Die in Deutschland eher unbekannte „Blackwell“-Adventure-Serie hat Zuwachs bekommen. Der nunmehr fünfte Teil schließt die Reihe ab. Rosa und Joey müssen abermals verlorene Seelen in das Totenreich überführen, doch selbstverständlich bietet der krönende Abschluss der Serie weitaus mehr. Einige alte Bekannte sind wieder mit von der Partie, doch auch neue Geheimnisse gilt es zu lüften.
Linguistic Game Turn
Das Spiel erscheint für die Steam-Plattform, ist jedoch auch als DRM-freie Version direkt vom Entwickler oder auf GOG.com für 14,99 US$ erhältlich und somit etwas günstiger als auf Steam, denn hier wird der gleiche Preis in Euro berappt. Das Spiel ist bisher nur in englischer Sprache erschienen. Da die Vorgänger es jedoch in kein Übersetzungsbüro geschafft haben, bleibt es mehr als fraglich, ob es eine deutsche Übersetzung geben wird. Der Sprachlevel ist auf dem Niveau aktueller Hollywood-Filme und somit keine allzu hohe Hürde für Menschen, die ein Anglistikstudium erst noch vor sich haben. Zur Auswahl stehen reine Text- und Sprachausgabe sowie beides kombiniert. Letztere Option sorgt erfahrungsgemäß für ein besseres Verständnis und wurde durch Sprechblasen im Comicstil gut in das Spiel integriert. Kommentare des Schöpfers hinter der Serie David Gilbert lassen sich zusätzlich im Menü aktivieren.
Back to the Future
In dieser Optionsstruktur sucht man jedoch Schieberegler für bessere Grafik oder zumindest einmal eine höhere Auflösung vergebens. Das Spiel gibt sich bewusst minimalistisch und sieht optisch aus wie Adventure-Klassiker aus den 90er Jahren. 640x480er Auflösung, also die ursprüngliche VGA-Auflösung, 1987 eingeführt, muss genügen. Der grobpixelige 2D-Adventure-Stil hat zwar zweifelsohne seinen Charme, bringt jedoch auch die typischen Nachteile dieses Genres mit sich. Kleinere Objekte heben sich manchmal nur kaum vom Hintergrund ab und lassen sich so schlechter erspähen. Animationen sind spärlich, neue Orte werden durch das Verlassen des in der Regel fixen Bildschirms erreicht. Zumindest wurde der Retro-Gedanke des Projekts (fast) konsequent umgesetzt, das Spiel ist auf Computern des Jahres 1999 lauffähig (siehe Systemanforderungen weiter unten). Richtig stylish wäre natürlich noch zusätzlich eine DOS-Version des Games gewesen, dafür hätten dann wohl einige Liebhaber ihren 486er wieder flott gemacht. Dass ein Spiel ähnlich dem bekannten „Monkey Island“ Teil 1 und 2 vom Spaßfaktor her immer noch absolut ins Schwarze treffen kann, wird mit „The Blackwell Epiphany“ jedoch einwandfrei demonstriert.
Lediglich die heutzutage typischen Achievements wollen nicht ganz in das Bild der Neunziger passen. Autosave-Funktionen waren im vorletzten Jahrzehnt auch eher rar gesät, doch möchte man heute darauf eher nicht mehr verzichten. Dankbar darf man für diese kleineren Stilbrüche sein. Manuell speichern lässt es sich, außer während der zahlreichen Zwischensequenzen, jederzeit. Zeitstempel wären an dieser Stelle allerdings eine bessere Lösung gewesen. Das kurze Tutorial verdient hingegen leider nur die Note „ungenügend“, da darin auf die Besonderheiten des Titels nur rudimentär eingegangen wird. Die Komplett-Sprachausgabe ist sowohl technisch als auch qualitativ von überzeugender Qualität, hier waren offenkundig Profisprecher am Werk. Das Inventar wird vom oberen Bildschirmrand her eingeblendet, sobald die Maus den oberen Bereich berührt, das funktioniert leider nicht ganz frustfrei, da das Menü etwas zu „zeigefreudig“ ist und somit beim Erkunden mit der Maus „oben rum“ ein wenig stört, da es sich zu schnell öffnet.
„Hiya Red!“
Die beiden Protagonisten Rosa „Red“ Blackwell und Joey Mallone lassen sich separat steuern, beide verfügen über bestimmte Fähigkeiten. Rosas wertvollste Eigenschaft besteht darin, dass sie ein Mensch ist, und zwar ein lebendiger. Von Joey lässt sich das nun grade nicht behaupten. Joey ist ein Geist: Er kann durch verschlossene Türen und Wände gehen, dafür aber nichts aufheben, drücken, ziehen oder umwerfen („Let me add this to my list of things I can not touch“). Letzteres stimmt nicht so ganz: Joey kann seinen Geisterwind dazu nutzen, um kleinere Objekte in eine Richtung (beispielsweise ein leeres Glas von einem Tisch) zu pusten oder Leute zu erschrecken. Das funktioniert jedoch nur, wenn diese durch Fernsehen und Computer nicht bereits abgestumpft sind und sich überhaupt noch erschrecken lassen. Ansonsten bleibt er für seine Mitmenschen unsichtbar, bis auf Rosa und einige andere wenige „Bestower“ natürlich.
Rosa und Joeys Aufgabe ist es, andere Geister aus ihrem Dasein zwischen den Welten zu befreien, dazu muss der zu rettende Geist eine Geisterkrawatte (Joeys natürlich) zur gleichen Zeit wie Rosa berühren. Leider sind diese „Spooks“ oftmals etwas störrisch und uneinsichtig, sowie uninformiert über ihren aktuellen Zustand. Sie streiten vor allem gern immer wieder ab, dass sie tot sind. Doch mit etwas Einfühlungsvermögen und detektivischem Geschick schaffen es die beiden Protagonisten, verlorene Seelen in das, aus einschlägiger Esoterik-Literatur bekannte, weiße Licht zu führen.
