South Park: Der Stab der Wahrheit (PS3)

Allen entwicklungstechnischen Widerständen, der Pleite des ehemaligen Publishers THQ und der kurzfristigen Verschiebung wegen vergessener Inhaltsschnitte zum Trotz: „South Park: Der Stab der Wahrheit“ ist tatsächlich noch erschienen. Aber Vorsicht: Was sich schon nach wenigen Augenblicken für Anhänger der TV-Serie als spielgewordener Heiliger Gral einer Kult-Umsetzung entpuppt, dürfte viele Nichtkenner der Vorlage mit Fragezeichen und Anwiderung zurücklassen. Die Grenzen des guten Geschmacks werden in diesem provokanten Werk auf eine unterhaltsame Probe gestellt.

 

Der Herr der Stäbe

Die Geschichte von „South Park: Stab der Wahrheit“ hat man in ihrem Grundprinzip sicherlich schon in einer der unzähligen Fernsehfolgen gesehen: Eine Gruppe von Grundschulkindern spielt in ihrem amerikanischen Heimatort South Park, Colorado, ein Liverollenspiel im Stil von „Der Herr der Ringe“ mit eigenen Regeln und allem Drum und Dran: Kostüme, notdürftig gebaute Festungen, Spielzeugwaffen, usw. Im vorliegenden Fall treten Menschen gegen Elfen an, um den Stab der Wahrheit zu finden und vor der Gegenseite zu schützen. Anstatt einen der bekannten TV-Charaktere wie Cartman, Stan, Kyle oder Kenny zu verkörpern, beginnt der Spieler als Neuankömmling, der eigentlich nur neue Freunde finden will. Er gerät auf dem Schlachtfeld zwischen die Fronten, denn das harmlose Spiel hat sich längst zum Konflikt zwischen Gut und Böse entwickelt, in dem plötzlich Aliens, Nazi-Zombies, Unterhosenwichtel, Goth-Kids und sogar Mädchen mitmischen – immer mit einem gewissen Augenzwinkern und völlig absurden Situationen, die man so in noch keinem anderen Videospiel erlebt hat.

Schon von Anfang an wird klar, dass hier ein Spiel für Fans gemacht wurde. Und das ist in Zusammenarbeit mit den Serienerfindern um Trey Parker und Matt Stone wunderbar gelungen. Auch wenn der eine oder andere Nebencharakter etwas kurz kommt, strotzt diese Umsetzung nur so vor Liebe zum Original und tritt mit klischeebehafteten Schuhen der Größe 50 von einem Fettnäpfchen ins nächste. Der abgefahrene, zudem provokative und nicht selten perverse Humor ist sicherlich nicht jedermanns Sache, zumal das Ganze noch gewollt selbstverständlich, naiv und unreif vorgetragen wird. Dabei wird nicht mit überspitzter Sozialkritik, frechen Seitenhieben auf aktuelle Gesellschaftsthemen, schräger Situationskomik und absurden Szenarien gegeizt. Interessierte Zocker, die bisher noch nicht mit der TV-Serie in Berührung kamen, sollten dies vor dem Kauf unbedingt in Betracht ziehen, denn die Bandbreite an Witzen und Anspielungen ist sonst nicht nachvollziehbar. Insgesamt fesseln der kurzweilige Hauptplot und alle Nebenbeschäftigungen für 15 bis 20 Stunden an den Bildschirm. Nach dem Abspann ist zwar die Geschichte erzählt, man kann aber weiterspielen, bis es letztendlich nichts mehr zu tun gibt.

 

Ein RPG sie zu knechten

Spielerisch fährt „South Park“ so ziemlich alles auf, was ein Rollenspiel heutzutage ausmacht. Am Anfang wird die eigene Spielfigur mit dem gewünschten Aussehen erstellt, wobei die wählbaren Optionen hier noch überschaubar sind. Die Klassenwahl erfolgt dann nach wenigen Schritten in der offenen Spielwelt. Egal ob Kämpfer, Magier, Dieb oder Jude (!): Bei der Charakterentwicklung spielt das keine allzu große Rolle, sondern vielmehr bei den vier Kampffähigkeiten, die allesamt wertvolles Mana beanspruchen. So verfügt der Jude beispielsweise über das Talent Juden-Jitsu, ein verheerender Karateschlag mit betäubender Wirkung, Davids Schleuder oder der Beschneidungssense, die den Widersachern Rüstungswerte vom Leib abschabt.

