Das verflixte dreizehnte Jahr! So lange ist es schon her, dass Piranha Bytes mit „Gothic“ an die Öffentlichkeit trat. Ein Spiel, so noch nicht gesehen und von einem kleinen deutschen Entwicklerstudio, eroberte die Spielewelt und schaffte sogar, wenn auch mit bescheidenem Erfolg, den Sprung über den Großen Teich. Schnell wurde "Gothic" ein Liebling der Spielergemeinschaft. Allerdings nicht ohne Schattenseiten, denn die Beziehung zwischen Fans und Piranha Bytes kann seither am besten als Hassliebe bezeichnet werden. Entsprechend sieht auch die bewegte Geschichte der Entwickler aus. War mit „Gothic 2“ gelungen, dass beste Spiel der Reihe zu kreiern, folgte der tiefe Sturz mit dem dritten Teil. Piranha Bytes rappelte sich wieder auf und schuf „Risen“. Etwas unverständlich wurde dieses aber sofort als „Gothic“-Abklatsch verrissen, was beim Nachfolger „Risen 2“ zur etwas unglücklichen Wahl eines vollkommen neuen Piratenszenarios führte. Vorher noch gescholten, das „Gothic“-Konzept immer wieder aufzuwärmen, riefen prompt dieselben Leute nun „Oh mein Gott, was habt Ihr mit unserem Gothic gemacht?“. Im aktuell vorliegenden „Risen 3 Titan Lords“ versprach Piranha Bytes eine Rückkehr zu dem Wurzeln und dem Gesetz der logischen Progressionsreihe folgend, müsste damit der vorliegende Teil eigentlich das beste Spiel der Reihe werden. Ob dies gelungen ist, wird am Ende des Reviews aufgedeckt worden sein.
„Tot, aber glücklich“
Vielleicht nicht ganz so Leslie-Nielsen-mäßig mag der Spieler die Situation des neuen(!) namenlosen Helden einschätzen. Aber zurück auf Anfang: Ein „back to the roots“ versprach Piranha Bytes den Spieler mit „Risen 3 Titan Lords“, entsprechend verwundert es schon, dass gleich das erste Szenario auf einem Piratenschiff stattfindet. Allerdings, bei näherer Betrachtung ist es doch nicht so ganz erstaunlich. War schon bei „Risen 2“ das neue Piratensetting nur mit Mühe und Not in der Geschichte zu integrieren, so wäre ein weiterer kompletter Schwenk, selbst mit einem neuen namenlosen Helden, wie der Dallas-Effekt: Nach einem Jahr Folge auf Folge, steht Bobby unter der Dusche und wurde gar nicht ermordet, sondern es war alles nur geträumt. Damit ist klar, dass bei allem „zurück zu Gothic“, die Piratenszenarios von „Risen 2“ irgendwie mit untergebracht werden mussten.
Folgerichtig findet sich der Spieler auch gleich auf einem Piratenschiff wieder. Die Entwickler von Piranha Bytes haben sich entschieden, das Tutorial in zwei Teile zu spalten. Während der Basislehrgang nicht einmal fünf Minuten in einem sehr geradlinigen Verlauf an Deck des Schiffes spielt und in die Grundzüge von Bewegung und Kampf einführt, ist das eigentliche Tutorial mehr wie eine Einführung in die Geschichte gestaltet. Eingebettet in einen piratenbonbonbunten Südseetraum geht der namenlose Held, diesmal Captain Stahlbarts Sohn, mit Schwester Patty auf Schatzjagd. Es beschleicht einen sofort das Gefühl, dieses schrille Klischeeszenario ist ein ironischer Seitenhieb auf all diejenigen, die erst „Bäh, schon wieder Gothic“ und dann „Bäh Piraten, das ist kein Gothic mehr“ riefen. In einem für ein Tutorial sehr ausführlichen Level zeigt das Spiel alles, was für den freundlichen Weltenretter aus der Nachbarschaft zum Überleben wichtig ist. Gleichzeitig nimmt die Hintergrundstory von „Risen 3“ langsam an Fahrt auf, während die beiden Protagonisten sich durch den Dschungel schleichen oder prügeln. Leider verschenkt „Risen 3 Titan Lords“ eine gute Gelegenheit für etwas Drama, wenn schließlich die erste Begegnung mit einem Schattenlord stattfindet. Stattdessen wird der Spieler allein gelassen nach dem Motto: „Tja, jetzt bist Du tot, komm selbst damit klar!“. Die anschließenden Szenen, die Pattys Verschwinden und das Auftauchen des neuen Begleiters und unseres unkonventionellen Doktors „Bones“ - ein Schelm wer dabei an Raumschiff Enterprise denkt - erklären, sind länger als der eigentliche Seelenraub durch den Bösewicht.
