The Great Whale Road ist ein Spiel, das ich einfach gut finden will: ein Rollenspiel, das im frühen Mittelalter angesiedelt ist, noch dazu mit Wikingern… Das ganze Programm mit Blut, Ehre, Schwüren und Heldenmut. Ein Waffenarsenal der alten Schule, womit man ordentlich Knochen zerschmettern und das Blut spritzen lassen kann. Ihr wisst schon, was ich meine... Dann kommt das Ganze noch mit einer schönen Graphik daher und es gibt witzige Spielerentscheidungen. Wenn man zum Beispiel Ratten an Bord hat, stellt sich die Frage, ob man das Naheliegende wählt: „ Es sind Ratten an Deck. Sollen wir sie totschlagen?“ oder lieber einer der anderen Optionen folgt, die recht schräg sein können, zum Beispiel: „Beten wir zu den Göttern, dass sie uns von der Plage befreien!“
Als Early Access Titel löst das Spiel bereits Begeisterungsstürme bei mir aus. Der Titel weckt hohe Erwartungen, doch damit er diesen am Ende gerecht wird, muss Sunburned Games in einigen Bereichen gründlich nachbessern. Zum aktuellen Zeitpunkt ist es schwer zu sagen, wie weit entfernt The Great Whale Road von dem Spiel ist, das es sein könnte.
Die Welt erobern im Sommer, Planen im Winter…
The Great Whale Road spielt sich wie eine Mischung aus The Banner Saga, X-COM und dem alten Oregon Trail. Es ist in zwei Hauptbereiche aufgeteilt, den Erkundungsteil im Sommer und der Planungsphase im Winter. Aber egal, in welcher Jahreszeit du dich gerade befindest, deine Verantwortung als Anführer besteht darin, deine Leute zu stärken und dein Dorf zu schützen. Im Sommer segelst du über die namensgebende „große Wal-Route“, -ein angelsächsischer Terminus für das Meer-, du kämpfst, treibst Handel, sammelst Ressourcen und kümmerst dich allgemein um die „Geschäfte“, im Wikinger-Stil versteht sich. Im Winter ziehst du dich ins Dorf zurück, schlichtest Streitigkeiten unter deinen Leuten und hoffst, dass ihr ausreichend auf die Kälte vorbereitet seid. Die Vorräte gehen zuneige und manche der Älteren sterben, wenn es knapp wird. Jedes Jahr triffst du Vorbereitungen in fünf Kategorien: Nahrung, Kriegsführung, Diplomatie, Tradition und Handwerkskunst. Wenn du dein Dorf gut durch den Winter bringst, loben die Menschen deine Führungsqualitäten und werden stärker. Dies ist vom Ansatz her ein sehr gutes System und es bietet einige interessante Optionen.
Während du auf dem Meer unterwegs bist, hängt der Spielfortschritt von Entscheidungen ab, die sich aus der Story ergeben. Du kannst direkt zum wichtigsten Ziel segeln oder eine von vielen „Umwegen“ wählen, die sich unterwegs anbieten. Sei es, dass du einem Fischerdorf einen Besuch abstattest, oder einen scheinbar unbewachten Lagerplatz unter die Lupe nimmst. Oder aber du gehst auf Konfrontation mit einem Schiff, das dir auf dem Meer begegnet und das voller blutrünstiger Seeräuber stecken könnte. Alle deine Leute, sowohl Männer als auch Frauen, haben unterschiedliche Meinungen zur aktuellen Lage. Du als Anführer entscheidest, welchem Rat du folgen möchtest.
Auf lange Sicht besteht das Problem bei der Spielerauswahl darin, dass sich zu viel wiederholt. Ratten im Lagerraum? Die gleichen Optionen stellen sich wieder und wieder. Ein Sturm zieht auf? Du kannst dich darauf verlassen, dass es jedes Mal die richtige Wahl ist, die Segel einzuholen und einen sicheren Ankerplatz zu suchen. Manchmal gibt es dann doch ein wenig Abwechslung, zum Beispiel ist ein Mannschaftsmitglied beim Segeleinholen verunglückt und ertrunken, aber in den meisten Fällen läuft es immer gleich ab. Sicher, das Spiel ist in der Early Access Phase, aber hier muss definitiv mehr Variation her.