Widmen wir uns also dem leicht erlernbaren Kampfsystem mit all seinen Feinheiten. Insgesamt könnte die Schwierigkeitsbalance auf der mittleren Standardstufe etwas ausgewogener sein, denn entweder sind die Gegner nämlich ziemlich leicht zu schlagen oder ganz im Gegenteil extrem hartnäckig. Der Anspruchsgrad lässt sich glücklicherweise jederzeit anpassen und nicht selten lassen sich Widersacher schon vor der eigentlichen Auseinandersetzung durch die Manipulation der Spielumgebung schwächen, betäuben oder sogar ausschalten. Kommt es zur Konfrontation mit Feinden, wechselt das Geschehen, von Blitz und Donner begleitet, unmittelbar in den Kampfbildschirm über. Die Scharmützel laufen anschließend rundenbasiert ab, also der Reihe nach. Die Figur am Zug wählt anhand der praktischen Symbolmenüs die gewünschte Aktion aus. Dann kommt es auf das richtige Timing an, um möglichst effektiv die Runden zu absolvieren. Im richtigen Zeitpunkt, der durch optisches Aufblinken oder die Kreisbildung unter der Figur hervorgehoben wird, betätigt der Spieler eine Taste. So werden Angriffe noch stärker und in der defensiven Rolle kann Schaden abgeschwächt werden. Als Aktionsnehmer sollte man regen Gebrauch der Untersuchen-Funktion machen, weil diese Schwachstellen und Stärken des Gegenübers preisgibt.

Ein gewisses taktisches Vorgehen kann also nicht schaden, ganz im Gegenteil. Der eine Feind wird erstmal betäubt, der andere wiederum durch Anwiderung, Feuer, Frost oder Strom entkräftet werden. Es ist meistens nur eine Frage der richtigen Ausrüstung, also neben der Nahkampf- sowie Distanzwaffe das entsprechend passende Equipment für Kopf, Hände und Torso. Jene Gegenstände lassen sich außerdem mit Flicken und Waffenaufsätzen verbessern, beispielsweise höhere Schadenswerte oder Spezialisierungen. Während des Gefechts ist ein Wechsel jedoch nicht möglich. Hin und wieder helfen Tränke der Kategorien Wiederbelebung, Heilung, Stärke, Tempo, Lebensenergie, Mana und Magie auf die Sprünge. Bei den hartnäckigen Gegnern erweist sich die magische Flatulenzbegabung als besonders effektiv. Im Detail sind es Furzgranate, Drachenschrei, eine Quietschvariante sowie Nagasaki, der selbst feste Wände in den Grundfesten zerstören kann. Nicht minder zersetzend sind Beschwörungen und die Fähigkeiten des jeweiligen Begleiters. Entweder Kenny, Jimmy, Stan, Kyle, Cartman bzw. Butters sind sowohl im Kampf als auch in der offenen Spielwelt mit von der Partie und lassen sich jederzeit gegeneinander austauschen. Leider kann man sie nicht anpassen, sondern man muss sie nehmen, wie sie sind. Sie helfen mit ihren Ausnahmefähigkeiten immer wieder gerne.

Durch erfolgreich gemeisterte Schlachten werden Erfahrungspunkte gutgeschrieben, die sich in die Eigenschaften investieren lassen. Erledigte Aufträge haben den gleichen Effekt, denn eine relativ offene, wenn auch überschaubare Spielwelt will auch abseits der Hauptstory mit Aufgaben und Bewohnern gefüllt sein. In dieser Hinsicht gibt es im Ort viel zu entdecken, das hilfreiche Schnellreisesystem verkürzt dabei lange Fußmärsche, welches sich aufgrund des gemütlichen Gangs der Spielfigur als sehr praktisch erweist. Zur besseren Orientierung steht eine Übersichtskarte zur Verfügung, an der Minimap wurde dagegen gespart. Mit den Einheimischen können Facebook-Freundschaften geschlossen werden, wodurch sich Vorteile freischalten lassen. Manche verschicken einfach so bei der ersten Begegnung eine Anfrage, andere wiederum werden erst nach einer Gefälligkeit zum Kameraden. Für Waffennarr Jimbo sollen fürchterliche Tiere besiegt werden, der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore ist immer noch auf der Suche nach dem legendären Schweinebärmann und die Kindergartenkinder regen zum munteren Versteckspiel. In der Regel handelt es sich bei den Nebenaufträgen um einfache Botengänge. Ohnehin werden mehr als genügend bekannte Rollenspiel-Klischees in den Missionen bedient, Ratten im Keller sowie die Suche nach dem richtigen Schlüssel inklusive.

