Casting Whispers

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Am 22. Oktober 2025 erschien das Horrorspiel des Entwicklers und Publishers Lantern Bay Entertainment, bei dem du als Laborassistentin auf der Suche nach deinem Mentor bist. In meiner Review erzähle ich dir mehr.

 

Story und Handlung:

1961, Corburgh, Connecticut. Eine Industriestadt, zerfressen von der Zeit, den Sünden der Vergangenheit und Präsenzen, über die nur in den dunkelsten Gassen geflüstert wird. Hier lebt Victoria, eine junge Laborassistentin, die sich mit der Erforschung der außersinnlichen Wahrnehmung (ESP) beschäftigt und aufgrund des mysteriösen Verschwindens ihres Mentors, Professor Henry Zubringer, eilig zurückgerufen wird. Die Voraussetzungen für einen raffinierten Psychohorrorfilm sind perfekt: ein Amerika der 60er Jahre zwischen Wissenschaft und Aberglauben, eine zerbrechliche, aber entschlossene Protagonistin und eine Untersuchung, die verspricht, Verstand und Paranormales zu verschmelzen. Und doch ist Casting Whispers, das Debüt von Lantern Bay Entertainment, eine Geschichte, die mehr flüstert, als sie tatsächlich aussagt. Das Konzept hinter dem Spiel ist ebenso originell wie ambitioniert: die Augen schließen, um der „Welt” um uns herum zu lauschen, ob real oder nicht. Eine Geste der Verletzlichkeit, die zu einer Waffe wird, eine Möglichkeit, das zu wahrzunehmen, was sich dem Blick entzieht, die Vergangenheit wiederaufleben zu lassen und zu entdecken, was sich hinter den Mauern eines alten, verfluchten Wohnhauses verbirgt. Eine gewagte und spannungsgeladene Idee des Spieldesigns, die versucht, den Schwerpunkt des Horrors noch mehr in Richtung des rein sensorischen Bereichs zu verlagern. Auf dem Papier funktioniert es. In der Praxis sieht das Ergebnis jedoch ganz anders aus: Was eigentlich eine Mechanik sein sollte, die in die Stille und Angst des Unsichtbaren eintauchen lässt, wird schnell zu einem einfachen „Knopfdruck“, um die Handlung voranzutreiben. Der Reiz des Konzepts verblasst hinter sich wiederholenden und wenig inspirierten Interaktionen und wird zu einem mechanischen Ritual, das eher frustrierend als fesselnd ist.

Zeugin statt Protagonistin

Auf narrativer Ebene bewegt sich Casting Whispers zwischen Thriller und Psychohorror, findet jedoch nie eine stabile Identität. Die Geschichte möchte eine innere Reise in Victorias Geist und Sinne sein, eine Untersuchung, die sich mit Erinnerung, Schuld und Wahnsinn auseinandersetzt, doch der Schreibstil kann das Gewicht dieser Ambitionen nicht tragen. Die zahlreichen Tagebücher, Briefe und inneren Monologe versuchen, ein komplexes und introspektives Bild zu zeichnen, wirken aber letztlich eher wie eine Collage von Ideen als wie eine zusammenhängende Erzählung. Das Ergebnis ist ein fragmentierter Bewusstseinsstrom, der inspirierte Momente mit redundanten oder langweiligen Passagen abwechselt. Victoria hingegen bleibt eine Figur, die zwischen den erzählerischen Absichten und der fehlenden Richtung gefangen ist. Sie ist eher Zeugin als Protagonistin, ohne echte Handlungsfähigkeit, und daher schwer zu verstehen oder sich ihr nahe zu fühlen. Es gibt Andeutungen auf eine gequälte Persönlichkeit, aber sie bleiben in der Luft hängen: Sie reichen nicht aus, um einen wirklichen Einblick in ihre Gedankenwelt zu bekommen oder Mitgefühl für ihre Ängste zu empfinden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Struktur des Spiels einen oft sich selbst überlässt. Die Ziele sind unklar, die Hinweise sind chaotisch verstreut und der Fortschritt scheint eher auf Versuch und Irrtum als auf Schlussfolgerungen zu basieren. Man bleibt stehen und wartet darauf, dass etwas passiert, oder irrt durch Korridore und Räume auf der Suche nach einem Ereignis, das das nächste Kapitel freischaltet. Es ist nicht die Spannung des Unbekannten, die einen in Atem hält, sondern die Frustration, nicht zu verstehen, was das Spiel wirklich von einem will. Die Grenze zwischen Geheimnis und Verwirrung ist schmal, und Casting Whispers überschreitet sie allzu oft in die falsche Richtung. Anstatt sich als Teil eines luziden Albtraums zu fühlen, bleibt man in einem instabilen System gefangen, in dem die Stille nicht beunruhigt, sondern irritiert, und in dem der wahre Horror darin besteht, durch einen Bug oder eine schlecht kalibrierte Mechanik blockiert zu sein.

