Das Thema Polizei hat in den letzten Jahren einige Medienaufmerksamkeit vor allem in den USA erfahren. Mal ist es der Cop, der den Finger zu schnell am Abzug hat und bei einer Verkehrskontrolle unbegründet einen Farbigen erschießt, mal geht es um Polizisten, die ins Visier radikaler Gruppierungen gelangen und selbst zu Opfern werden. Es ist ein großes Thema, die Polizei scheint wie ein ganzes Universum an Themen, es geht um ihre Kultur, ihre Macht, ihre Rolle in der Gesellschaft. Vor allem: jeder scheint immer genau zu wissen, was ein Cop in dieser oder jener Situation hätte tun sollen.
This ist he Police ist das erste Spiel von Weappy Studio. Interessanterweise ist der Entwickler nicht in den USA ansässig, sondern in Minsk (Weißrussland). Obwohl die Macher ihr Wissen über die Polizei in amerikanischen Städten aus einschlägigen Filmen und Serien beziehen dürften, gelingt es ihnen sehr gut, die moralische Grauzone zu erfassen, in der sich ein Polizeichef in einer von Mafia geprägten amerikanischen Stadt befinden mag.
Noch 180 Tage bis zum Ruhestand
This is the Police handelt von Jack Boyds letzten sechs Monaten als Polizeichef der Stadt Freeburg, wo es ungefähr so düster zugeht wie in Gotham, nur ohne die lächerlichen Kostüme. Bei Spielbeginn wird Jack unmissverständlich der Ruhestand nahegelegt - früher als er diesen geplant hatte. Nun gilt es noch eine „Versorgungslücke“ zu füllen. Jacks Ziel ist es, in den nächsten 180 Tagen 500.000 $ zu machen – und zwar ohne in dieser Zeit getötet oder verhaftet zu werden, oder noch schlimmer...
Dabei ist der Bürgermeister nicht der einzige, der Jack im Nacken sitzt. Freeburg wird von einigen kriminellen Lagern regiert, die es Jack unmöglich machen, neutral zu bleiben. Der erste Gangsterboss, den man trifft, ist Christopher Sand. Er ist ein bescheidener alter Schlaukopf, der nichtsdestotrotz in dem Ruf steht, die Leute grausam zu bestrafen, die ihm in die Quere kommen. Ganze Familien sollen auf seinen Befehl hin ausgelöscht worden sein.
Die meisten Spiele mit moralischen Entscheidungen erlauben es dem Spieler gut zu sein oder schlecht, oder irgendetwas dazwischen. This is the Police zwingt den Spieler in Entscheidungslagen, in denen es nicht um schwarz oder weiß, sondern um grau oder dunkelgrau geht. Wenn du den Helden spielen willst, und dich mit Christopher Sand anlegst, bist du innerhalb von zwei Wochen tot. Wenn du Sand in allem nachgibst, in der Hoffnung, dass er dich am Leben lässt, bekommst du bald anderen unangenehmen Besuch. Die Schwierigkeit besteht also darin, alle Fraktionen einigermaßen glücklich zu machen.
This Is the Police steckt voller Klischees, wie man sie in einem Polizeidrama erwartet. Jack ist natürlich ein ziemlich rauer Bursche, er flucht viel und er trinkt gerne einen über den Durst. Seine Frau hat ihn für einen Jüngeren verlassen, aber er vermisst sie immer noch. Das Rathaus steckt voller Bürokraten und feiger Politiker mit Selbstbedienungsmentalität. Klar, dass man so etwas nur mit der richtigen Dosis aus Gleichgültigkeit und Zynismus aushalten kann. Das Spiel ist sogar ziemlich gut geschrieben und steckt voller Anspielungen, die auf das umfangreiche Wissen der Autoren schließen lassen. Es gibt Referenzen zu Rudyard Kipling, Victor Hugo und anderen klassischen Autoren. Das Spiel ist auch ziemlich unterhaltsam, wenn man die Details in den Textfeldern liest.
Es ist gut der Boss zu sein, oder?
Als Polizeichef nimmt man die Telefonanrufe nicht persönlich entgegen. Vielmehr teilt man die Officer und Detectives für verschiedene Jobs ein, die sich über den Tag ergeben. Der Haupt-Bildschirm ist ein Modell von Freeburg, das in Jacks Büro steht und gewissermaßen als Karte dient. Einsätze erscheinen scheinbar zufällig an verschiedenen Stellen der Karte. Die Einsätze folgen einem Farb-Code, der auf den Dringlichkeitsgrad schließen lässt. Rote Einsätze erfordern die sofortige Aufmerksamkeit, gelbe Aufträge können warten. Grüne Aufträge beinhalten die Möglichkeit, an Geld zu kommen (und zwar legal) – zum Beispiel wenn ein Club für zusätzliche Sicherheit sorgen muss, oder jemand gerne ein paar Cops bei einem Schießwettbewerb dabei hätte.