Darüber hinaus sammelt sich sehr viel unnützer Kram an, der idealerweise beim Händler verkauft und das gewonnene Geld in sinnvolle Objekte anlegt wird. Um letztendlich an alle Sammelobjekte und Schätze heranzukommen, kommen auch hier die Fähigkeiten zum Einsatz: Schießen, Begleiter einsetzen, per Analsonde im bestimmten Radius teleportieren, Schrumpfen und die bereits beschriebene Furzmagie. „South Park“ offenbart aber auch seine auffälligen Schattenseiten: Durch das Open-World-Konzept gerät man schon früh mit übermächtigen Gegnern zusammen, zerstörte Objekte und bereits besiegte Feinde respawnen ziemlich flott. So kann es vorkommen, dass innerhalb kürzester Zeit ein und derselbe Kampf mehrmals wiederholt werden muss. Auch die automatischen Rücksetzpunkte bei der Hauptkampagne sind nicht immer glücklich, weil es auch hier durchaus zu Déjà-vu-Erlebnissen kommt. Der fehlende dynamische Tag- und Nachtwechsel fällt nicht zu schwer ins Gewicht, demgegenüber haben sich die Inkonsequenzen bei der Fraktionswahl im Verlauf der Hauptkampagne eher enttäuscht. Hier wurde leichtfertig Potenzial verschenkt, weil die Entscheidung spielerisch wie erzählerisch erstaunlich kurz von Belang war.

 

Beschnitten

„South Park“ und die Zensur – im vorliegenden Fall erhält diese altbekannte Angelegenheit eine ungeahnte Würze, die wohl allen europäischen Käufern nicht schmecken dürfte. Grund dafür sind jene Schnitte, die zwar laut Serienschöpfer Matt Stone lediglich 30 bis 40 Sekunden des gesamten Spiels ausmachen, doch insgesamt laut seinem Zitat das Prädikat „lahm, lachhaft und blöd“ verdienen. Dass verfassungsfeindliche Symbole gemäß § 86a StGB in sämtlichen Videospielversionen in Deutschland nicht geduldet werden, ist keine Neuigkeit. Und so verwunderte es auch nicht sonderlich, als eben diese entfernt wurden – bis auf ein übersehenes Hakenkreuz, dem Erkennungszeichen des Nationalsozialismus. Der Veröffentlichungstermin musste kurzerhand verschoben werden, um die erste Verkaufsauflage zu bereinigen. Doch anstatt, wie bislang üblich, diese Symbole zu ersetzen, zeigt man in „South Park: Der Stab der Wahrheit“, wie man offenbar unzumutbare Darstellungen nicht hätte unglücklicher kaschieren können, nämlich mit schwarzen Balken.

Unterboten wird diese plumpe Lösung nur noch durch die in allen europäischen Fassungen fehlenden Zwischensequenzen und Minispiele zum Thema Analsonden und Abtreibung. Ohne weiter ins Detail gehen zu wollen, ist hier der Austausch der Szenen bestenfalls als kurios zu bezeichnen. Texttafeln mit Michelangelos berühmter Davidstatue erklären in nüchternen wie sarkastischen Unterton, was während der Ausblendung passiert. Aber der Schuss geht nach hinten los, denn die Fantasie vieler Spieler könnte weitaus schlimmer sein, als das eigentlich Gezeigte im Videospiel. Leider reißen solche Zensuren immer wieder aus dem ansonsten flüssigen Spielverlauf heraus. Trotz der Brisanz der Szenerie ist es da doch verwunderlich, dass die zuständige Stelle für die Alterseinstufung nur bedingt etwas mit diesen unpassenden Schnitten zu tun hat. Herausgeber Ubisoft selbst hat offenbar das Spiel genauso entschärfen wollen, um eine finanziell lukrativere Altersfreigabe zu erhalten. Im Klartext heißt das, eine größere Käuferschicht anzusprechen. Dies betrifft alle erhältlichen Konsolenversionen, die letztendlich in Deutschland ab 16 Jahren verkäuflich sind. Das PC-Pendant ziert dagegen eine Kennzeichnung für volljährige Zocker.

 

Grafisch täuschend ähnlich

Optisch muss man das Gesamtbild auf Basis der Onyx-Engine aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten und bewerten, denn insgesamt sind Schauplätze, Figuren und Animationen in ihrem Zeichentrickstil sehr einfach gestaltet. Inklusive der klaren Farbgebung gibt sich bei nüchterner Betrachtungsweise ein sehr simples Grafikgerüst zu erkennen, wo sich zudem alles relativ schnell wiederholt. Insbesondere den betretbaren Häusern fehlt es meist in der Inneneinrichtung an Objektvielfalt. So sieht es jedenfalls aus objektiver Sicht aus, während Anhänger der TV-Serie ihren Augen nicht trauen werden. Eine derartig gelungene Vorlagentreue hat es bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht gegeben, weil alles pixelgenau und direkt wie aus einer Fernsehfolge portiert aussieht.

Erstaunlich auch, wie gelungen das Spielgeschehen nahtlos in zahlreiche Zwischensequenzen übergeht. Alle Charaktere und ihre bekannten Verhaltensweisen sowie vertraute Orte besitzen einen vorbildlichen Wiedererkennungswert, an dem sich künftige Flimmerkisten-Umsetzungen in Videospielform orientieren dürfen, denn das hier setzt neue Maßstäbe. In jeder Ecke, sei es eine Garage oder der Kleiderschrank irgendeines Bewohners, finden Fans genau den Stoff in Hülle und Fülle, den sie so sehr lieben. Getrübt wird der spielbare Zeichentrick durch zahlreiche Ladezeiten und gelegentliche Ruckler.

 

Original-Sprecher toben sich aus

Bei der Sprachausgabe wurden weder Kosten noch Mühen gescheut, zumindest bei den englischsprachigen Originalrednern sämtlicher Figuren. Diese toben sich in ihren Stammrollen aus und vollführen ihre Sache ohne hörbaren Qualitätsverlust genauso gut wie in der TV-Serie. An einer deutschen Vertonung wurde dagegen leider gespart, stattdessen fügen sich optionale Untertitel hinzu. Für wenig Sprachbegabte könnte dies jedoch sehr anstrengend sein, diesen jederzeit zu folgen: Weil manche Charaktere, wie beispielsweise der häufig auftretende Cartman, viele Sätze vortragen und diese je nach Stimmungslage sehr schnell. Da müssen die Spieler genauso flott mitlesen, um mitzukommen. Die eigene Spielfigur bleibt bis kurz vor Schluss völlig stumm, was wohl mit der gewünschten Identifikation zusammenhängt. Eine passende Musikuntermalung, die gute Geräuschkulisse sowie bekannte Lieder der Vorlage fügen sich ebenfalls gelungen in das Gesamtwerk.

Hier der deutsche Launch-Trailer


Fazit

Beschneidung hin oder her: „South Park: Der Stab der Wahrheit“ hat mich positiv überrascht. Eine derartig liebevolle und detailgenaue Umsetzung einer TV-Serie als Videospiel ist mir in all den Jahren noch nicht untergekommen. Was mir hier die Entwickler an kuriosen Szenarien und Situationen vorsetzen, ist wirklich einzigartig und sorgt wohl auch unter vielen Spielern für Diskussionsstoff. Spielerisch hätte man insgesamt aber noch ein bisschen mehr bieten können, aber schließlich muss ja noch Luft nach oben für einen hoffentlich geplanten Nachfolger sein. (Christian Schmitz)


Kommentare:
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2014-08-06 18:06:03... - dddd

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South Park: Der Stab der Wahrheit ab dem 6. März erhältlich
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South Park: Der Stab der Wahrheit - Ankündigung mit Video
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