In Videospielen sind wir es gewöhnt, so oft unser Leben zu verlieren, dass wir nicht weiter darüber nachdenken – schließlich kann unser virtuelles Alter Ego in der Regel einfach wieder aufstehen und neu starten. Das Spiel "In Between" setzt genau an diesem Punkt an und rückt den Prozess des Sterbens in den Fokus, dessen emotionale Auswirkungen sich über den gesamten Spielverlauf erstrecken. Das Spiel ist das Resultat einer Bachelorarbeit und wurde von dem Trierer Studenten Daniel Denne konzipiert, der zusammen mit seinen Kollegen das Entwicklerstudio Gentlymad gründete. "In Between" wurde bereits vor offiziellem Erscheinungsdatum mit mehreren Preisen honoriert, unter anderem mit dem internationalen Red Dot Award und dem ersten Platz in der Kategorie "Bestes Nachwuchskonzept" beim Deutschen Computerspielpreis. Am 21. August wurde das Spiel bei Steam veröffentlicht. Wie den Entwicklern die Umsetzung der sensiblen Thematik gelungen ist, zeigt unser Testbericht.
Ein sterbender Mann blickt zurück
Die Grafik von "In Between" zeichnet sich durch einen erwachsenen Comicstil aus und zeigt das Geschehen aus einer 2D-Perspektive. Zu Beginn richten wir unseren Blick auf einen traurig blickenden Mann, der an einem Krankenhausbett in einem Rollstuhl sitzt. Der Charakter klärt uns aus dem Off über die Umstände seiner Niedergeschlagenheit auf. Obwohl er Zeit seines Lebens niemals geraucht hat, wird er mit der schockierenden Diagnose Lungenkrebs konfrontiert. Die Ärzte geben ihm nur noch wenige Wochen zu leben, sodass es keine Hoffnung mehr für ihn gibt. Mit den Pfeiltasten steuern wir nun den Mann aus dem Zimmer raus, über den Flur des Krankenhauses, während im Hintergrund die Namen der Entwickler erscheinen. Nachdem wir den Mann aus dem Hospital gefahren haben, erfolgt ein fließender Übergang, der dafür sorgt, dass der Protagonist plötzlich mit seinen eigenen Beinen laufen kann und andere Kleidung trägt. Die Menschen, die wir kreuzen, zersplittern, wenn wir an ihnen vorbeilaufen. Schließlich erreichen wir am Ende der Straße ein leuchtendes Portal. Indem wir die Leertaste drücken, beginnt das eigentliche Spiel.
Natürlich kann der Mann im Rollstuhl nicht wirklich von dem einen auf den anderen Moment wieder laufen. Viel mehr wird die gedankliche Reise eines Mannes sinnbildlich veranschaulicht, der seinen unausweichlichen Tod innerlich bewältigen muss und dabei auf sein vergangenes Leben zurückblickt. Der Spielverlauf orentiert sich hier an den fünf Phasen, in denen ein Mensch nach den Erkenntnissen der Wissenschaftlerin Elisabeth Kübler-Ross sein Schicksal verarbeitet und die sich in Leugnung, Wut, Verhandlung, Depression und Akzeptanz unterteilen. Unsere Aufgabe besteht darin, die einzelnen Phasen der Todesbewältigung, die in verschiedene Kapitel eingeordnet sind, der Reihe nach zu absolvieren. Jeder Abschnitt wird von einer kurzen Hintergrundgeschichte eingeleitet, in der wir mehr über unseren Charakter erfahren. Im Anschluss müssen wir es pro Kapitel schaffen, mit unserem Charakter mehrere Räume zu durchqueren. Am Ende eines jeden Raumes wartet ein leuchtendes Portal auf uns, das uns in den nächsten Abschnitt führt. Für unseren Fortschritt müssen wir stets darauf achten, die ringsum im Raum verteilten Speerspitzen nicht zu berühren, da ansonsten der gesamte Raum zersplittert und wir von Neuem starten müssen. Darüber hinaus gilt es, Schalter zu aktivieren, Blöcke zu verschieben und Objekten auszuweichen.