Jedes Mal wenn der Spieler einen Auftrag annimmt, erscheint eine Situationsbeschreibung. Dann entscheidet man, wie viele Leute eingesetzt werden. Die Entscheidung hängt natürlich von der Art des Verbrechens ab. Ein Bankraub erfordert mehr Leuten als ein nackter Opa, der durch die Straßen irrt. Manchmal fordert ein Officer Verstärkung an, sobald er am Ort des Geschehens ankommt, oder ein Einsatz erweist sich als falscher Alarm. Sobald die Leute zu einem Einsatz unterwegs sind, stehen sie für andere Aufgaben nicht zur Verfügung, bis sie zur Wache zurückkehren, wobei Entfernungen eine Rolle spielen.
Lila Einsätze sind die interessantesten. Sie sind mit Nachforschungen verbunden und erfordern den Einsatz von Detectives. Sobald ein Detective auf einen solchen Fall angesetzt wurde, funktioniert die Ermittlungs-Mechanik wie folgt: Der Spieler setzt eine Folge von Ereignissen zusammen und zwar mit Hilfe von Fotographien, die er an der Wand in eine richtige Ordnung bringt. Bei Beginn der Ermittlung hat man nur das erste und das letzte Foto. Im Verlauf der Ermittlungen kommen weitere Fotographien dazu. Aber nicht alle sind nützlich, manche führen sogar in eine falsche Richtung. Um die richtige Auswahl zu treffen, muss man Zeugenaussagen und Berichte vom Tatort analysieren. Wenn sich ein Verdächtiger herauskristallisiert, schickt man den leitenden Ermittler mit ein paar Leuten zur Festnahme. Manchmal kann man bei so einer Aktion eine ganze kriminelle Organisation ausheben, was viel Geld in Form von Bonuszahlungen einbringt.
Es gibt auch Bandenkriege und der Spieler ist gezwungen, sich für eine Seite zu entscheiden. Das ist nicht so einfach, wie es sich anhört. Für den Gangsterboss, den man unterstützen möchte, gilt es über zwei Wochen verschiedene Aufträge zu erfüllen, aber der andere Gegnerboss darf nicht erfahren, für wen der Spieler Partei ergriffen hat. Deshalb muss er für beide arbeiten und sicherstellen, dass am Ende das Pferd gewinnt, auf das er gesetzt hat. Alle Aktionen dieser Art sind natürlich illegal, deshalb kann man dafür verhaftet werden.
Die Einsatzkräfte
Die “Personalakte” der einzelnen Einsatzkräfte zeigt den Erfahrungsgrad, der bestimmt, wie erfolgreich sie arbeiten. Die Personalakte erscheint in Form eines Portraits mit bestimmten Werten, zum Beispiel der Energie. Es empfiehlt sich, den Leuten ab und zu frei zu geben. Andere Charakteristika können z.B. der Hang zum Alkoholkonsum sein. Klickt man auf das Portrait, erfährt man mehr über die Leistungen der Personen, das politische Lager oder ihre Vorgeschichte. Auch Hinweise über Faulheit und ähnliche Eigenheiten finden sich hier.
Alter, Geschlecht und Rasse können eine Rolle spielen. Zum Beispiel könnte der Bürgermeister alle asiatisch-stämmigen Cops anfragen, wenn er einen Ehrengast beeindrucken will, oder der Spieler könnte gezwungen sein, farbige Cops zu entlassen, weil eine rassistische Gang das einfordert und ihm die Hölle heiß macht. Aber Vorsicht, der Spieler sollte dafür sorgen, dass seine Leute zufrieden sind und nicht nur den Wünschen des Bürgermeisters oder irgendwelcher Gangs nachkommen, sonst wird er aus den eigenen Reihen verraten.
Minimalistische Grafik und Sanfter Jazz
Der Grafikstil in This Is the Police ist einigermaßen minimalistisch und hat den Touch eines Comic-Heftes, auch in den Cutscenes. Doch passt er gut zum Spiel, das sich mehr um Strategie und Grips dreht als um effektvolle Explosionen und Settings.
Die Art, wie in dem Spiel Musik eingesetzt wird, ist wirklich cool. Jeden Tag kann sich der Spieler eine Platte aus seiner Sammlung auswählen, meist Jazz, Ragtime oder Klassik, und es ist möglich, sich neue Platten mit der In-Game-Währung zu kaufen. Die Musik passt zum Charakter des Spiels, der sich irgendwo zwischen Sim-City, The Wire und dem Malteser Falken bewegt.
Über Speicherstände, Tutorials und “Täglich grüßt das Murmeltier”-Momente
This Is the Police unterstützt nur jeweils einen Spielvorgang, es ist nicht möglich, jeden Moment zu speichern, sondern nur an bestimmten fixen Punkten alle paar “Spieltage”. Wenn man stirbt oder verhaftet wird, hat man die Wahl, von vorne anzufangen oder mit einem der Speicherpunkte. Leider spielt sich jeder Tag auf die genau gleiche Weise ab, die gleiche Abfolge von Verbrechen, die gleiche Ermittlung, die gleichen Auswahloptionen. Das wirkt sich sehr negativ auf die Wiederspielbarkeit aus und nervt beim Laden von Spielständen.
Das Spiel hat ein gutes Tutorial, das durch jedes neue Element führt, sobald es im Spiel auftaucht. Außerdem gibt es im Spiel einen Deputy, der mit Ratschlägen durch die Geschichte führt. Dieser Hilfsscheriff ist auch gut, um Verräter in den eigenen Reihen zu finden oder Grillparties zu organisieren.