Der Südseetraum zerbricht, als Bones dem namenlosen Helden offenbart, dass dessen Seele gestohlen wurde und er nur dann eine Chance hat, nicht zu einer Kreatur der Schattenwelt zu werden, wenn er es schafft, sie wieder zurückzuerobern. Zufälligerweise - sapperlot aber auch - geht dieses nur, wenn der entgeisterte Weltenretter in spe gleichzeitig die Invasion aus der Schattenwelt aufhält. Ab diesem Moment kommt auch zum ersten Mal so etwas wie Nostalgiefeeling auf. Die Geschichte und das Szenario erinnern, trotz Karibikromantik, an das gute alte „Gothic“. Entsprechend steht der Spieler jetzt auch vor der Wahl, erst einmal eine der unzähligen Nebenmissionen anzugehen oder aber direkt mit einer der drei Fraktionen Kontakt aufzunehmen, die ihm helfen könnten, seine Seele zurück zu erobern. Egal, ob Voodoopiraten, Dämonenjäger oder Kristallmagier, jede dieser Gemeinschaften hätte einen Weg, Körper und Geist wieder zu vereinigen und schon steht der Spieler vor der „Gothic“-üblichen Entscheidung, sich für eine der Parteien festzulegen.
An dieser Stelle zeigt sich, wie gut „Risen 3 Titan Lords“ die Piratenromantik und das „Gothic“-Feeling miteinander vereinen kann. Für jeden Geschmack ist etwas dabei und gleichzeitig ergibt sich ein glaubwürdiges Szenario, um größere Ladeorgien zu verstecken. Nach dem Motto: „Eine Seefahrt die ist lustig, eine Seefahrt die ist schön“ übernimmt das Spiel die Seekarte von „Risen 2“ und so schippert die Gemeinschaft um den Helden durch die Südsee von Insel zu Insel, um die diversen Aufgaben zu erledigen bzw. bei den unterschiedlichen Gilden vorstellig zu werden. Dabei entsprechen die Voodoopiraten in etwa dem Lösungsweg „Eingeborene/Voodoo“ aus „Risen 2“ und Dämonenjäger und Kristallmagier den Ordenskriegern bzw. Magiern aus „Risen 1“. Natürlich gibt es Unterschiede, so wurden alle drei Fraktionen mit ordentlich Kampf- und Magiefähigkeiten aufgepeppt, so dass es keine Entscheidung mehr ist zwischen Nah-, Fern- oder Magiekampf sondern eher zwischen unterschiedlichen Kampfstielen und darüber, wo man sich stimmungsmäßig am besten aufgehoben fühlt.
Leider hat die Verwandtschaft zu „Risen 2“ auch Schattenseiten. Ob Absicht oder ob man sich seitens Piranha Bytes spät im Entwicklungsprozess entschied, die zurückgewonnen Rechte an „Gothic“ auch einzusetzen, mag dahingestellt sein. Der seltsame Fähigkeitenbaum oder aber das unsägliche Inventarsystem von „Risen 2“ ist auch im vorliegenden Spiel wieder vorhanden. Kann man sich die Fertigkeiten noch irgendwie logisch erarbeiten, so sind die Unterteilungen der verschiedenen Inventargegenstände teilweise doch ziemlich wirr und der Spieler wird irgendwann einfach mühsam durch die Kategorie „Alles“ scrollen und leise vor sich hin fluchen. Beispiel: Eine Kiste, die als Quest-Gewinn erlangt wurde und die Belohnungen enthalten soll, wenn man sie öffnet, also benutzt, landet bei „Plunder“ und nicht bei „Benutzbares“. Auch ein heftiger Kritikpunkt, der in „Risen 3 Titan Lords“ nicht abgestellt wurde: die Trink- oder Essanimationen. Natürlich, es ist egal, ob es „Rum“ oder „Heiltrank“ heißt oder „Heilpflanze“ oder „Proviant“, was den Spielspaß speziell in Kämpfen trübt, ist die Tatsache, dass ohne Verzögerung die Lebensenergie aufgefüllt wird.
