„Assassin's Creed Unity“ ist der erste Titel der Serie, der exklusiv für die aktuelle Konsolengeneration erscheint. Demnach könnt ihr das Action-Adventure auf Windows-PCs, PlayStation 4 und Xbox One erleben, Besitzer von Xbox 360 und PlayStation 3 schauen allerdings in die Röhre. Letztere Version haben wir für unseren Test benutzt.
Vive la révolution!
Arno Victor Dorian wurde 1768 als Sohn eines Franzosen und einer Österreicherin in Versailles geboren. Bis zur Ermordung seines Vaters lebte er dort, danach wurde er von der Familie seiner Kindheitsfreundin Élise De La Serre aufgenommen. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1789 in Paris. In den Straßen der Stadt tobt die Französische Revolution, überall herrschen Angst und Schrecken vor. Eines Tages wird Arnos Adoptivvater Francois De La Serre ermordet und Arno als Tatverdächtiger in die Bastille gebracht. Dort lernt er den Assassinen Pierre Bellec kennen, der in ihm das Talent eines Meuchelmörders entdeckt. Genau zur richtigen Zeit beginnt der Sturm auf die Bastille und beide Insassen nutzen die Möglichkeit zur Flucht. Bevor sich die Wege der beiden trennen, bietet ihm Bellec an, der Bruderschaft der Assassinen beizutreten.
Arno nimmt das Angebot an und will mit der Hilfe der Bruderschaft den Mord an seinem Adoptivvater aufklären. Die Story von „Assassin's Creed Unity“ erlaubt es, dass man historischen Ereignissen wie der Hinrichtung Ludwig XVI. oder dem Septembermassaker beiwohnt und wichtige Personen der Geschichte wie Robespierre und Napoleon Bonaparte begegnet. Es ist somit eine gute Möglichkeit, die Geschichte rund um die Französische Revolution spielerisch kennenzulernen, und animiert Geschichtsinteressierte sicherlich auch dazu, sich über das Spiel hinaus zu informieren. Besonders die grafische Inszenierung überträgt das damalige Befinden der Menschen auf den Spieler, weil es mit den Neuerungen realitätsgetreuer wirkt.
Paris – die Stadt der Liebe
„Assassin's Creed Unity“ wurde auf Basis der überarbeiteten Anvil-Engine entwickelt und stellt damit Paris auf einem ganz neuen Grafikniveau dar. Zumindest theoretisch, denn praktisch erst dann, wenn es Ubisoft schafft, mit zahlreichen Patches endlich alle störenden Fehler auszubügeln. Während unserer Testzeit gab es bereits die ersten beiden Verbesserungen, doch so richtig läuft es immer noch nicht rund. Immer wieder kommt es zu Framerate-Einbrüchen, sichtbar nachladenden Umgebungs- und Charaktertexturen, ungewollten Ragdoll-Effekten bei toten Gegnern sowie verschiedenen Fehlern. Diese Fehler trüben sicherlich den Spieleindruck, doch Ubisoft arbeitet bereits an weiteren Patches. Schade, dass man ein zufriedenstellendes Ergebnis nicht direkt bei Veröffentlichung erschaffen oder als Konsequenz eine Verschiebung des Spiels in Betracht gezogen hat.
Doch auch mit fehlerhafter Grafik wird schnell deutlich, mit wie viel Liebe zum Detail Ubisoft Paris entwickelt hat und der eigentliche Star des Spiels die Stadt selbst ist. Im direkten Vergleich mit den real nachgebildeten Gebäuden sieht man, dass sie ihren Vorbildern teilweise bis auf das kleinste Detail ähneln. Am Beispiel von Notre Dame macht Ubisoft dies besonders deutlich. Demnach habe man 14 Monate für die Recherche und Modellierung sowie insgesamt 5.000 Arbeitsstunden investiert. Insgesamt bestehe Notre Dame aus 3 Millionen Polygonen und besitze 140 nachgebildete Buntglasfenster. Ihr könnt das Gebäude vollständig erklettern und so die Wasserspeier aus der Nähe betrachten, die Steinbögen erklimmen und die religiösen Figuren bestaunen. Zudem gibt es viele weitere historische Gebäude wie den Louvre, das Hôtel de ville oder die Sorbonne. Die einzelnen Stadtteile sind individuell kreiert und man durchstreift von armen Bettlern bewohnte Slums oder auch Stadtviertel mit zahlreichen Aristokraten und deren prunkreichen Villen. Wer genau hinschaut, erkennt sogar Flugblätter oder Straßenschilder an Wänden.
