Divinity: Original Sin: Enhanced Edition

"Divinity: Original Sin" hat bereits im Jahr 2014 auf den Heimcomputern dieser Welt für Furore gesorgt und gilt neben "Pillars of Eternity" und "Wasteland 2" als wichtiger Vertreter für die erfolgreiche Rückkehr klassischer Rollenspiele. Als Enhanced Edition erscheint der Überraschungs-Hit nun auch für Konsolen, Besitzer der PC-Version können sich die überarbeitete Fassung sogar kostenlos herunterladen. Der letzte Schliff macht den Titel nun endgültig zum unumgänglichen Pflichttitel für Genrefans.

 

 

Tatort: Rivellon

 

Dabei ist "Original Sin" nicht das erste Spiel der "Divinity"-Reihe, sondern bereits das insgesamt fünfte Werk. In der Zeitlinie ist es jedoch vor allen anderen Teilen angesiedelt. Im Abenteuerland von Rivellon verschlägt es zwei Mitglieder einer Ordnungstruppe, den Quellenjägern, nach Cyseal. In dieser Siedlung nahe der Küste soll sich ein Mordfall ereignet haben, bei dem offensichtlich verbotene Magie am Werk war. Die Aufklärung der Geschehnisse fördert eine mysteriöse Verschwörung mit allerhand Überraschungen zutage, die nur den Auftakt für eine umfangreiche Geschichte voller Wendungen darstellen. Wieder mal scheint das Schicksal des Universums in den Händen der Spieler zu liegen, denn obendrein wimmelt es in der lebendigen Fantasy-Spielwelt von den üblichen Verdächtigen wie Orks, Untoten, Kultisten und sogar Drachen.

 

Trotz gängiger Klischees weiß auch das neue "Divinity" dem Genre seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Gründe dafür finden sich in der gelungenen Erzählweise und den unzähligen kleinen und großen Nebengeschichten abseits des Hauptplots. Die Bewohner von Rivellon haben nämlich viel zu erzählen und sind sehr mitteilungsbedürftig, wenn es ihre Anliegen und Schicksale betrifft. Bereits zu Beginn der Reise stößt man beispielsweise auf eine sprechende Muschel, die Sehnsucht nach dem Meeresgrund hat. Ob der Spieler ihr diesen Wunsch erfüllt oder doch eher versucht, aus der kuriosen Sache Kapital zu schlagen, hängt von den vielen konsequenten Entscheidungsmöglichkeiten ab, die getroffen werden können. Es ist immer wieder interessant zu beobachten, wie Figuren auf Aktionen reagieren.

 

Der serientypische Humor darf natürlich auch nicht fehlen, wenn das Geschehen immer wieder durch Anspielungen, Absurditäten und witzige Situationen erheiternd aufgelockert wird. Je nachdem, wie viel man sehen und erleben will, kann die Spielzeit annähernd 100 Stunden oder mehr betragen. Liegt die Konzentration einzig auf der Hauptgeschichte, ist das Abenteuer sicherlich auch deutlich schneller zu beenden. Wer aber kopflos durchrennt, läuft im wahrsten Sinne des Wortes Gefahr, früher oder später vor verschlossenen Türen zu stehen.

 

 

Vielseitiges Rollenspiel

 

Die Auswahl von drei Schwierigkeitsstufen dürfte sowohl Einsteiger und Fortgeschrittene als auch Profis ansprechen. Diese sind im Vergleich zur ursprünglichen PC-Fassung überarbeitet worden und nun spürbar besser ausbalanciert. Zusätzlich kann der Ehrenmodus für besonders Hartgesottene im höchsten Grad aktiviert werden. Aber Vorsicht: Bei Aktivierung steht dann ausschließlich ein einziger Spielstand zur Verfügung, der beim Tod überschrieben wird, weshalb das Abenteuer zwangsweise neu gestartet werden muss.

