Dieses Comeback hatten wohl die wenigsten auf dem Zettel: Strider Hiryu überspringt nach seinem letzten eigenständigen Spiel aus dem Jahr 2000 ganze Konsolengenerationen und landet eine stilvolle Rückkehr. Ob sich Capcoms Vorzeige-Ninja noch immer so agil und unterhaltsam wie damals durch die dystopische Welt schlägt, klärt das Review.
Fliegender Drache
Die Neuinterpretation von “Strider“ erzählt quasi die gleiche Handlung wie im Erstlingswerk von 1989: Hiryu gehört in der Überwachungsmetropole Kasach zu einer Gruppe von High-Tech-Ninjas, Strider genannt. Wie schon damals hält man sich auch im Jahr 2014 nicht mit großartigen Erklärungen auf. Es geht um den ewigen Kampf Gut gegen Böse, also Strider Hiryu gegen einen skrupellosen Diktator und seine Gefolgschaft. Zwischensequenzen sowie Dialoge halten sich über weite Strecken der Spielzeit von sechs bis acht Stunden dezent im Hintergrund. Dem Spielspaß schadet die zweckdienliche Story jedoch zu keinem Zeitpunkt.
Der Ninja im Porzellanladen
Ähnlich der zuletzt erschienenen 2D-Ninja-Spielen wie „Mark of the Ninja“, welches im Gegensatz zu “Strider“ die schleichende Variante der Thematik darstellt, fokussiert sich das Geschehen auf das reine Spielerlebnis. Grundsätzlich greifen alle Elemente hervorragend ineinander, wenige Macken sind jedoch unübersehbar und zehren mitunter am Fundament des gelungenen Gesamtwerkes. Als Fluch und Segen gleichermaßen erweist sich hierbei die relativ offene Spielwelt, denn die Spielfigur bewegt sich nicht nur von links nach rechts und von oben nach unten sondern auch umgekehrt. Bereits besuchte Schauplätze lassen sich jederzeit wieder betreten. Doch egal, wie gründlich Hiryu seine Ninjakünste walten lässt, sämtliche Gegner sind in der Regel beim erneuten Betreten des Areals wieder an Ort und Stelle vorzufinden. Damit sind nicht nur die vorher besiegten menschenähnlichen Feinde gemeint, sondern auch Geschützstellungen, die offensichtlich in Windeseile vor dem erneuten Besuch regelmäßig repariert werden. Die Wartungsarbeiter scheinen hier unermüdlich ganze Arbeit zu leisten.
Außerdem gibt es fernab der nützlichen Gesundheits- und Energie-Upgrades etliche Extras zu entdecken. Es bleibt jedoch oftmals die Frage, ob sich der spielerische Aufwand überhaupt lohnt, um lediglich eine der vielen verteilten Konzeptgrafiken oder Storyschnipsel zu ergattern. Komplettisten werden diesen Diskussionspunkt sicherlich nicht nachvollziehen können und probieren sich am zusätzlich verfügbaren Herausforderungsmodus. Eine hilfreiche Übersichtskarte inklusive Pfeilanzeige zum nächsten Hauptziel zerstreut das immer wieder auftretende Gefühl, dass sich der Spieler irgendwo verlaufen könnte. Auch die Kameraeinstellungen mit ihren wechselnden Perspektiven – mal mittendrin im Geschehen, mal weiter weg von der Spielfigur - sind nach einer gewissen Eingewöhnungsphase sehr gelungen.
Abseits der angeschnittenen Schwachpunkte ist “Strider“ ein tolles Spiel geworden. Für Motivation sorgt das ausgeklügelte Upgrade-System mit seinen vielfältigen Möglichkeiten, die auch immer wieder abwechslungsreich abverlangt werden. Verschiedene Gegnertypen reagieren gegen bestimmte Angriffe besonders anfällig, was man ihrer Färbung bereits erahnen kann. Auch zum Fortschritt in der Spielumgebung werden die erlernten Kräfte und Gadgets abgerufen, so lassen sich manche Türen beispielsweise erst mit Eis oder Magnetismus passieren. Spätestens die zahlreichen wie großartig präsentierten Zwischenbosskämpfe mit ihren ständig wechselnden Verhaltensmustern verlangen dem Spieler in dieser Hinsicht eine vorausschauende, taktische Vorgehensweise sowie gute Reflexe ab.
Das Zusammenspiel der Fähigkeiten muss also spätestens bei diesen fordernden Begegnungen effektiv funktionieren, ansonsten heißt es schon nach wenigen Augenblicken: Game Over. Hiryu agiert ohnehin getreu dem Motto „Angriff ist die beste Verteidigung“, denn seine Defensivqualitäten ohne vernünftige Blockfunktion sind in etwa so geringwertig ausgereift wie das Abwehrverhalten gewisser norddeutscher Fußballbundesligavereine. Deshalb klettert, rutscht, springt, schießt und schnetzelt er sich ohne Rücksicht auf Verluste durch die Gegnerhorden, nutzt immer wieder seine verschiedenen Angriffsfähigkeiten oder verheerende Spezialmanöver wie den effektiven Feuergreif, der selbst den dicksten Widersachern mächtig Lebensenergie abzieht. Geschicklichkeitseinlagen bei beweglichen oder unbeweglichen Hindernissen erinnern stark an klassische Abenteuer wie “Prince of Persia“, “Castlevania“ oder “Metroid“. Keine schlechten Vorbilder, wobei das Hauptaugenmerk aber klar auf den kurzweiligen Kämpfen liegt.
Ansehnliche Dystopie
Technisch kann die 2D-Optik sicherlich nicht mit den großen Produktionen der neuen Konsolen mithalten, aber trotzdem ist die farbarme Optik absolut stimmig und vor allen Dingen angenehm flüssig geraten. Sämtliche Figuren bewegen sich schön animiert durch große Industrieanlagen, verwinkelte Gebäudekomplexe, weitläufige Stadtgebiete, schneebedeckte Landschaften oder auch weit über der Stadt in luftigen Höhen. Untermalt wird die fein herausgeputzte Weltuntergangsstimmung von sehenswerten Wetterkapriolen wie Schnee und Regen. Auch die Explosions-, Waffen- und Umgebungseffekte fügen sich gut ins Gesamtbild.
Solide Soundumsetzung
Eher bedeckt hält sich die Musikuntermalung, welche insgesamt treibender und dynamischer sein könnte. Die englische Sprachausgabe, die hier gewollt überzeichnet und dramatisch betont daherkommt, wird ohne grobe Fehler mit deutschen Untertiteln versehen. Zudem passt sich die Geräuschkulisse der jeweiligen Aktion an, insbesondere Waffen- sowie Kampfklänge wurden nachvollziehbar eingebunden.
Hier der offizielle Launch-Trailer zum Spiel: