Kaum haben die italienischen Rennspiel-Spezialisten von Milestone mit „WRC 4“ und „MotoGP 13“ viele Motorsport-Fans versorgt, fährt auch schon der nächste spielbare Fahruntersatz vor. Diesmal wird das Motocross-Lager mit dynamisch verformbaren Untergründen und weiten Sprüngen versorgt. Wie hoch der Spielspaß letztendlich reicht, klärt der ausführliche Test.
Motocross-Modi
Der Inhalt liest sich für Anhänger der Sportart wie ein vorgezogenes Ostergeschenk: „MX GP“ wirbt mit Original-Lizenzen der MX1- und MX2-Klasse, dass der Motor schon vor dem eigentlichen Start zu qualmen beginnt. Rasante Videoschnipsel und berauschende Bilder während der Ladepausen unterstreichen den aufwendig anmutenden Ersteindruck, schüren aber auch entsprechend hohe Erwartungen an die Qualität der Umsetzung. Außerdem lassen 14 bekannte Strecken der Saison 2013/2014, verteilt über ganz Europa, sowie 60 offizielle Fahrer das Fanherz höher und schneller schlagen. Alternativ kann ein neuer Biker erstellt werden, wobei die Einstellungsoptionen sehr überschaubar sind.
Im übersichtlichen Hauptmenü sind alle Modi aufgelistet. Für eine schnelle Runde zwischendurch bzw. zum Reinschnuppern eignen sich Sofort- und Zeitrennen. Interessanter wird es schon beim Grand Prix, denn hier sorgt das Training inklusive Qualifikation für erste Aha-Erlebnisse, bei der man sich innerhalb von 30 Minuten eine komfortable Startposition für die beiden anstehenden Rennen herausfahren kann. Diese Prozedur lässt sich jederzeit unterbrechen und die halbe Stunde somit deutlich verkürzen. Hier gilt bereits zu beachten, dass im Gegensatz zu anderen Rennspielen das Fahrerfeld an der Startlinie nicht hintereinander platziert wird, sondern in gerader Linie nebeneinander. Wer also die Pole Position herausfährt, hat die freie Wahl zwischen diesen sechzehn Plätzen. In der Meisterschaft ist eine Standard-Saison mit 14 Rennen wählbar. Die Standorte können noch vor dem ersten Start bearbeitet werden, d. h. entfernt, untereinander getauscht oder in der Reihenfolge gewechselt. Es müssen auch nicht zwingend 14 Wettkämpfe sein. Eine Session besteht aus Doppel- oder Einzelrennen, Qualifikation inklusive Rennen oder einem Komplett-Wochenende.
Als Herzstück des offiziellen Motocross-Videospiels kristallisiert sich der Karriere-Modus heraus: Als aufstrebender, aber unbekannter Wildcard-Fahrer will der erste Team-Vertrag in der MX2-Serie ergattert werden, um schließlich bei anhaltenden Erfolgen in die Königsklasse MX1 aufzusteigen. Vor jedem Rennen teilt die Teamführung ihre punktemäßige Erwartungshaltung mit. Das können im ersten Rennen durchaus schaffbare 15 Zähler sein, wobei der Sieg deren 25 einbringt. Im nachfolgenden Spielverlauf wächst der Anspruch der Crew bei gelungenen Ergebnissen sehr schnell an, die Herausforderung steigt mit jeder guten Platzierung genauso wie die Fanzahlen. Das Hauptquartier ist der zentrale Anlaufpunkt und optisch nachvollziehbar gestaltet. Der Spind offenbart Anpassungsmöglichkeiten während der Computer über Emails wichtige Informationen zu anstehenden oder zurückliegenden Ereignissen preisgibt. Auch das Interesse anderer Teams ist hier einsehbar und in Social Feeds hinterlassen Kollegen wie Kontrahenten ihre Eindrücke zum aktuellen Renngeschehen. Über den Kalender gelangt man direkt zum Renngeschehen, der Punktestand informiert über Fahrerwertungen und beim Klick auf das MXGP Mag erscheint das aktuelle Titelbild einer Motocross-Zeitschrift. Es kann vorkommen, dass auch der Spieler selbst hier Erwähnung findet. Schade nur, dass jegliche angemessene Siegerehrung nach den Rennen fehlt. Eine hakelige Jubelpose ist das Höchste der Gefühle.
Mehrspieler wählen die Online-Funktion für bis zu zwölf Spieler gleichzeitig und tragen entweder Saisons oder Rennen gegeneinander aus. Leider gibt es darüber hinaus keine Möglichkeit, an einem Gerät über einen geteilten Bildschirm zu spielen. Kurios: Im Statistikmenü hat sich offenbar ein Fehler eingeschlichen: Obwohl in der Redaktion viele Testrunden gefahren wurden, zeigte der Tacho bereits nach kurzer Spielzeit den erstrebenswerten Stundenwert von beinahe 100 (!) an. Gerade wegen der mangelnden spielerischen Abwechslung in den beschriebenen Modi dürften wohl nur absolute Motocross-Enthusiasten diesen Umfang ausnutzen. Denn leider bietet „MX GP“ außer den Rennen überhaupt keine Herausforderungen an, nicht mal ein zusätzlicher Stunt-Modus wurde integriert. Konsequenterweise werden nicht wenige Spieler, die anfangs begeistert ihre Runden drehten, nach wenigen Stunden die Motivationskurven mit deutlich weniger Schwung nehmen und gelangweilt die Ausfahrt in Richtung Spielspaß suchen.