 

Danach folgt sogleich die umfassende Charaktererstellung der zwei spielbaren Hauptprotagonisten. Später kann die Gruppe um zwei weitere Mitglieder ergänzt werden. Diese sind keine stummen Nicht-Spieler-Begleiter, sondern lassen sich ebenfalls aktiv steuern. Aus zwölf Klassen kann gewählt werden: Hexe, Inquisitor, Kämpfer, Kampfmagier, Kleriker, Reisender, Ritter, Schattenklinge, Schurke, Verzauberer, Waldläufer und Magier. Durch die enormen Freiheiten bei der Verteilung gewonnener Punkte für Attribute und Fähigkeiten sind der Charakterentwicklung praktisch keine Grenzen gesetzt. Vorgegebene Klassen können miteinander verschmelzen, so schließen sich beispielsweise Magie und konventionelle Waffenkunst mit Schwertern nicht aus. Erfahrungen haben gezeigt, dass ein Team bestehend aus je einem Nah- und Fernkämpfer sowie einem Magier und einem unterstützenden Heiler mit x-beliebigen Kampffähigkeiten gute Chancen hat, das Abenteuer erfolgreich zu bestehen. Leider können die Auswahlmöglichkeiten für das Aussehen der Figuren mit dieser großen Vielfalt nicht mithalten.

 

In der frei begehbaren Spielwelt erfolgt der Blick auf die Figuren aus der isometrischen Perspektive, die durch den größeren Bildausschnitt nun übersichtlicher wirkt, als vorher. Im gemächlichen Tempo bewegt man sich durch die weitläufigen Gebiete, die mit vielen ansprechbaren Charakteren und Tieren gefüllt ist. Richtig gelesen: Durch ein besonderes Talent kommt es so zu interessanten wie kuriosen Gesprächen mit Katzen, Hunden, Schafen, Kühen, Krabben oder Ratten, die man nicht vernachlässigen sollte. Nicht selten geben sie nämlich wichtige Informationen oder Geheimnisse preis, die menschliche Gestalten eventuell verheimlichen. Insgesamt wirkt das Fantasiereich von "Divinity: Original Sin" durchaus glaubwürdig. Sämtliche Gebäude sind in der Regel begehbar oder zumindest aus nachvollziehbaren Gründen verschlossen, auf penetrant blinkende Anzeigen wird verzichtet. Vielmehr wollen Hinweise und Informationen gefunden werden, die sich erst nach dem Lesen von Büchern offenbaren. Insbesondere bei den gelungenen Rätseln, die bei allem Einfallsreichtum lediglich zum Ende hin etwas arg konstruiert wirken, tragen diese zur Lösung bei.

 

Weitere Faktoren verstärken den Eindruck einer durchdachten Gestaltung. Auf Diebstahl reagieren Anwohner sehr sensibel. Besonders gelungen ist die Reaktion von Elementen wie Feuer oder Wasser, was nicht einfach nur sinnfreies Gimmick ist, sondern bei Rätseln und Kämpfen eine wichtige Rolle spielt. Mehr dazu an anderer Stelle. Beinahe jeder Gegenstand lässt sich bewegen, klauen, verkaufen oder zur Herstellung und Kombination nutzen. Damit dem wachsamen Auge nichts entgeht, können alle Interaktionsmöglichkeiten in unmittelbarer Umgebung angezeigt werden. Erfreulicherweise erspart diese praktische Funktion das mühsame Absuchen, das man von vielen anderen Genrekonkurrenten kennt. Im übersichtlichen Inventar können eingesammelte Objekte geordnet, Stapel beliebig geteilt und kinderleicht an andere Gruppenmitglieder weitergegeben werden. Witzig: Im Schleichmodus bewegen sich die Figuren in Stein- oder Gebüschform weiter.

 

Nicht fehlen bei einem Rollenspiel dürfen Entscheidungsfreiheiten bei den abwechslungsreichen Aufgaben, die in ihrer Konsequenz zwar nicht ganz in einer Liga mit "The Witcher" oder "Mass  Effect" spielen können, jedoch auch hier nicht selten zum Nachdenken anregen. In Dialogen kann man sich als Spieler nämlich mit Freund, Feind und sogar den eigenen Begleitern uneinig sein. Wenn alles Diskutieren nichts mehr nutzt, muss eine Entscheidung her, die im klassischen Schere-Stein-Papier-Prinzip ausgeknobelt wird. So kommt es dann dank der spielerischen Überzeugungskraft zu friedlichen Kompromissen oder eben gegenteilig zu Kämpfen.

 

In letzterem Fall schaltet das Geschehen von Echtzeit unmittelbar in fordernde Rundentaktik-Scharmützel. Jede Figur erhält pro Zug eine bestimmte Menge an Aktionspunkten für Bewegung, Angriff, Zauber etc. Über die Reihenfolge entscheidet in erster Linie der Initiativewert. Wichtig neben der richtigen Position ist auch die effektive Ausnutzung von Elementen. Beispielsweise kann aus einem Wasserfass und einem Kältezauber eine Eisfläche entstehen, ein Regenschauer verlangsamt alle Beteiligten, mit einem gut platzierten Kälteschock kann der Feind dann eingefroren werden. Hinzu nimmt Öl, Feuer oder Luft noch Einfluss auf die Schlachten. So ergeben sich unzählige Konstellationen, die über Sieg oder Niederlage entscheiden können.