Nicht nur die Gebäude der Stadt haben von der neuen Grafik-Engine profitiert, sondern auch das Stadtleben. Es wirkt beeindruckend, wenn man beispielsweise auf dem Champs-Élysées steht und Hunderte von Menschen gleichzeitig schreien oder Parolen singen. Die Bewohner von Paris interagieren miteinander und gehen ihren eigenen Aufgaben und Tagesabläufen nach. Beobachtet man eine solche Szene, kann man beispielsweise sehen, wie Konflikte ausbrechen, ein Händler seinen Stand betreut oder in Tavernen die Personen miteinander reden oder singen. Hier kommt ein weiterer positiver Aspekt zur Geltung, denn „Assassin's Creed Unity“ enthält eine wunderbare Soundkulisse und tolle Synchronstimmen, die die Atmosphäre nur noch weiter verdichten.
Nichts ist wahr, alles ist erlaubt
Hauptcharakter Arno Dorian entwickelt sich nach und nach zu einem echten Assassinen, der über ausgeprägte Waffenkenntnisse verfügt. Natürlich nutzt er die berühmten versteckten Klingen, die nun eine Armbrustfunktion bieten sowie Berserker- und Schlafpfeile verschießen, Schwerter, Pistolen, Gewehre oder Stangenwaffen. Mit genügend Franc in der Tasche kauft man immer bessere Waffen oder Kleidungsstücke und passt Arno an den eigenen Spielstil an.
Zudem erhält man für erfolgreiche Missionen Synch-Punkte, mit denen die Fähigkeiten des Hauptcharakters erweitert werden. In einem Rollenspiel-ähnlichen System schaltet man so erhöhte Gesundheit, die Fähigkeit zum Schlösserknacken, den Umgang mit Fernwaffen oder das Umgebungsuntertauchen frei. Dinge also, die die Assassinen aus den früheren Spielen meist im Laufe der Geschichte freigeschaltet haben.
Ein wichtiger Aspekt in „Assassin's Creed“ ist immer die Bewegungsfreiheit. In „Assassin's Creed Unity“ wurden die Parkour-Mechaniken überarbeitet. So gibt es wieder eine übergangslose Fortbewegung auf Stadtmauern, an Wänden und auf den Dächern oder beim Rutschen unter Hindernissen hindurch. Zudem kann man nun auch in geöffnete Fenster und Türen hineinschlüpfen, um Gebäude zu erkunden oder diese als Abkürzung nutzen. Hier fällt allerdings auf, dass sich manche Inneneinrichtungen deutlich ähneln.
Arno lässt sich viel flüssiger durch die Gegend steuern und sieht noch cooler aus, als man es sowieso schon von den vorherigen Assassinen gewohnt war. Zudem gibt es nun separate Knöpfe für Auf- und Abstieg. Dadurch kann man sich kontrollierter durch die Vertikale der Stadt bewegen und es kommt seltener zu unbeabsichtigten Selbstmordsprüngen. Ganz ausgemerzt sind die Steuerungsprobleme aber immer noch nicht, denn manchmal werden Tasteneingaben falsch interpretiert oder Arno will partout nicht machen, was er soll. Solche Momente kommen zwar recht selten vor, frustrieren aber jedes Mal aufs Neue.