Zwar hat Joey seine Beine teilweise (diese sind ja auch komplett unnütz, wenn man sowieso levitieren kann), aber nicht seinen Humor verloren. Er schwebt vor sich hin und kommentiert Rosas Aktionen zynisch („You really want to try that again?“), kann sich dafür aber auch in der Vertikalen bewegen. Jedoch muss „Red“, sein Host, in seiner unmittelbaren Nähe bleiben, da Joey an diese „vererbt“ wurde. Er ist dieser Aufgabe bereits, mit verstorbenen weiblichen Verwandten Rosas, in der Vergangenheit nachgegangen, besitzt somit also bereits ordentlich Erfahrung als „Geisterjäger“.
„The Blackwell Epiphany“ spielt auf verschiedenen Zeitebenen. 1931: Madelin (ein „Spook“) und Jocelyn (ein Mensch) haben, oder vielmehr hatten, die gleiche Aufgabe wie Joey und Rosa im Präsens. In einer kurzen Episode erfahren wir etwas mehr über die Hintergrundgeschichte von Joeys Geistwerdung, sowie den Grund dafür, warum es für ihn kein weißes Licht am Ende des Tunnels gibt. Dazu lassen sich die beiden Damen selbst steuern. Eine neue Bedrohung breitet sich in dieser symbiontischen Mensch/Geist-Welt aus. Geister werden durch eine unbekannte Macht wortwörtlich in der Luft zerrissen. Damit ist der Weg ins Paradies oder auf Neugeburt ganz kräftig vermurkst – nicht nur der Körper, sondern auch die Seele stirbt.
Zentrales Motiv des Games ist der Tod, Morbiditäten umgeben den Spieler in der winterlich verschneiten Großstadtwelt auf Schritt und Tritt. Es riecht quasi an jeder Straßenecke nach Tod und Verderben. Die Atmosphäre ist daher auch recht düster geraten, der Humor selbstredend ebenso. Beide Elemente reichen sich mit festem Druck die Hand. Für religiös arg empfindsame Menschen ist „The Blackwell Epiphany“ daher eher nicht geeignet.
Rätselecke
Nachdem man sich an die ungewohnte Steuerung (zurück) erinnert und etwas „eingespielt“ ist, entfaltet sich „The Blackwell Epiphany“ vor dem Spieler und lässt - ein wenig Feingefühl für klassische Adventures vorausgesetzt - einen gewissen Drive einziehen, so dass man nie das Gefühl hat, stecken zu bleiben. Die Rätsel sind insgesamt nicht zu knackig, fordern jedoch aufgrund der beiden verschiedenen Charaktere ein ständiges Um–die-Ecke-Denken. Die Geschwindigkeit des Spiels variiert dabei auf angenehme Art und Weise, so dass sich „Rätselecken“ und schnellere Partien, bei denen das zu erreichende Ziel klar sichtbar im Vordergrund steht, immer wieder abwechseln. Ein paar wirklich nette Plot-Twists vertreiben jeden Anflug von Langeweile. Nach ca. acht bis zehn Stunden Spielzeit findet sich der „Adventurist“ vor einem ehrwürdigen Ende, nicht nur des aktuellen Teils, sondern einer gesamten Pentalogie. Ein Durchspielen der Vorgänger ist nicht von Nöten, es wird jedoch immer wieder auf vergangene Ereignisse zurückgegriffen, so dass sich das Nichtspielen der vier Vorgänger schnell wie ein Phantomglied anfühlt und im Grunde an dieser Stelle empfohlen werden muss, möchte man das Spiel in vollen Zügen genießen.
Styles and Fashion
Vom Stil her reiht sich „The Blackwell Epiphany“ in das Genre Neo-Noir ein. Es gibt auf der einen Seite die im Spiel verankerte Detektivgeschichte mit dem Schlapphut-tragenden Joey, auf der anderen Seite wird moderne Technik in die Story mit eingewoben. Da wird eine Fährte auf eine obskure Smartphone-App gelenkt, Computer, Suchmaschinen, Memory Sticks und E-Mails werden genutzt. Joey hält davon insgesamt nur sehr wenig und erklärt alles Technische, was ihm nicht geläufig ist, zu einer Gattung des Telefons. Rosas Smartphone verfügt über eine Notizbuchfunktion, die beim Lernen neuer Fakten zum Tragen kommt. Das Phone ist elementar beim Lösen der Rätsel und erfordert etwas Übung. Leider ist zu Anfang nicht klar ersichtlich, wie sich die Entwickler das vorgestellt haben. Einträge des Notizbuches können auf „Cross References“ verglichen werden. Hierbei findet das Motto „Weniger ist oft mehr“ allerdings keine Anwendung, die Integration eines Smart Devices ist misslungen und eventuelle „Hänger“ im Spiel resultieren in zwei von drei Fällen daraus.
Jazzige Saxophon-Töne, Gitarrenklänge, aber auch Elektronisches ist klangtechnisch im Spiel zu vernehmen. Viele Orte haben ein eigenes Musikthema, insgesamt ist die Anzahl der Stücke jedoch etwas spärlich. Stilistisch spiegelt die Auswahl der Stücke das Thema des Genre-Mixes von „The Blackwell Epiphany“ sehr gut wieder. Am Ende wird der (Durch-)Spieler mit einem kompletten Song inklusive Vokals während des Abspanns belohnt.