Apropos Kampf: Laut Entwickler wurde das Kampfsystem überarbeitet. Davon war jedoch beim Test kaum etwas zu spüren. Immer noch springt der Fokus wahllos durch die Gegend, wenn Angreifer die Kampflinie kreuzen. Genauso ist das Schlagen von Kombinationen mehr oder weniger ein genau abgestimmtes Betätigen des Feuerbuttons. Wo nun genau die Verbesserung liegen soll, konnte beim Test nicht eruiert werden.
„Risen 3 Titan Lords“ hat allerdings eine Qualität, die den Piranha-Bytes-Spielen zu eigen ist und die es immer wieder lohnenswert macht, diese Spiele zu zelebrieren: Die handgefertigten Szenarios. Es ist deutlich zu spüren, dass hier kein prozeduraler Landschaftsgenerator am Werk war. Genauso sind überall Gegenstände handverteilt und der Spieler kann Stunden damit verbringen, die Gegend zu erkunden. Dem entgeisterten Helden steht dabei eine neue Fähigkeit zur Verfügung, die Astralsicht. In einer Art Geisterweltdarstellung werden bestimmte Gegenstände oder Kreaturen hervorgehoben, abhängig davon, was für ein Gebräu er sich vorher einverleibt hat.
Auch typisch für Piranha Bytes ist und seit dem ersten „Gothic“ mit an Bord: die etwas rustikale Sprache. Obwohl manche Dialoge doch hölzern und gekünstelt wirken, so sind auch in „Risen 3 Titan Lords“ wieder farbige Metaphern und eine gehörige Portion Humor zu finden. Bei Dialogen wie: „Ich hab schon auf Dich gewartet. Du bist der Typ aus meinen Träumen“ – „Ähm! Kein Interesse.“ – „Ach, so war das doch gar nicht gemeint!“ ist ein Grinsen sicher.
Zwei Dinge an „Risen 3 Titan Lords“ sind noch gesondert eine Bemerkung wert. Einerseits ist das Spiel außerordentlich stabil. Außer einen zu kleinen virtuellen Speicher verzeiht es praktisch alle Vorkommnisse und lässt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Auch im Spiel selbst konnte während des Tests keine Dead-Lock-Situation erzeugt werden. Egal, ob der Spieler Nebenmissionen schon abschließt, bevor der Auftrag vom Quest-Geber erteilt wurde oder er sich an den Aufgabenverlauf hält, immer geht es irgendwie weiter und es kommt zu keinen Zombie-Quests, die eigentlich abgeschlossen sind, aber einfach nicht mehr ordnungsgemäß abgeschlossen werden können. Auch konnte keine Situation erzeugt werden, in der der namenlose Held oder ein aufgabenrelevanter Führer bewegungslos im Gelände festhingen. Im Zweifel greifen die Entwickler auf die etwas unelegante aber wirkungsvolle „Beam me up, Scotty“-Methode zurück und setzen den entsprechenden Charakter einfach übergangslos wieder in sicheres Gebiet. Hier scheint Piranha Bytes seine Hausaufgaben sehr ernst genommen und das Qualtitäts-Management gewaltig erhöht zu haben.
Zweitens: „Risen 3 Titan Lords“ wirbt mit einem großen Label „DRM frei“ auf der Verpackung. Fairerweise muss erwähnt werden, dass das Spiel wirklich auf jede Art von Internetfreischaltung oder sonstigem DRM-Tool wie Steam oder andere verzichtet. Allerdings wurde damit das alte und unsägliche Discjockey-Syndrom wieder eingeführt. Kein Start ohne eingelegte DVD mit all den altbekannten Nachteilen eines kopiergeschützten Datenträgers, wie verkratze DVD oder was tun, wenn das Laufwerk defekt ist.