Schleichen wie ein Meisterassassine
Nicht nur in Paris könnt ihr euch frei bewegen, sondern auch in den meisten Missionen kann man die Vorgehensweise selbst bestimmen. Vorgegeben ist zumeist eine klare Aufgabe, doch ob man die Umgebung nutzt oder schleicht, entscheidet man selbst. Es gibt zwar meist hilfreiche Nebenziele, die die Missionen ein wenig vereinfachen, doch müssen diese nicht unbedingt erledigt werden. Das Stealth-Gameplay ist in „Assassin's Creed Unity“ von größerer Bedeutung, als es noch in den letzten Spielen der Fall war. Beispielsweise kann man die Umgebung nutzen, um sich in Heuwagen oder in einem Verschlag zu verstecken und dann aus dem Hinterhalt ein Attentat auszuführen. Zudem kann man in Menschenmassen untertauchen, um unentdeckt vor den Augen der Gegner in Gebäude einzudringen. Arno kann sich nun auch hinter Hindernissen verstecken und in Deckung gehen. Manchmal ist aber auch Flucht eine gute Möglichkeit, den Ort des Verbrechens zu verlassen. Wurde der Sichtkontakt zu den Verfolgern einmal unterbrochen, suchen diese an der zuletzt gesehenen Stelle, die mit Arnos Silhouette dargestellt wird. Diese Gelegenheit kann man natürlich nutzen, um dann in den Schatten zu verschwinden oder aus diesen heraus erneut anzugreifen.
Das Kampfsystem, das in den letzten „Assassin's-Creed“-Spielen relativ einfach war, hat in „Assassin's Creed Unity“ vom Schwierigkeitsgrad her angezogen und bietet nun eine größere Herausforderung. Natürlich besteht der Kampf immer noch aus den drei grundlegenden Kampfprinzipien Angreifen, Ausweichen und Kontern. Doch die Gegner halten mehr Schläge aus, der Konter-Kill wurde entfernt und Arno steckt weniger Schläge weg, als es seine Vorgänger taten.
Arno, ein vielbeschäftigter Mann
Egal, ob man der Hauptstory folgt, eine der zahlreichen Nebenmissionen erledigt oder Sammelobjekten nachjagt: Ubisoft lässt euch während der zahlreichen Spielstunden die Qual der Wahl beim Erledigen der Aufgaben. Für die Story werden wohl etwa 15 bis 20 Stunden benötigt, die Nebenaufgaben erhöhen die Spielzeit um einige Stunden mehr. Bei den Nebenmissionen gibt es dabei einige interessante Dinge zu erledigen. Da warten beispielsweise Nostradamus-Rätsel, bei denen aus Mehrzeilern Pariser Orte erkannt werden müssen, wo dann wieder eine Glyphe versteckt ist, die das nächste Rätsel freischaltet. Auch die mysteriösen Mordfälle spielen sich interessant und verlangen, dass man diverse Morde aufdeckt. Dafür untersucht man Schauplätze, befragt Zeugen und kombiniert diese Fakten miteinander, um letztendlich den Schuldigen zu bestimmen und zu überführen.
Dazu gibt es noch Sammelobjekte wie Truhen, Kokarden und Artefakte. Allerdings sind die Belohnungen für das Sammeln meist so unwichtiges Zeug, dass es kaum einen Anreiz gibt, weitere Spielzeit zu investieren. Einzig, wer auf der Jagd nach Trophäen oder Errungenschaften ist, wird sich die Zeit wohl nehmen müssen. Allerdings sollte man dann auch gleich die „Assassin's-Creed“- Companion App für Smartphones herunterladen und ein „Initiates“-Konto anlegen, denn viele Truhen können nur dann geöffnet werden, wenn man dort einen gewissen Fortschritt erreicht hat.