 

Dass es sich bei "Divinity: Original Sin: Enhanced Edition" nicht nur um eine herkömmliche Portierung der PC-Version handelt, sondern vielmehr um ein Vorbild für die Umsetzung ähnlich ambitionierter Titel, beweisen das angepasste Interface sowie die intuitive Bedienung. Zwar steuert sich für Kenner eben jener Ursprungsfassung alles zu Beginn etwas ungewohnt und mühsam. Doch schon nach kurzer Eingewöhnungszeit gehen die Abläufe locker von der Hand. Durch Betätigung des Analogsticks kann sogar zwischen zwei Varianten gewechselt werden, nämlich der direkten Bewegung oder dem Zuschalten einer Art Mauszeiger. Die frei drehbare Kamera mit hohem Zoomfaktor im Zusammenspiel mit dem allgemein größeren Bildausschnitt sorgt für gute Übersicht. Da kann man die eine oder andere ungünstige Perspektive gerne verzeihen.

 

 

Kooperatives Abenteuer

 

Als reines Einzelspieler-Erlebnis weiß "Original Sin" also zu überzeugen. Noch mehr Spaß garantiert der Mehrspielermodus, denn jederzeit kann ein menschlicher Mitstreiter ins laufende Abenteuer einsteigen und auch wieder aussteigen. Entweder online oder lokal an einem Gerät. Dabei wird der Bildschirm erst dann geteilt, sobald sich die Spielfiguren zu weit voneinander entfernen. In der Praxis bedeutet das, dass man entweder gemeinsam oder getrennt voneinander Rivellon erkunden kann. Außerdem hat jeder Spieler sein eigenes Menü, und das Koop-Dialogsystem wird noch interessanter. Wenn nämlich beide Helden an einer Unterhaltung teilnehmen, darf man auch hier Entscheidungen zusammen treffen oder eben unterschiedlicher Meinung sein. Genau wie im Einzelspielermodus kommt es in letzterem Fall dann zu Schnick, Schnack, Schnuck.

 

 

Märchenhafte Optik

 

Von idyllischen Küstenorten über verfallene Ruinen bis hin zu grünen Wäldern, trockenen Wüsten und finsteren Höhlen: Die Fantasy-Welt von Rivellon präsentiert sich farbenfroh und strotzt nur so vor sehenswerten Details. Auch wenn sämtliche Charaktermodelle aus der Nähe etwas klobig wirken mögen, so holt das abgefahrene Design die Kohlen aus dem Feuer. Hier stellen sich nämlich nicht nur klassische Dämonen oder Zombies in den Weg, sondern auch hopsende Schneemänner, skelettierte Clowns in buntem Kostüm oder Robotergeflügel. Ähnlich eigenwillig präsentiert sich der Soundtrack mit ungewöhnlichen Musikstücken, die teilweise an die Untermalung von "Divinity II: Ego Draconis" erinnern mögen. Für die Enhanced Edition wurden einige Dialoge überarbeitet, mit neuen Textzeilen ergänzt und obendrein aufwendig in englischer Sprache vertont. Für deutschsprachige Spieler gibt es lediglich übersetzte Untertitel. Erfreulicherweise ist die Schriftgröße angenehm auf den Fernsehgeräten zu lesen.


Fazit

Schon beim Durchspielen der PC-Version vor über einem Jahr habe ich den Entschluss gefasst, mich sicherlich noch mal in der fantastischen Welt von "Divinity: Original Sin" blicken zu lassen. Dass die Rückkehr dank dieser sinnvoll umgesetzten Enhanced Edition sogar noch mehr Spaß macht, hätte ich nicht unbedingt für möglich gehalten. Doch die Entwickler haben die Zeit hervorragend genutzt, auch wenn neben der komplett englischen Vertonung sicherlich eine entsprechende Synchronisation für die zahlreichen deutschen Fans wünschenswert gewesen wäre. Davon sollte man sich jedoch nicht abschrecken lassen, denn ansonsten verpasst man möglicherweise eines der besten Rollenspiele der letzten Jahre. Ein Nachfolger befindet sich bereits in Entwicklung.(Christian Schmitz)


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