Hurra, ein Rennspiel!
Doch gerade das, was „MX GP“ auffährt, ist richtig gut gemacht. Argumente für ein gutes Motocross-Spiel finden sich in allen Spielmechanismen. Lehrreiche Tutorial-Videos geben bereits einen kurzen Vorgeschmack davon, dass das Gameplay insgesamt leicht zu erlernen, aber auch schwer zu meistern ist. Dabei ist nicht nur der grundsätzlich gewählte Schwierigkeitsgrad entscheidend, sondern zusätzliche Einstellungen am Bike sowie die Inanspruchnahme von Fahrhilfen. So schaffen die Entwickler den gelungenen Spagat zwischen Simulation und Arcade, für jeden findet sich letztendlich eine optimale Einstellung. Doch selbst Genre-Quereinsteiger werden ziemlich schnell die zwei einfachsten von vier KI-Stufen bei gleichzeitig zugeschalteter Fahrunterstützung für die Hinterradbremse, Fahrphysik, Schaltung und Fahrergewicht überspringen.
Unter dem letzten Punkt verbirgt sich nichts anderes als die Gewichtsverlagerung der Spielfigur. Neben Gas und Bremse auf den Schultertasten fungiert der rechte Analogstick nämlich als eben jene anspruchsvolle Steuerungsmöglichkeit, während das Bike gleichzeitig mit dem linken Stick gelenkt wird. Insbesondere auf den schweren und realistischen Anspruchsstufen verlangt das Renngeschehen ein hohes Maß an Geschicklichkeit, Ausdauer, Konzentration, Geduld und Hartnäckigkeit. Das tolle Geschwindigkeitsgefühl aus der Verfolger- oder rasanten Ego-Perspektive wird von der dynamischen Verformung des Geländes wie Schotter und Sand noch unterstützt. Ein viel zu selten genutztes Feature, auch wenn längst nicht die konsequenten Auswirkungen von „Motorstorm“ oder „Sega Rally“ erreicht werden, wo man jedoch auch mit deutlich schwererem Gefährt unterwegs ist. Schon nach wenigen Runden hinterlässt der Untergrund tiefe Furchen, die das Manövrieren spürbar erschweren.
Weitere Optionen finden sich in der Box, wo das Gefährt für die jeweilige Strecke richtig abgestimmt werden sollte. Schließlich werden Federung, Getriebe und Bremsen durch verschiedene Streckenverläufe andersartig beansprucht und können im Gegensatz zum Anforderungsprofil des vorherigen Rennens spürbar variieren. Eine kleine Minikarte im linken Bildschirmbereich zeigt einen überschaubaren Abschnitt der nächsten Meter an. Automatische Rücksetzpunkte setzen zuweilen sehr abrupt ein, obwohl manchmal ein Grund für die Neuausrichtung nicht wirklich ersichtlich ist. Viel zu oft kommt es vor, dass wir weder gestürzt sind, noch das Gelände verlassen haben. Durch diesen immer wiederkehrenden Fehler wird der Fahrer regelmäßig unsanft ausgebremst. Kein Muss, aber ein mittlerweile gern gesehenes Feature wird nicht unterstützt, nämlich eine optionale Rückspulfunktion wie in den Rennspielen „GRID“.
Nicht staubig und matschig genug
Es wirkt schon fast ironisch, wenn man Spiele für ihre grafische Darstellung dahingehend negativ bewerten muss, weil zu wenig Staub aufwirbelt und nur geringfügig gematscht wird. „MX GP“ ist genau dieser Sonderfall, denn beim Motocross-Spektakel soll sich der Spieler schon beim Hinsehen schmutzig fühlen, den verkrusteten Dreck von der Mattscheibe abkratzen und nach den Rennen eine wohltuende Dusche nehmen wollen. Leider geizt das optische Gesamtbild gerade mit den Partikeleffekten und wirkt trotz aller Tristesse ziemlich sauber, selbst Bike und Fahrer sind immer nur relativ spärlich besudelt. Kein Wunder also, dass das Publikum hinter den Absperrungen zwar zahlreich erschienen ist, jedoch blass und steif wirkt. Gründe dafür könnten auch die zahlreichen Clipping-Fehler sein, die vor allem bei Unfällen unschön ins Auge fallen.
Dann wirkt der Untergrund plötzlich nicht mehr dynamisch, sondern einfach nur noch fahrlässig durchlässig. Es werden außerdem Pfützen und Wettereffekte vermisst, die den einen oder anderen Missstand mit Leichtigkeit beheben könnten. Wenigstens bleibt die Darstellung angenehm flüssig, Ladezeiten trotz ihrer Vielzahl erträglich und Kleidung flattert sichtbar im Wind. Neben der sehenswerten Replay-Funktion hat es auch ein Foto-Modus ins fertige Spiel geschafft. Das Geschehen kann jederzeit pausiert werden um so mithilfe von Winkelanpassung und Zoom schöne Screenshots zu erstellen, die abschließend im XMB-Menü abgespeichert werden. Zum Sound ist nicht allzu viel zu berichten: Sämtliche Maschinen röhren mit einer angemessenen Lautstärke über die Piste und die Musik rockt. Bedauerlicherweise lassen sich keine Lieder von der Festplatte ins Renngeschehen integrieren.
Offizieller Launch-Trailer zum Spiel