Grafik und Sound:

Wenn es einen Aspekt gibt, in dem Casting Whispers wirklich heraussticht, dann ist es die Atmosphäre. Von den ersten Minuten an versetzt der Titel einen in ein melancholisches und bedrückendes Corburgh, wo selbst das Licht die Luft zu beschweren scheint. Das mit Unreal Engine 5 entwickelte Spiel bietet ausreichend realistische und inspirierende Umgebungen, die von einer fast filmreifen Fotografie beleuchtet werden, die an amerikanische Thriller der 1960er Jahre erinnert. Der in der Luft schwebende Staub, die flackernden Neonlichter und die engen Gänge erzeugen ein ständiges Gefühl der Erwartung, als könnte sich hinter jeder Tür etwas oder jemand verstecken. Trotz der unvermeidlichen Einschränkungen einer unabhängigen Produktion beweist der Entwickler einen überraschenden Sinn für Ästhetik. Der Trick, niemals Gesichter zu zeigen, die durch angelehnte Türen, unscharfe Rahmen oder Lichtschnitte verdeckt sind, ist kein Mangel, sondern eine raffinierte stilistische Entscheidung, die der Geschichte Geheimnis und visuelle Kohärenz verleiht. Es ist eine clevere Methode, um das Fehlen komplexer Animationen zu kaschieren und sie in ein Stilmittel zu verwandeln.  Schade, dass diese visuelle Magie unter dem Gewicht der Technik schnell zerbricht. Die Optimierung lässt viel zu wünschen übrig: Plötzliche Abstürze, deutliches Stottern beim Drehen der Ansicht und häufige Einbrüche der Bildrate unterbrechen den flüssigen Spielablauf. Auch das Laden der Szenen, das manchmal abrupt oder unvollständig ist, unterbricht die Spannung und macht die Sorgfalt zunichte, mit der das Spiel seine Atmosphäre aufbaut. In einem Titel, der auf Wahrnehmung und Sinnen basiert, wiegt jeder einzelne technische Stolperstein doppelt schwer. Doch selbst wenn das Bild wackelt, bleibt der Ton stabil. Das Audiodesign ist der Hauptgrund, warum es sich lohnt, diesen Titel auszuprobieren. Jedes Geräusch, vom Knarren eines Fußbodens bis zum entfernten Ticken einer Uhr, ist mit fast chirurgischer Präzision dosiert. Die Räume scheinen zu atmen, die Wände scheinen zu beobachten, und die Stille selbst wird zu einer greifbaren Präsenz, die bedrückender ist als jede bedrohliche Gestalt. Der von Noir-Melancholie durchdrungene Soundtrack trägt mit langsamen, fast rauchigen Klängen dazu bei, die Kulisse der 60er Jahre zu verstärken, und begleitet Victoria wie ein Echo ihres unruhigen Geistes. Auch die Synchronisation überrascht: Trotz einiger Unsicherheiten in der Schauspielerei bleibt sie glaubwürdig und konsistent, ohne jemals die Immersion zu unterbrechen.

Trailer:

 


Fazit

Casting Whispers ist ein äußerst ambitioniertes und visuell beeindruckendes Projekt für das Werk eines einzelnen Entwicklers, leidet jedoch unter Bugs, schlechter Optimierung und einer unzusammenhängenden Erzählung, die jegliche Spannung zunichtemacht. Ein interessantes Experiment, das jedoch noch nicht bereit ist, wirklich zu begeistern.


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