Geschichte ohne Ende
Besonders interessant ist auch, dass man durch Helixrisse Sequenzen spielt, die Arno in andere Epochen eindringen lassen. So reist Arno beispielsweise in die Belle Époque und steckt mitten im Zweiten Weltkrieg fest. Bereits in der Story hat man erstmals die beiden Epochen besucht, doch während man dort interessante Kletteraktionen vollführt, muss man in den Nebenmissionen bunte Datenpakete einsammeln, um andere Assassinen zu retten, die in den Helixrissen feststecken. Tornados und Suchscheinwerfer erschweren das Vorhaben. Anfangs machen diese Missionen sogar noch viel Spaß, aber nach den ersten Wiederholungen, verlieren diese zunehmend an Motivation und sind zu eintönig gestaltet.
Auch die Enzyklopädie ist erneut ein unterhaltsames Feature. Hier kann man viele interessante Dinge über die Charaktere, Ereignisse und Orte nachlesen, die das Universum von „Assassin's Creed“ zusätzlich erweitern und ergänzende Einblicke in historische Gegebenheiten erlauben. Googelt man die beschriebenen Fakten, begreift man erst, wie genau es Ubisoft mit der Geschichte genommen hat. So hilft man in den Nebenmissionen verschiedenen Persönlichkeiten, die es in der französischen Historie wirklich gegeben hat. Henri Masers de Latude ist beispielsweise für seine mehrfachen erfolgreichen Ausbruchsversuche aus der Bastille und dem Donjon von Vincennes bekannt. Eine dieser Fluchten konnte er mit einer Strickleiter bewältigen, und genau diese soll Arno im Spiel aus der Bastille stehlen.
Morden in der Gruppe
Lange haben „Assassin's-Creed“ Fans nach einem Kooperativmodus verlangt: mit „Assassin's Creed Unity“ wurden sie nunmehr erhört. So kann man mit bis zu vier Spielern gleichzeitig durch Paris meucheln, allerdings nur online und nicht über Split-Screen an einer Konsole. Die kooperativen Missionen, die parallel zur Einzelspielerkampagne stattfinden, wurden speziell dafür konzipiert, dass Assassinen zusammenarbeiten und gemeinsam Ziele in der Stadt ausschalten. Dies geschieht mit dem Charakter, den man im Einzelspielermodus erstellt hat. Also auch mit den Fähigkeiten und Waffen, die man dort ausgerüstet hat oder besitzt. Zudem kann man eine von vier kooperativen Fähigkeiten wählen, mit der dem Team geholfen wird. Jeder Spieler sollte so seine Begabung nutzen, um den anderen Spielern bestmöglich zu helfen. Hat sich jemand beispielsweise auf den Adlersinn spezialisiert, sollte er der Aufklärer des Teams werden. Spieler mit dem Fokus auf Nah- oder Fernkampf sollten dementsprechend direkt als Kämpfer fungieren.
Neben den Missionen gibt es auch noch Überfälle, bei denen man zusammen mit seinen Kameraden Truhen in besetzten Gebieten plündern muss. Die Belohnung ist dabei am höchsten, wenn man unentdeckt bleibt. Die Missionen spielen sich kurzweilig, sind aber nicht so originell wie so manche Einzelspielermission. Zudem sind die Überfälle wohl nur für jene Personen interessant, die gerne schleichen und geduldig sind. Hier wird auch direkt das wichtigste Element deutlich: der Zusammenhalt mit den anderen Mitspielern. Geht jeder seinen eigenen Weg, stehen die Erfolgschancen schlecht. So sollten alle Spieler ihre Aktionen planen und besprechen, um neue Gameplay-Möglichkeiten aufzudecken und sogar schwierigere Missionen zu meistern. Das legt natürlich nahe, dass das Spielen mit Freunden dabei am hilfreichsten ist, da man mit diesen leichter kommunizieren kann. Aber auch mit Fremden über Xbox Live können die Missionen relativ gut abgeschlossen werden. Vorausgesetzt, dass auch jeder zu den Missionen aktiv beiträgt und sich an die gegebenen Aufgaben hält.
Offizieller Launch-Trailer