Wenn der Boden unter den Füßen bricht
Das hört sich natürlich leichter an, als es ist, schließlich spielt die Schwerkraft in "In Between" eine entscheidende Rolle. Da es im menschlichen Geist kein oben und kein unten gibt, müssen wir, um Hindernisse zu überwinden, mit den Pfeiltasten die Schwerkraft umpolen, sodass wir in die gewünschte Richtung "fallen" und an Wänden und Decken entlanglaufen. Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase sind die besonderen Steuerungselemente schnell erlernt. Das ist auch dringend nötig: Da der Schwierigkeitsgrad in "In Between" uns schon früh einiges abverlangt, ist ein beachtliches Maß an Konzentration und Geschicklichkeit vonnöten. Im weiteren Spielverlauf werden nämlich die Räume, ähnlich wie in Valves "Portal", von Mal zu Mal verwinkelter, größer und anspruchsvoller. Wenn wir allzu hektisch agieren oder die Schwerkraft aus Versehen in die falsche Richtung umpolen, bedeutet das in den meisten Fällen, dass wir wieder am Anfang des Raumes neu starten müssen. Das ist besonders dann ärgerlich, wenn wir uns fast vollständig durch einen großen Raum gekämpft haben und kurz vor dem rettenden Portal einen Fehler machen. Doch da wir aus Fehlern bekanntlich lernen, können wir, indem wir die jeweilige Levelstruktur immer mehr verinnerlichen, nach einer gewissen Zeit jeden Parcours meistern. Trotz des hohen Schwierigkeitsgrades bleibt "In Between" also immer fair und bietet mit insgesamt 60 verschiedenen Räumen einen ordentlichen Umfang.
Da die einzelnen Kapitel sich immer nach einer bestimmten Phase richten, unterscheiden sie sich in der Art ihrer Inszenierung. Während des Kapitels "Leugnung" beispielsweise droht unser Bildschirm von einer auftauchenden Schwärze verschlungen zu werden, die die Furcht unseres Protagonisten repräsentiert. Nur, wenn wir in Richtung Finsternis schauen, also unserer Angst ins Auge blicken, verschwindet diese bis zu dem Moment, in dem wir ihr den Rücken zuwenden. So sind wir gezwungen, schnellere Bewegungen auszuführen, um das Portal zu erreichen. Im zweiten Kapitel "Zorn" schwirren, als Symbol für die innere Wut unseres Charakters, pulsierende Energiekugeln im Raum herum, denen wir ausweichen müssen. Auch tauchen immer wieder neue Elemente auf, mit denen wir innerhalb der Raumstruktur agieren müssen. So müssen wir beispielsweise an einer Stelle einen Block mit einem menschlichen Gesicht passieren, der immer genau dann die Schwerkraft ändert, wenn wir es tun.
Einfache Mittel, große Wirkung
Die visuelle Umsetzung von "In Between" macht klar, dass es sich um einen ungewöhnlichen Titel handelt. Statt einem kunterbunten Farbspektrum werden zum überwiegenden Teil Hell-Dunkel-Kontraste hervorgehoben, die sich mit der düsteren Thematik decken. Die handgemalten Bilder sind mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet worden, die Texturen hätten allerdings noch ein Stück weit schärfer ausfallen können. So macht die Grafik insbesondere aus der Nähe einen verwaschenen Eindruck, selbst in der höchsten Auflösung. Der besondere Stil und die damit verbundenen kreativen Einfälle lassen dieses Manko jedoch in den Hintergrund rücken.
Besonders hat uns gefallen, dass immer wieder beleuchtete Elemente innerhalb der einzelnen Levels herausragen, die als Gegensatz zu den matten Farben fungieren und damit ihren besonderen Status untermauern. So erscheint in einem Level ein heller Bildschirm, auf dem ein EKG zu sehen ist. Im weiteren Verlauf ist das Röntgenbild einer Lunge zu erkennen. Diese Elemente, die als Erinnerungsstücke im Kopf des sterbenden Mannes fungieren, sorgen nicht nur dafür, dass die einförmige Raumstruktur aufgebrochen wird, sondern klären uns darüber hinaus über wichtige Lebensstationen unseres Charakters auf. So sehen wir beispielsweise, wie unserer Charakter als Kind seinen Geburtstag feiert und einen Hund geschenkt bekommt. An anderer Stelle sitzt er lesend unter einem Baum, während einzelne Blätter herunterfallen. Auch die Einstellung, die den ersten Kuss mit der Frau des Protagonisten zeigt, ist sehr rührend dargestellt. All diese Erinnerungsstücke tragen dazu bei, dass wir angesichts seines bedrückenden Schicksals immer mehr Empathie und Mitleid für unseren Charakter empfinden.
Das besondere Gefühl, das "In Between" erzeugt, ist auch dem Erzähler aus dem Off geschuldet, der durch seine Kommentare auf sehr nachvollziehbare und einfühlsame Weise die Gefühle und Gedanken eines sterbenden Mannes wiedergibt, Fragen aufwirft und immer wieder um die Akzeptanz des Unausweichlichen ringt. Ebenso trägt die musikalische Kulisse ihren Teil zu dem außergewöhnlichen Szenario bei und orientiert sich auf dynamische Weise an den einzelnen Stationen der geistigen Odyssee unseres Protagonisten.