„Mein Gott ist der Rasen schön grün“
Man merkt deutlich, dass „Risen 3 Titan Lords“ auf einer Eigenentwicklung aus dem Hause Piranha Bytes basiert. Natürlich kann man von so einem kleinen Entwicklerteam keine Wunderdinge erwarten, aber die Grafiken wirken teilweise doch etwas angestaubt und antiquiert. Damit ist nicht einmal die Qualität der Landschaften oder Szenarien selbst gemeint, diese sind mit viel Liebe zum Detail gestaltet und immer wieder ein Hingucker. Der Spieler kann Stunden damit verbringen die einzelnen Gegenden zu erforschen und neue schöne Plätze entdecken. Es ist vielmehr die Darstellung selber. Verwöhnt von Grafikkartenkillern, wie zum Beispiel „The Elder Scrolls: Skyrim“, ist die Detaildarstellung nicht mehr wirklich zeitgemäß. Bäume, die wie Besenstile mit seltsamen Auswüchsen aussehen, sind nun mal nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
Dasselbe gilt für Charaktere und Kreaturen. Sicherlich, die Entwickler haben viel Zeit und Mühe in die Gestaltung gesteckt und das merkt man auch. Bei steinernen Gesichtern und sichtbaren Polygonen ist der technische Fortschritt anderer Spiele wieder deutlich zu sehen. Dafür wurde offensichtlich viel in die Darstellungsqualität von Flüssigkeiten gesteckt. Die Zeiten von animierten Bump-Maps als Wasser oder Lava sind vorbei. Tatsächlich ist die grafische Repräsentation von Wasser sehr gut gelungen. Interessanterweise sind es auch genau die Szenen, die Wasser oder Lava enthalten, die die Grafikkarten und die CPU wirklich fordern.
„Kann ein Trompeter eigentlich auch in eine Geige blasen?“
Wie üblich bei Piranha Bytes Spielen, so ist auch „Risen 3 Titan Lords“ ein Ohrenschmaus. Schon die Eröffnungsmelodie, die einem beim Starten des Spieles entgegen schallt, ist bombastisch. Ein fast schon episch zu nennendes Stück das als Hauptmerkmal die Hardanger Fiedel erschallen lässt. Genauso gut gelungen sind die musikalischen Untermalungen im Spiel selber. Entsprechend der Umgebung und der jeweiligen Insel ertönt eine dezente aber passende Untermalung. Was jedoch etwas fehlt, ist ein zugrundeliegendes Thema. Erschallt am Anfang noch die nordische Kastenhalslaute mit ihrem warmen aber doch schweren Klang geht es dann zum Beispiel übergangslos in leichte Karibikklänge über. Bei aller Qualität der Musik hätten die Sounddesigner hier etwas mehr Mühe in ein verbindendes Thema stecken können.
Auch bei der Sprachausgabe gibt es Licht- aber auch Schattenseiten. Zwar sind die Sprachaufnahmen von sehr guter Qualität, allerdings konnten offensichtlich nicht alle ursprünglichen Sprecher wieder engagiert werden. Das ist gerade bei Charakteren, die immer wieder in den einzelnen Teilen auftauchen, schade. So ist der Druide Eldric, der bisher immer von einer kräftigen, tiefen Stimme gesprochen wurde, durch jemand anderen ersetzt worden. Der neue Sprecher bemüht sich zwar, den ursprünglichen Eldric wieder auferstehen zu lassen, es klingt jedoch eher wie Kindergartenkinder die „Erwachsen sein“ spielen. Nebenbei bemerkt, die Kritikpunkte Eingeborene und Gnome ist auch wieder auf der Tagesordnung. Beide sprechen in dem von „Risen 2“ bekannten „gobledigoo“, dass so wohl niemand sprechen würde, selbst wenn er sich in einer Fremdsprache unterhält.
Offizieller Launch-Tailer [EU]
Für ein neues Rollenspiel auf dem PC in nicht einmal 6 Tagen durch gespielt hat das mit Gothic absolut nichts mehr zu tun da war man locker 6 Monate bei.