Lediglich der Schwierigkeitsgrad der Gegner macht sich bemerkbar.
Pluspunkte
Dabei hat „WRC 4“ auch durchaus ein paar Sternschnuppen im Gepäck. Die Kamera macht genau das, was sie soll: Sie zeigt uns den Weg und verhält sich dabei ruhig. Die Framerate kann sich ebenfalls sehen lassen. Es gibt keine Ruckler zu verzeichnen. Die Motorensounds wirken eindringlich, lediglich die häufigen Fehlzündungen verwirren etwas.
Die Semiautomatik macht ebenfalls Spaß. Sie sorgt dafür, dass der Fahrer ordentlich Gas geben kann, bietet aber auch „Schaltern“ Genugtuung. Sie dürfte für die meisten Spieler die richtige Wahl sein. Alle Einstellungen können unter entsprechenden Profilen gespeichert werden. Kleinere Fahrfehler lassen sich durch die „Rewind“-Option (engl. für "Zurückspulen") korrigieren, was den Frustfaktor deutlich dämmt. Gröbere Fehler korrigiert die K.I. automatisch, indem sie das Auto wieder in Position setzt. Das geht selbstverständlich auf Kosten wertvoller Sekunden.
Ich seh‘ schon wieder doppelt!
Die Kamera lässt sich darüber hinaus auch frei bewegen. Dazu wird das Spiel in den Pausemodus geparkt. Dabei offenbart sich jedoch auch die Ursache der beachtlichen Framerate. Die Grafik ist insgesamt mittelmäßig. Die Texturen der Umgebung wirken verwaschen, Schilder, zoomt man näher heran, werden zu Pixelbrei. Darüber hinaus müssen die Entwickler eine Schwäche für Zwillinge haben. Teilweise stehen zwei, drei oder sogar vier identische NPCs direkt in den Zuschauerreihen nebeneinander. Statistische Abweichungen hin oder her, aber so viele eineiige und dazu noch schlecht angezogene Geschwister findet man auf keiner Rennstrecke der Welt! Die Animationen der Zuschauer wirken dazu roboterhaft. Man kann sich sein Publikum leider nicht aussuchen, hört man ja immer wieder von Künstlern – dieser Satz gilt jedoch nicht für Spieleentwickler. Die Rennstrecken tun es den virtuellen Renn-Fans dabei gleich. Zwar sind diese über 13 Länder verteilt, doch scheint es, als seien durch die biologische Globalisierung nur noch zwei Baumsorten übrig geblieben: der Einheitslaub- und der Einheitsnadelbaum. Da hilft es auch nichts, dass man die Startzeit des Rennens selbst wählen kann, ob nun Sonnenuntergang oder Sonnenaufgang, die Langeweile fährt immer mit. Wirklich Mühe hingegen hat sich Milestone bei den Zwischensequenzen gegeben.
Karriereleiter: Abwärts bitte
Der Karrieremodus lässt hingegen ganz kurz wieder hoffen. Der Fahrer landet im grafisch heruntergekommenen Büro des Teamquartiers, mit Zutritt zur Werkstatt, in der sich ein Mechaniker-Team um die Wünsche des Spielers kümmert. Dabei strotzt das Spiel nur so vor Informationen zu Strecken und Autos. Der hauseigene Fernseher, ein Rennkalender, sowie die Möglichkeit, über einen Computer E-Mails abzurufen, sind leider mehr Schau als schlau. Die Wettervorhersage wäre eine gute Idee, wenn Regen oder Schnee wirklich Einfluss auf das Fahrverhalten des Rennboliden hätten. Die E-Mails, welche den Spieler erreichen, bieten keine echten Informationen, sie geben nur eine schriftliche Bestätigung von Offensichtlichem. Dieses Feature hätte spannender gestaltet werden können. Das Fernsehprogramm war auch schon besser.