Die Möglichkeit, Schiffe anzugreifen, denen man auf offener See begegnet, ist vom Prinzip her gut gedacht. Auch eröffnen sich hier interessant aussehende Schlachtfelder, die kleiner und schwerer zu durchsteuern sind und daher eine größere Herausforderung darstellen als Kämpfe an Land. Alles schön und gut. Aber irgendwann stellt man sich die Sinnfrage. In meinem Spieldurchgang hatte ich den Eindruck, dass die Kämpfe am Ende nicht viel bringen. Als gefährlicher Krieger, für den ich mich halte, greife ich natürlich brav alle Schiffe an. Doch bringen diese Gefechte mich oder meine Leute weiter? Ich bekomme keine Erfahrungspunkte, ich kann keine Beute machen und die Götter sind mir hinterher auch nicht wohler gesonnen… Mit anderen Worten, die Wirkung ist gleich Null. Warum also sollte ich mich auf Gefechte mit den Schiffen einlassen, wenn ich diese auch überspringen kann?
Ohne spürbares Resultat sind die Seegefechte in der jetzigen Form ein Problem. Nach den ersten Seeschlachten mache ich lieber einen Bogen um fremde Schiffe. Es bringt mehr, mich um meine anderen Geschäfte zu kümmern. In einem von der Story voran getriebenen Rollenspiel muss es einfach einen echten Anreiz für die Kämpfe geben. Es reicht nicht, dass diese „Spaß machen“. Und ja, sie machen Spaß, aber auch hier gibt es ein paar Probleme.
Das Kampfsystem
Die Kämpfe in The Great Whale Road funktionieren über ein System mit zufällig gezogenen Karten. Jeder deiner Krieger hat drei Karten, die du zum Ausbau der Verteidigung oder des Angriffs einsetzen kannst, oder um andere Helden in die Schlacht zu rufen. Ich bin ein wenig unschlüssig, was das Kartensystem angeht. Einerseits gefällt mir der Zufallsfaktor. Andererseits ist es ärgerlich, wenn der Gegner 2, 3 oder 4 Krieger in Folge zieht und ich Runde um Runde auf eine Heldenkarte hoffe, um dem etwas entgegen zu setzen. Mir wäre ein anderes System lieber, denn der Zufall führt unweigerlich zu deinem Untergang, wenn du nicht schnell genug Heldenkarten ziehen kannst, ohne dass du etwas dagegen unternehmen kannst.
Alles in allem machen die Kämpfe dennoch Spaß. Man schiebt seine Figuren über ein hexagonales Spielfeld, das an ein Schachbrett erinnert. Du greifst Gegner an, setzt neue Heldencharaktere ein, setzt Karten ein und versuchst, den Feind zu vernichten, während du gleichzeitig aufpasst, nicht in die Ecke getrieben zu werden oder deine Hauptfigur zu verlieren, wodurch die Schlacht sofort verloren wäre. Man kann Knochenbrecher einsetzen oder Sehnen verletzten, was die Mobilität des Gegners verringert, und das ist wirklich eine nette Idee.
Alles in allem machen die Kämpfe nach ein paar Stunden immer noch Spaß, aber mir fehlt etwas dabei. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass es tatsächlich mehr Spieltiefe gibt, aber diese hat sich mir nicht erschlossen. Oder sie ist aktuell noch nicht implementiert. Der Spieler wird weitgehend sich selbst überlassen beim Ausknobeln, wie die Kämpfe funktionieren. Ich bin der Meinung, mit ein paar Änderungen hier und da kann das Kampfsystem noch viel gewinnen.
Natürlich muss man bei einem Early Access Titel mit Problemen rechnen und ich hatte auch welche bei meinem Spieldurchlauf. Über einen Fehler möchte ich mich nicht beklagen, denn ich wurde drei Mal für die gleiche Sache bezahlt. Schlimmer war es, als ich einen Nebenquest annahm und diesen nicht aktivieren konnte. Egal, was ich zu dem Spielcharakter sagte, ich konnte den Kampf nicht auslösen, der zur Fortführung der Quest notwendig gewesen wäre. Schließlich musste ich das Spiel neustarten und eine neue Kampagne beginnen. Das war ziemlich frustrierend.
в